Funkelsee – Versunken in der Pferdebucht (Band 2). Ina Krabbe
ein paar Monaten sein Opa Sven gestorben (der ja eigentlich Cedric hieß, aber Edgar fiel es immer noch schwer, ihn so zu nennen) und er war alleine zurückgeblieben. Er hatte jetzt zwar auch ein neues Zuhause, eine Schwester und Rebecca gab ihr Bestes ihm eine zweite Mutter zu sein, aber natürlich vermisste er seinen Opa. Zum Glück hatte er wenigstens seine Pferde Alibaba und Rocco hierher mitnehmen können.
»Ich hätte mich gestern nicht über dich lustig machen sollen, sorry«, sagte Edgar jetzt und packte Fotos und Briefe zurück in den Karton. »Schon vergessen? Das Pferd letzte Nacht«, erklärte er, als er Malus verwirrten Gesichtsausdruck sah. »Dein Geisterpferd.«
»Da gebe ich dir ausnahmsweise mal recht«, sagte sie und grinste ihn an. Sie hatte in dem ganzen Trubel völlig vergessen, dass sie ja sauer auf ihn sein wollte. »Aber ich vergebe dir, großzügig wie ich bin.«
Ihr Bruder grinste zurück. »Da bin ich ja froh.«
Vor Malus Augen tauchte wieder der Kopf des einäugigen Pferdes auf, das sie so traurig angeblickt hatte. »Und was machen wir jetzt mit meinem Geisterpferd? Oder besser gesagt mit Stumpes Geisterpferden?«
In Edgars Gesicht zuckte es, als hätte er auf eine saure Zitrone gebissen. »Na was wohl, wir müssen sie retten, oder?«
Malu sah ihn überrascht an. Damit hatte sie nun gar nicht gerechnet, dass es so einfach werden würde. Für sie war schon in Gesines Küche klar gewesen, dass sie nicht tatenlos zusehen würde, wie Schneechen zum Schlachter gebracht wurde. Sie hatte sich schon alle möglichen Argumente zurechtgelegt, um ihren Bruder zu überreden, ihr bei der Rettungsmission zu helfen, und nun das!
»Hast du auch eine Idee? Oder hast du im Lotto gewonnen? Dann können wir der Stumpe-Tochter die Pferde einfach abkaufen.«
»Das nicht ...«, Edgar beugte sich ein Stück nach vorne, um einen vergilbten Zettel aus seiner Hosentasche zu ziehen, den er vor sich auf den Tisch legte, »... aber wir haben noch das hier!« Er tippte mit dem Zeigefinger auf das Blatt.
Malu wusste sofort, was das war: die Schatzkarte! Die Schatzkarte, die Edgar von seinem Opa kurz vor dessen Tod bekommen hatte, und die im letzten Sommer für so viel Verwirrung gesorgt hatte. Und die Edgar, nachdem er erfahren hatte, wer sein Opa wirklich war, hinter der Holzvertäfelung in seinem Zimmer versteckt hatte, weil er meinte, der Schatz würde nur Unglück bringen. Nun hatte er seine Meinung scheinbar geändert.
»Also machen wir uns doch noch mal auf die Suche?«, fragte sie und spürte, wie ihr mit einem Mal ganz heiß wurde. Das Gefühl kannte sie schon – das Schatzfieber hatte sie sofort wieder gepackt und damit die Aussicht, dass alles gut werden könnte. Sie hatte es nie verstanden, dass Edgar die Karte einfach versteckt hatte und nichts mehr davon wissen wollte.
Edgar nickte. »Wir tun es für Stumpes Pferde!« Er steckte die Karte schnell wieder ein und sprang auf. »Ich muss noch mal los, aber heute Nachmittag fahren wir auf die Pferdeinsel und diesmal finden wir den Schatz!«
Malu sah ihrem Bruder nach, der sich draußen auf sein Fahrrad schwang und vom Hof raste. Woher kam wohl dieser plötzliche Sinneswandel was die Suche nach dem Schatz betraf? Es kam ihr fast so vor, als ob er diesen Stumpe kennen würde. Aber warum sagte er das dann nicht? Oder hatte es irgendwie mit dem Päckchen zu tun? Malu versuchte sich zu erinnern, wie es gewesen war, als sie heute Morgen die Treppe heruntergestürzt war. Hatte Edgar da nicht schnell etwas hinter seinem Rücken verschwinden lassen? Aber was sollte das Geheimnisvolles gewesen sein?
Malu stand ruckartig auf. Sie sollte nicht so viel herumgrübeln. Sie würde sich jetzt erst mal ein Brötchen schmieren und später auf Schatzsuche gehen. Vielleicht würde sie dabei ja herausfinden, was ihren Bruder umgestimmt hatte.
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