Slaughter's Hound. Declan Burke
oder so was?«
»Nein, ganz bestimmt nicht.«
»Was ist denn dann so gottverdammt witzig?«
Ich hätte nicht den Hai markieren sollen. Aber das kann ja mal passieren. Die Zahnrädchen im Getriebe in meinem Hinterkopf verloren den Halt, drehten durch und brachten etwas zum Vorschein.
»Am Rand zu sitzen«, sagte ich, »sich dort einzurichten und zu jammern bedeutet, dass man Chancen verstreichen lässt.« Ich kannte es auswendig. »Ich verstehe gar nicht, wieso Leute, die sich so verhalten, nicht gleich Selbstmord begehen. Denn, ehrlich gesagt, das Einzige, was mich antreibt, ist die Möglichkeit, aktiv etwas zu ändern.«
»Was zum Teufel hat das denn damit zu tun …«
»Das war ein Zitat, Tohill. Von unserem früheren Herrn und Meister, Bartholomew Ahern, den Sie wahrscheinlich eher unter dem Namen Bertie kennen, nicht zu verwechseln mit Bertie Wooster von Wodehouse. Das war seine gemessene Antwort an die Kritiker seiner Wirtschaftspolitik, die von einem Buchhalter und ehemaligen Finanzminister bestimmt wurde, der nicht mal wusste, wie man ein Girokonto eröffnet. Trotzdem ein eloquenter Typ. Die sind ja in hellen Scharen über uns gekommen.«
»Wollen Sie etwa behaupten, dies sei der Grund dafür, dass Finn Hamilton aus dem Fenster gesprungen ist?«
»Ich will damit nur sagen, dass ich Berties Meinung teile. Dass es nichts bringt, am Rand zu sitzen und darüber zu jammern, wie beschissen alles ist.« Ich beugte mich vor und tippte auf den Ordner. »Weil ich proaktiv die Dinge verändern will, wie man heutzutage sagt.«
»Nur zu.«
»Gonz war der Irre, Tohill. Total wahnsinnig. Er hatte schon jemanden umgebracht, mindestens. Er hat schon nach der Waffe gegriffen, als ich abgedrückt hab. Das Gesündeste, was ich jemals getan habe, war, diesen Mistkerl abzuknallen. Er oder ich, darum ging es. Logischer kann es gar nicht mehr sein. Bloß dass es dann hieß, ich sei verrückt, weil ich darauf vorbereitet war. So was nennt man dann böswilligen Vorsatz. Wenn dieser Richter mal bei den Pfadfindern gewesen wäre, hätte ich einen Freispruch bekommen. Seid immer bereit, Sie kennen doch den Spruch. Aber jetzt kommt der Witz bei der Sache, Tohill: Wenn man in eine psychiatrische Klinik reinkommt und nicht schon irre ist, dann ist man jedenfalls total durchgedreht, wenn man wieder raus darf.«
»Was soll das jetzt sein, eine Drohung?«
»Warum sollte ich Ihnen denn drohen? Sie sind doch gar nicht im Spiel.«
»Im Spiel?«
»In dem Spiel.«
»Kapier ich nicht. Was für ein bescheuertes Spiel soll das denn …«
Ich beugte mich vor: »Ich gehe jede Wette ein, Tohill, dass Sie noch nie jemanden umgenietet haben. Ich wette sogar, dass Sie nicht mal jemanden kennen, der mal jemanden ausgeknipst hat. Sie können mich gerne eines Besseren belehren.«
Ich sah es ihm an.
»Ich habe Gonzo aus dem Verkehr gezogen«, sagte ich. »Es konnte nur einer übrig bleiben, und das war nun mal ich. Meinen Sie nicht, dass die Welt besser geworden ist ohne ihn? Das war ich.« Ich deutete mit dem Daumen auf meine Brust. »Ich. Nicht Sie, keiner von euch. Ich. Und wenn Sie wissen wollen, warum ich vier Jahre absitzen musste, von denen behauptet wird, sie seien human gewesen, dann gehen Sie mal los und suchen Sie diesen Typen namens Brady auf, der jetzt in der Harcourt Street das Sagen hat. Das ist ein Bulle, ja, aber einer, der die Spielregeln kennt. Sagen Sie ihm, dass ich Sie geschickt habe, dann wird er Ihnen alles erzählen, was Sie wissen müssen. Und was diesen Blödsinn hier betrifft: Ich habe eine verdammt lange, beschissene Nacht hinter mir und habe gesetzlich das Recht, eine Aussage zu machen.« Ich schaute zur Kamera. »Und fordere hiermit, davon Gebrauch machen zu dürfen. Entweder lassen Sie mich jetzt meine Aussage machen und dann gehen, oder Sie verhaften mich und lassen mich schlafen.«
Er starrte mich eine Weile an, seine Kiefer bewegten sich, als würde er Getreide zermahlen. Dann verließ er den Raum. Er kam mit einem Uniformierten zurück, der noch auf seine erste Rasur wartete. Die Wanduhr zeigte 5:23 an.
Ich blieb bei meiner Geschichte. Dass Finn angerufen hätte, weil sein Audi Ärger machte, weshalb er ein Taxi brauchte. Er hatte ein bisschen Dope geraucht, klar, aber er war ziemlich aufgekratzt, weil er heiraten und nach Zypern umsiedeln wollte. Das Allerletzte, was ich erwartet hätte, war ein Sprung aus dem Fenster, aber den hat er dann gemacht. Sic transit gloria mundi.
Der Uniformierte ging los, um die Aussage abzutippen.
»Wissen Sie, woher er das Dope bekam, das er geraucht hat?«, fragte Tohill.
»Keine Ahnung.«
»Haben Sie auch was davon geraucht, hm?«
»Das hätte gegen die Bewährungsauflagen verstoßen.«
»Trotzdem könnten wir noch einen Urintest machen.«
Ich ließ es einfach an mir abperlen, um ihm zu zeigen, wie kleinlich sein großes Getue war. Er rieb sich die Nase. »Nur dass Sie’s wissen«, sagte er. »Es würde mich ein kaltes Lächeln kosten, Sie wieder zurück in den Knast zu bringen.«
»Den Steuerzahler aber würde es eine Viertelmillion pro Jahr kosten, mich dort zu verpflegen.«
»Der Steuerzahler will Abschaum wie Sie weggesperrt sehen.«
Er sah verbraucht, ramponiert und schäbig aus. Er sollte seine Steuergelder besser mal in einen passenden Anzug investieren.
Der Uniformierte brachte die Aussage zur Unterschrift. Tohill lehnte am Türpfosten und ließ seinen Kopf im Uhrzeigersinn kreisen, während ich den Text prüfte.
»Meine Güte«, seufzte er, »unterschreiben Sie den Wisch doch einfach.«
»Mach ich, wenn ich weiß, dass es wirklich meine Worte sind.«
Es klopfte an der Tür. Tohill ging nach draußen. Ich drehte mir eine Zigarette und steckte sie hinters Ohr. Tohill kam wieder rein und rollte mit den Schultern.
Ich schaute zur Kamera in der Ecke. Das grüne Licht hatte aufgehört zu blinken.
Scheiße.
Er griff nach dem Aussageprotokoll, las es durch und nickte dabei. »Interessant, dass Sie behaupten, es sei niemand sonst in dem Hafengebäude gewesen, als Sie dort ankamen. Aber zuvor«, er zerknüllte das Protokoll und warf es mir ins Gesicht, »möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass wir gerade einen Anruf bekommen haben. Von jemandem, den Sie kennen dürften. Sagt Ihnen der Name Gillick etwas?«
»Gillick?«
»Er ist das, was man einen besorgten Bürger nennt. Sozial gesinnt. Hat im Radio gehört, dass es einen Selbstmord unten am Hafen gegeben hat und dachte sich, er könnte uns vielleicht bei den Ermittlungen behilflich sein. Um ein oder zwei Dinge klarzustellen.«
»Klingt wirklich sehr fürsorglich.«
»Behauptet, er sei vorher am Ort des Geschehens gewesen, wo er ein Gespräch mit seinem Mandanten Finn Hamilton geführt hat. Eigenartiger Ort für eine Beratung, würde ich sagen, aber egal. Gillick hat dann noch gesehen, wie dieser Typ reinkam, den er Rigby nannte. Eins achtzig groß, dunkles Haar, normaler Körperbau, eher ein bisschen dünn. Anfang vierzig. Weißes Hemd, schwarze Krawatte, sah aus, als hätte er gerade eine Prügelei hinter sich.«
»Müsste ja ein gewaltiger Zufall sein, wenn das nicht ich gewesen wäre.«
Ich fragte mich, ob er wusste, dass er die rechte Hand zur Faust geballt hatte, geradezu krampfhaft. »Sie haben gerade eine Aussage gemacht, für die Sie zwei Jahre hinter Gitter wandern könnten. Und zwar noch bevor die Ihre alte Akte wieder aufmachen und sich fragen, ob Sie wieder nervös werden.«
»Ich hab Gillick nicht erwähnt, weil Sie mich gefragt haben, ob ich jemanden gesehen habe, der Finn aus dem Fenster hätte werfen können. Gillick war da aber schon längst weg. Außerdem ist er Finns Anwalt, beziehungsweise war es. Warum sollte er ein Interesse an seinem Tod haben?«
»Sehr