Antarktis - die verbotene Wahrheit. Michael E. Salla
ist wichtig, Marrs‘ Ansicht, dass die Thule-Gesellschaft eine Neuauflage der verbotenen bayerischen Illuminaten war, im Gedächtnis zu behalten, wenn man ihre Rolle hinter den Kulissen bedenkt, die sie bei Hitlers Aufstieg zur Macht und der Entstehung des Dritten Reiches spielte.
James und Suzanne Pool bestätigen, dass Hitler bald von der Finanzierung der Deutschen Arbeiter-Partei durch die Thule-Gesellschaft erfahren hat und einverstanden war, mit prominenten Thule-Mitgliedern dabei zusammenzuarbeiten, ihre weithin übereinstimmenden pangermanischen, antisemitischen und metaphysischen Glaubensvorstellungen umzusetzen:
»Wusste Hitler zu der Zeit, als er dort eintrat, dass die Deutsche Arbeiter-Partei von der Thule-Gesellschaft unterstützt wurde? … Bedenkt man Hitlers Stellung als Armee-Spion und sein Interesse an nationalistischer, antisemitischer Politik, dann erscheint es wahrscheinlich, dass ihm bekannt war, dass die Gesellschaft diese neue kleine Bewegung namens Deutsche Arbeiter-Partei förderte. Wenn Hitler über eine solche Information verfügte, würde das erklären, warum er diese kleine Partei unter vielen anderen nationalistischen Gruppen, die damals existierten, auswählte.«23
So begann die Thule-Gesellschaft also, die Deutsche Arbeiter-Partei zu unterstützen, die ihren Namen Anfang 1920, auf Hitlers Anraten, in »Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei« oder NSDAP änderte.24 Die Thule-Gesellschaft sorgte dafür, dass der Völkische Beobachter, ihre Zeitung mit Sitz in München, »das führende extrem rechte, antisemitische Blatt in Bayern«, die Agenda der neuen Partei vorantrieb.25 Bald wurde die Zeitung der Nazipartei übergeben, die merkwürdigerweise die Mittel aufgebracht hatte, sie zu erwerben, und sofort wurde sie zum offiziellen Sprachrohr der NSDAP. Dies war der entscheidende Schritt, um die frischgebackene Nazipartei in eine Massenbewegung zu verwandeln und um Hitler ein nationales Publikum zu verschaffen. All dies wurde mit Hilfe einer Zeitung erreicht, die anfänglich von prominenten Mitgliedern der Thule-Gesellschaft gegründet und im Verborgenen kontrolliert worden war:
»Als die Thule-Gesellschaft den Völkischen Beobachter der Nazipartei übergab, muss bei diesem Geschäft darauf bestanden worden sein, dass ein Thule-Mitglied (Amann) Verwalter des Zeitungskapitals bleiben sollte und darüber hinaus sogar zum ›Parteigeschäftsführer‹ ernannt wurde, mit der Aufsicht über das gesamte Parteivermögen … Mit Amann als Parteigeschäftsführer, Eckart als Herausgeber der Parteizeitung und Rosenberg als Redaktionsassistenten war die Mitwirkung der Thule-Gesellschaft bei den Nazis stärker als je zuvor. Da die grundlegende Ideologie der Thule-Gesellschaft sowie die der Nazipartei freilich dieselbe war, konnten diese Männer sowohl loyale Nazis als auch Mitglieder der Gesellschaft sein.«26
Es war nicht nur die entscheidende organisatorische Hilfe der Mitglieder der Thule-Gesellschaft, die sich für Hitlers Aufstieg zur Macht als besonders wichtig erwies. Es waren auch die Ideen und Motive der Thule-Gesellschaft, die Hitler nutzte, um eine breite pangermanische Basis anzusprechen, wie die Pools darlegen:
»Das Symbol der Thule-Gesellschaft war die Swastika. Ihre Briefköpfe und ihre Veröffentlichungen zeigten dieses Zeichen, und große Swastika-Flaggen zierten ihre luxuriösen Versammlungsräume und Büros. Viele Themen und Slogans der Gruppe wurden von Hitler später fast wörtlich wiederholt.«27
Abb. 5: Die Verwendung der Swastika durch die Thule-Gesellschaft wurde von der NSDAP für ihre Zwecke angepasst.
Die Swastika repräsentierte die heiß begehrte Vril-Kraft und war daher ein zentraler Aspekt dessen, was nach dem Glauben der Thule-Gesellschaft alle Deutschen reinen Blutes zu erlernen und zu beherrschen hatten. Hitlers Übernahme vieler Ideen und Motive der Thule-Gesellschaft ist ein Beleg dafür, dass er selbst ein Okkultist und sogar ein Thule-Mitglied war, wie von Geschichtsforschern wie Trevor Ravenscroft behauptet wird, dem Autor von Die heilige Lanze: Die okkulte Macht einer Reliquie, mit deren Hilfe Hitler die Welt erobern wollte.28
Außerdem ließen Mitglieder der Thule-Gesellschaft Hitler unverzichtbare Unterstützung angesichts der polizeilichen Verfolgung aufgrund seiner unverblümten nationalistischen Ansichten zukommen. Die Pools schreiben dazu:
»Die wichtigste Unterstützung, die er einstweilen von der Thule-Gesellschaft, dank Thule-Mitgliedern in der bayerischen Regierung, bekommen sollte, war der Schutz vor Strafverfolgung.«29
Laut den Pools sollte Hitlers junge Nazipartei schließlich die Thule-Gesellschaft als ihre Mentorin überflügeln:
»Als die Deutsche Arbeiter-Partei unter Hitlers Führung zu wachsen und sich zu entwickeln begann, sollten fähige und intelligente Mitglieder und Sympathisanten von Thule in sie eintreten und einen außerordentlichen Wert für Hitler darstellen. Das Kind der Massen sollte schließlich über seine geheimgesellschaftliche Mutter hinauswachsen.«30
Die Historiker stimmen weitgehend darin überein, dass die Thule-Gesellschaft Hitler bei seinem Aufstieg zur Macht unterstützte, blenden aber, wie die Pools, deren langfristige Bedeutung aus, wenn sie von ihrer angeblichen Auflösung 1925 ausgehen – demselben Jahr, in dem wohlgemerkt mit Unterstützung der Thule-Gesellschaft Hitlers Autobiografie Mein Kampf veröffentlicht wurde. Auch Nicholas Goodrick-Clarke, der Autor des Buches Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, schreibt kurz und knapp: »Die Thule-Gesellschaft wurde um 1925 aufgelöst, als ihre Unterstützung geschwunden war.«31
An diesem Punkt lassen die Pools und Goodrick-Clarke eine Betrachtung der Rolle der Thule-Gesellschaft hinter den Kulissen, als okkulte Gruppierung und nicht als politische Lobbygruppe, vermissen. Sie hat sich nicht aus der nationalen Szene zurückgezogen, weil die wachsende Nazipartei deren Mitglieder geschluckt hatte. Vielmehr war die Thule-Gesellschaft sehr erfolgreich darin gewesen, Hitlers Nazipartei zu unterwandern und prominente Mitglieder in Schlüsselpositionen zu bringen, um ihre langfristigen Ziele zu erreichen. Wie bereits zitiert, betrachteten Pauwels und Bergier die Thule-Gesellschaft als das »magische Zentrum der NS-Bewegung«.32 Und viele weitere Quellen verweisen auf ihre fortdauernde Existenz hinter den Kulissen als im Untergrund tätige, aber äußerst machtvolle Organisation, die noch lange nach ihrer scheinbaren öffentlichen Auflösung 1925 mit Hitler im Stillen zusammenarbeitete und ihn manipulierte.33
Als moderne Inkarnation der verbotenen bayerischen Illuminaten waren es die Mitglieder der Thule-Gesellschaft mehr als gewohnt, Einfluss aus dem Verborgenen auszuüben, um niemanden durch ihre Machenschaften hinter den Kulissen zu verschrecken. Immerhin waren die bayerischen Illuminaten schon einmal aufgrund des Aufschreis einer alarmierten Öffentlichkeit verboten worden, was zum Einzug ihres Besitzes und Vermögens durch die bayerische Regierung geführt hatte. Hitler teilte die pangermanischen, antisemitischen und metaphysischen Ziele der Thule-Gesellschaft – warum sollte er sie also gefährden, indem er die wahre Rolle der Thule-Gesellschaft hinter den Kulissen aufdeckte? Außerdem war Hitler schließlich eifrig darauf bedacht, seine Unabhängigkeit zu betonen und sich nicht als praktizierenden Okkultisten oder Anhänger einer aristokratisch geführten Gruppierung wie der Thule-Gesellschaft zu präsentieren.
Laut Ian Kershaw, dem Autor der zusammen mehr als 2.000 Seiten umfassenden und auch auf Deutsch vorliegenden Bücher Hitler: 1889-1936 und Hitler: 1936-1945 »liest sich die Mitgliederliste der Thule-Gesellschaft … wie ein Who’s Who früher Nazi-Sympathisanten und führender Gestalten in München«, darunter Rudolf Hess, Alfred Rosenberg, Hans Frank, Julius Lehmann, Gottfried Feder, Dietrich Eckart und Karl Harrer.34 Eine sogar noch umfangreichere Liste wurde von den Autoren Dietrich Bronder (Bevor Hitler kam) und E. R. Carmin (»Guru« Hitler) vorgelegt, die ebenfalls viele Mitglieder der Thule-Gesellschaft aufzählten, von denen einige zu machtvollen Positionen innerhalb der NS-Regierung aufstiegen:
•Baron Rudolf von Sebottendorf, Großmeister des Ordens
•Guido von List, Meister des Ordens
•Jörg Lanz von Liebenfels, Meister des Ordens
•Adolf