Funkelsee – Versunken in der Pferdebucht (Band 2). Ina Krabbe

Funkelsee – Versunken in der Pferdebucht (Band 2) - Ina Krabbe


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      Malu strich ihrem Pferd über den Hals und drückte ihr Gesicht an das weiche Fell. Sie konnte immer noch seine Anspannung spüren und das Zittern in seinen Muskeln. Aber sie hatte das Gefühl, dass er schon wieder etwas sicherer auf den Beinen stand. Also drückte sie Gesine den Strick in die Hand, warf Lenka einen wütenden Blick zu und folgte dann Edgar und Magnus Wellhorn in den Stall.

      Der Tierarzt schnaubte und hielt einen angeschlabberten Pflanzenrest in die Höhe, den er aus dem Trog gezogen hatte. »Da haben wir doch schon den Übeltäter.«

      Edgar fuhr sich durch seine strubbeligen blonden Haare. »Das soll ihn vergiftet haben?«, fragte er skeptisch. »Die Blumen wachsen hier doch überall.«

      »Papi steht schon seit Jahren auf dieser Wiese und er hat die noch nie gefressen«, bekräftigte Malu die Aussage ihres Bruders.

      »Es sieht aber so aus, als ob er jetzt damit angefangen hat.« Der Doktor holte noch mehr von dem Zeug hervor. »Das ist Hahnenfuß. Ist wirklich sehr verbreitet, diese Pflanze, aber in größeren Mengen hochgiftig für Pferde. Eigentlich wissen die das und fressen schön drum herum. Aber eben nicht immer.«

      Malu starrte entsetzt auf die Wiese vor dem Offenstall. Tatsächlich wuchsen hier überall riesige Büschel dieser gelben Blumen. Hahnenfuß! Nie hätte sie gedacht, dass diese kleinen, harmlosen Blümchen giftig sein könnten. Wenn sie das gewusst hätte, hätte sie jede Blume einzeln ausgerissen!

      »Damit hat der sich vergiftet?« Lenka war hinter sie getreten und betrachtete das angesabbelte Grünzeug angeekelt. »Nur gut, dass Mariellas Pferde auf der Weide hinter dem Schloss stehen, da wächst das nicht.«

      Malu warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Von Lenka hatte Papilopulus kein Mitleid zu erwarten, das war klar. Sie und Malu hatten sich vom ersten Tag an nicht leiden können und das hatte sich bis jetzt nicht großartig geändert. Zu schade, dass sie mit ihrem Vater auch auf Schloss Funkelfeld wohnte. Malu hätte gut darauf verzichten können! Aber Edgar wollte die alte Familientradition weiterführen, die allen Funkelfelds Zuflucht und ein lebenslanges Wohnrecht auf dem Schloss zusicherte.

      »Am besten stellt ihr das Pferd auf eine andere Weide«, schlug der Tierarzt vor.

      Edgar betrachtete Rocco und Alibaba besorgt, die weiter hinten nebeneinander auf der Weide standen und grasten – zum Glück neben den Blumenbüscheln. »Wo sollen wir sie hinbringen?« Er sah Malu fragend an. »Zu Luxor und Palisander können wir sie nicht stellen, die vertragen sich nicht.«

      Ganz am Anfang hatten sie alle fünf Pferde zusammen auf eine Wiese gelassen, aber Alibaba hatte sich gleich mit Palisander angelegt. Und da Mariella Angst um ihre kostbaren Pferde hatte, hatte sie danach auf getrennten Weiden bestanden. Zum Glück gab es hinter dem Schloss noch eine Grünfläche, die nicht an einen Bauern verpachtet war.

      Aber es gab ja noch eine andere Möglichkeit, wo Papi­lopulus, Alibaba und Rocco stehen konnten und die würde den Pferden bestimmt gefallen. »Wie wär’s mit ...« Aber bevor Malu den Satz beenden konnte, stand der Tierarzt vor ihnen und drückte Edgar einen Trichter in die Hand, an dessen Ende ein dicker Schlauch baumelte. »Wir machen noch eine Magenspülung, damit das Gift rauskommt«, be­stimmte er.

      Die nächste halbe Stunde war ziemlich furchtbar für Malu. Sie musste mit ansehen, wie der dicke Schlauch durch Papilopulus’ Nüstern bis in seinen Magen geschoben wurde. Und obwohl Doktor Wellhorn ihr mehrmals versicherte, dass Papilopulus dabei keine Schmerzen hatte, fand sie den Anblick grauenhaft. Aber Hauptsache, Papilopulus wurde geholfen! Durch den Trichter, den Edgar hochhalten musste, wurde Wasser in seinen Magen gepumpt und auf dem gleichen Weg lief es auch wieder heraus. Eine ziemlich stinkende Angelegenheit! So war Malu aus mehreren Gründen froh, als es endlich vorbei war. Papilopulus ließ den Kopf hängen und starrte apathisch vor sich hin.

      »Jetzt müssen wir abwarten«, sagte der Tierarzt und klopfte dem Pferd auf den Hintern. »Er muss auf jeden Fall weiterhin viel trinken.«

      Malu nickte. Dafür würde sie schon sorgen!

      »Komm, Magnus. Ich mach uns einen Kaffee.« Gesine erhob sich schwerfällig von ihrem Strohballen, von dem aus sie die ganze Prozedur beobachtet hatte und hakte sich bei dem Tierarzt unter, der ihr galant den Arm hinhielt.

      »Es ist mir eine Freude, meine Liebe«, sagte er und strahlte Gesine an, als hätte sie ihn gerade zu einem Fünf-Gänge-Menü eingeladen.

      Malu musste trotz allem grinsen, als sie den beiden alten Herrschaften nachblickte. Nachher musste sie sich unbedingt noch mal bei ihrer Großtante bedanken, denn wenn die nicht so schnell reagiert hätte, hätte Papilopulus das Ganze vielleicht nicht so gut überstanden!

      Aus den Augenwinkeln sah sie Lenka winken, die während der stinkenden Magenspülung hinter den Holzzaun geflüchtet war. Ihre Freundin Mariella stieg gerade aus einem schneeweißen Geländewagen, der mitten auf dem Schlossplatz geparkt hatte, und kam jetzt mit großen Schrit­ten auf Lenka zu. Die halblangen pechschwarzen Haare schwangen dabei elegant um ihr schmales Gesicht mit der hellen, fast durchscheinenden Haut. Und diese Reitkleidung, die hatte bestimmt ein Vermögen gekostet! Na toll, jetzt hatten sie also noch eine weitere Zuschauerin. Malu drehte sich zu Edgar – sie würde versuchen die beiden so gut es ging zu ignorieren. (Was ungefähr genauso gut funk­tionierte, wie drei Wochen keine Schokolade zu essen!)

      »Hallo Edgar«, rief das schwarzhaarige Mädchen in ihrem Rücken. »Kommst du gleich mal? Ich muss etwas mit dir besprechen.«

      Der Junge lächelte. »Hi Mariella. Es dauert noch einen Moment, ok?«

      »Okidoki«, säuselte sie und zwinkerte ihm zu.

      Wenn Malu nicht schon schlecht gewesen wäre, dann wäre ihr spätestens jetzt speiübel! Das war ja nicht zum Aushalten. Sie pikte ihren Bruder in die Seite, um ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen. Dann kam sie auf ihre Idee zurück, die sie vor Papilopulus’ Behandlung gehabt hatte. »Ich dachte, wir bringen die drei auf die Wiese am See. Da habe ich die gelben Blümchen noch nie gesehen und groß genug ist sie auch.«

      Die Seewiese hinter dem Schlosspark war Malus absoluter Lieblingsplatz. Leider war das aber auch genau der Platz, den der Tauchlehrer hatte mieten wollen und so musste sie ihn jetzt mit Mario Scherz und seiner Tauchbasis teilen.

      »Ob das die Leute von der Tauchschule nicht stört?« Edgar sah sie skeptisch an. Aber etwas Besseres fiel ihm auch nicht ein. »Ich rede mal mit Mario«, schlug er vor. »Wir könnten vor dem Bootsanleger ein Seil als Ab­­grenzung spannen, wenn er das möchte. Jedenfalls bis wir diese Horrorblumen los sind.«

      Papilopulus schnaubte leise, als wollte er auf sich aufmerksam machen. Malu schlang ihre Arme um seinen Hals und fuhr mit den Händen unter der Mähne entlang. »Jetzt wird alles wieder gut. Du wirst sehen, Papi.«

      »Ich hole Rocco und Alibaba«, sagte Edgar, schnappte sich zwei Stricke vom Haken und stapfte über die Wiese. Auf dem Weg kickte er wütend in die Büschel mit den gelben, so harmlos aussehenden Blümchen. Mistzeug!

      Aber komisch war es schon. Dieser Hahnenfuß wuchs hier auf der Wiese, seit Malu das Schloss kannte. Bisher hatte Papilopulus nie davon gefressen – und jetzt auf einmal so viel, dass er sich vergiftet hatte?!

      »Wie süüüüüß!«, hörte sie die schnippische Stimme von Lenka, die sich jetzt extralaut mit Mariella unterhielt, damit Malu auch ja jedes Wort mitbekam. »Was für ein rührender Abschied. Der Tierarzt wird den alten Klepper ja jetzt wohl einschläfern.«

      »Der Arme!« Das war Mariella. »Aber alles andere wäre bestimmt eine Quälerei für das Tier, oder?«

      Malu spürte, wie etwas ganz heiß in ihr hochstieg, sie spielte kurz mit dem Gedanken sich auf ihre Großcousine zu werfen und ihr ein paar Pferdeäpfel in den Mund zu stopfen. Nein – sie würde sie einfach ignorieren. (Cool bleiben!) Es war ja Quatsch, niemand würde Papilopulus einschläfern! Sollte die doofe Lenka doch reden. Am besten würde sie Papi jetzt auf die Wiese am Funkelsee bringen, dann wäre sie die beiden Puten auch los!

      Aber würde Papilopulus den Weg dahin schon schaffen? Oder war er noch zu schwach


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