Slaughter's Hound. Declan Burke

Slaughter's Hound - Declan  Burke


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Als ich den Audi zurückbrachte, stand ein einziger uniformierter Beamter vor dem Gebäude, der mich bloß anstarrte und auf die Pointe wartete, als ich ihn bat, einen Streifenwagen anzufordern, der mich zur Wache bringen sollte. Also musste ich zu Fuß gehen, den ganzen Hafenrand entlang und quer durch die Stadt, ein langer, einsamer Weg, den ich widerwillig und mit schweren Schritten zurücklegte. Es war nicht exakt der Todesmarsch von Bataan, okay. Aber zu diesem Zeitpunkt stand ich schon zwei Stunden lang unter Schock, und jede Zelle in meinem Körper sehnte sich danach, einfach zur Ruhe kommen und alles ausblenden zu dürfen.

      Und jetzt saß ich diesem Tohill gegenüber, der den Eindruck vermittelte, er wolle einen auf Bud White machen.

      »Sie sind wohl mehr so der gründliche Typ«, sagte ich. »Also würde ich schätzen, Sie sind da hochgegangen und haben sich umgeschaut. Und wenn Sie dort was gefunden hätten, das nach Spuren von Gewaltanwendung aussieht, dann würde ich dieses Gespräch ja sicher in Anwesenheit meines Anwalts führen.«

      »Ihre Hände sind total zerschnitten«, sagte er. »Für mich sieht das nach Spuren von Gewaltanwendung aus.«

      »Vielleicht, falls Sie Lust dazu haben vor Gericht darzulegen, wie ich versucht hätte, Finn mit Hilfe eines Haufens Altmetall vom Dach des Gebäudes zu stoßen. Ich habe das Studio gemeint. Wurden da Spuren gefunden?«

      »Sind da denn welche?«

      »Woher soll ich das wissen? Ich bin nicht oben gewesen.«

      »Doch, Sie waren oben.«

      »Ich meine hinterher. Hinterher bin ich nicht nach oben gegangen.«

      »Waren Sie nicht neugierig?«

      »Das ist wirklich eine kranke Frage.«

      Sein breites Grinsen deutete darauf hin, dass er diese Unterhaltung mochte. »Wollen Sie damit sagen, ich bin krank?«

      Er hatte die ganze Nacht Zeit, er hatte eine verkohlte Leiche und einen Augenzeugen, der sieben Jahre lang im Heim für kriminell Verwirrte zugebracht hatte, weil er kaltblütig seinen Bruder umgebracht hatte. Man ist schon aus geringeren Gründen befördert worden.

      Ein Catch-22-Dilemma. Wie man es auch drehte, es ging ungünstig aus. Wenn ich argumentierte, ich hätte Gonzo im Zustand geistiger Unzurechnungsfähigkeit umgebracht, wäre ich eine Gefahr für die Allgemeinheit, einer, dem jederzeit wieder die Sicherung durchbrennen konnte und der diesmal seinen Kumpel aus einem Fenster im neunten Stock geworfen hatte.

      Wenn ich andererseits behauptete, ich sei absolut bei klarem Verstand gewesen, als ich meinem Bruder eine Kugel in die Brust jagte, dann wäre ich tatsächlich zu allem fähig, was aufs Gleiche hinauslief.

      Also suchte ich mir einen Fleck an der Wand hinter seinem Kopf und starrte darauf.

      »Wissen Sie, was ich nicht verstehe?«, fragte Tohill und blätterte dabei einige vor ihm liegende Seiten durch. »Wieso wollte dieser Typ sich umbringen? Wenn Sie das gemacht hätten, okay, super, Sie waren sowieso am Ende. Dann wären wir alle längst daheim und lägen im Bett. Würden uns bestenfalls noch fragen, warum Sie nicht ins Wasser gesprungen sind, weil es uns erspart hätte, den ganzen Dreck wegräumen zu müssen. Aber dieser Typ hatte doch alles, was er sich wünschen konnte.«

      Diese Frage war durchaus angebracht, ich hatte sie mir die ganze Zeit auch schon gestellt. Finn hatte so euphorisch gewirkt dort oben in seinem Studio, kurz bevor er gesprungen war. Wenn er deprimiert gewesen wäre, gut, dann hätte das Sinn gemacht. Wenn der schwarze Hund geknurrt und ihn über die Fensterbank gejagt hätte. Nur dass Finn, wenn er richtig deprimiert war, kaum noch laufen konnte. Wenn er euphorisch war, wollte er springen, dann wollte er das Böse mit Stumpf und Stiel ausrotten.

       Bell jars away …

      »Ich meine«, sagte Tohill, »wenn Sie schlau gewesen wären, dann hätten Sie das Gebäude angezündet und anschließend behauptet, er sei gesprungen, weil es brannte. Dann hätten wir alle gedacht, Finn, der alte Feuerteufel, konnte sich mal wieder nicht beherrschen. Hab ich recht?«

      Der Fleck an der Wand konnte eventuell von einer feuchten Stelle herrühren, die nicht behandelt, sondern nur überpinselt worden war.

      »He!« Tohill schlug mit der geballten Faust auf den Tisch. Ich sprang auf, ein scharfer Schmerz schoss durch meine linke Brust.

      »Hören Sie«, sagte ich und holte tief Luft. »Ich bin hierher gekommen, um Ihnen einen Gefallen zu tun. Ich muss mir nicht …«

      »Absoluterscheißblödsinn. Sie stehen so dicht vor einer Anklage wegen Behinderung der Justiz.« Er drückte Daumen und Zeigefinger zusammen. »Kapiert? Ich frage mich nämlich allmählich, worum es hier eigentlich geht und was Sie uns zu verheimlichen versuchen.« Er bohrte seinen wurstigen Zeigefinger in die Tischplatte, die nun wirklich nichts dafür konnte. »Ich rate Ihnen also, Ihr verdammtes Mundwerk zu benutzen und mir ein paar halbintelligente Antworten zu geben. Andernfalls wird das hier eine verdammt lange Nacht.«

      Der Schmerz verging wieder. Kalter Schweiß brach mir aus. »Drehen wir hier einen Film?«, fragte ich und warf einen Blick auf die Kamera in der Ecke, deren grünes Licht blinkte. »Sagen Sie denen doch bitte, sie sollen mich von meiner Schokoladenseite filmen.«

      »Soll ich ihnen sagen, sie sollen das Ding ausschalten?«, fragte er. »Damit wir uns besser unterhalten können?«

      Dee hat mal zu mir gesagt, ich hätte Augen wie ein geprügelter Hai. Ich sah ihm in die Augen und schaltete dann das Licht aus, um ihm zu zeigen, wie einer dreinblickt, der wirklich krank ist. »Nur Sie und ich«, sagte ich. »Und dann unterhalten wir uns richtig.«

      Ein leichtes Zucken unter seinem rechten Auge, kaum wahrnehmbar. Er rollte die Schultern und grinste. Stellte sich vor, was er dann tun würde. »Vielleicht komme ich ja darauf zurück«, sagte er. »Aber jetzt ist nicht der richtige Moment, stimmt’s?«

      »Sie wissen ja, wo Sie mich finden.«

      »Gottverdammt richtig, ich weiß sehr genau, wo ich Sie finde. Weil Sie jetzt nämlich schnurstracks auf die Gummizelle zumarschieren.« Er stand auf, schob die Hände in die Hosentaschen und stolzierte herum. »Fangen wir mal ganz vorne an«, sagte er und ein anzügliches Grinsen huschte über sein Gesicht. »Erzählen Sie mir doch mal, wie das war, als Sie sich mit Finn eine Zelle geteilt haben.«

      »Wir haben uns ein Zimmer geteilt, ja.«

      »Ein Zimmer?« Er lachte auf. Dieser Tohill war leicht zu erheitern. »Wo war das denn? Im Radisson?«

      »Die sagen dort Zimmer dazu. Das ist Teil des Rehabilitationsprozesses.«

      »Wiedereingliederung, stimmt’s?« Er nickte vor sich hin. »Damit Sie sich nicht wie ein Kaputtnik fühlen, bloß weil Sie Ihren Bruder umgenietet haben. Ich verstehe schon.« Wieder ließ er die Schultern kreisen. »Und da sitzen Sie nun also in ihrem schicken Zimmer, und plötzlich kommt Finn Hamilton rein und stinkt wie die Boxengasse in Le Mans. Sind Sie gleich über ihn hergefallen oder haben Sie ihm Zeit gelassen, sich zu akklimatisieren?«

      Tohill war noch einer von der alten Schule. Als Nächstes würde er nachschauen, ob ich weiße Socken trug, und mich fragen, ob ich zu alten Liza-Minelli-Songs Aerobic machte.

      »Eins verstehe ich nicht«, sagte er, während er gelangweilt durch die Seiten seines Ordners blätterte. »Wieso haben Sie so eine geringe Strafe bekommen? Hier steht doch, Sie seien schuldfähig, und Sie wurden doch wegen Mordes angeklagt, und es waren nur Sie und er im Raum und Sie haben ihn erschossen. Richtig? Schwarz auf weiß. Aber dann lässt man Sie auf Notwehr plädieren und gesteht Ihnen auch noch zeitweilig getrübte Wahrnehmung zu?« Er wartete. Ich starrte vor mich hin. »Des Weiteren steht dann hier«, er blätterte weiter, »dass Sie zur abschließenden Beurteilung nach Dundrum überwiesen werden. Was normalerweise zwei Wochen dauert, bei Ihnen aber vier Jahre.« Wieder machte er eine Pause. »Vielleicht sind Sie ja ein besonders schwieriger Fall«, sagte er, »aber vier Jahre lang?« Er stieß einen leisen Pfiff aus. »Und dann werden Sie in eine psychiatrische Klinik überwiesen, einfach so, ohne dass jemand Einspruch erhebt. Und das obwohl ich hier nirgendwo Hinweise


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