Slaughter's Hound. Declan Burke

Slaughter's Hound - Declan  Burke


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»Ich wette, es ist der Junge.«

      »Wenn Sie meinen Sohn noch einmal erwähnen, schmeiß ich Sie durchs Fenster.«

      »Wie dramatisch.« Er rieb sich die Nase, um ein schiefes Grinsen zu kaschieren. Seine Blofeld-Imitation bekam Kratzer. »Ich bin beeindruckt.«

      »Bleiben Sie das, dann bleiben auch die Fenster intakt.«

      Er kniff die Augen zusammen. »Sehen Sie mal, Rigby, es geht hier nicht um moralische Fragen. Was Sie getan haben, haben Sie getan, und Ihre Handlungen konnten nach unseren zivilisatorischen Standards nicht gebilligt werden. Aber was mich betrifft, haben Sie Ihre Zeit abgesessen und damit Ihre Schuld gegenüber der Gesellschaft abgezahlt.«

      »Aber die Gesellschaft verlangt noch Zinsen.«

      »Zweifellos. Andernfalls würden Sie ja nicht Taxi fahren.« Ich ließ das mal so durchgehen. »Ich kann Ihnen natürlich keine feste Anstellung auf Dauer versprechen. Aber Ihnen eilt ein gewisser Ruf voraus, und Ihr Verhalten in der vergangenen Nacht beweist, dass Sie ein vertrauenswürdiger Mann sind, wenn es darum geht, sagen wir mal, potenziell betrügerischen Machenschaften entgegenzutreten, ohne einem zu starken Redebedürfnis nachzugeben.«

      »Sie brauchen jemanden mit Durchsetzungskraft. Einen, der schon durch seine Präsenz wirkt, weil er die Aura eines Killers hat, und einen, der die Klappe hält, wenn die Bullen Fragen stellen. So jemanden wie Ihren Freund Limerick-Jim zum Beispiel.«

      »Nicht ganz«, sagte er. »Zum einen fehlt Ihnen seine Statur.«

      »Zum anderen seine Geschicklichkeit mit der Klinge.«

      »Das ist Schnee von gestern, Mr Rigby. Und jemand wie Sie wird Jimmy sicherlich nicht das Recht auf Rehabilitation und Reintegration absprechen.«

      Wir fuhren um den Brunnen herum, vorbei an dem Mercedes und dem Lexus und dem RAV4. Den roten Mini Cooper dahinter hatte ich bei meinem vorherigen Besuch nicht bemerkt. Gillick parkte neben der breiten Treppe und schaltete den Motor aus. Er war viel zu massig, um sich ganz zu mir herumzudrehen, also warf er mir über seine gut gepolsterte Schulter hinweg einen fragenden Blick zu. »Können Sie denn ernsthaft behaupten, dass es Ihnen Spaß macht,Taxi zu fahren?«

      »Mehr als alles in der Welt.«

      »Es gibt doch noch profitablere Methoden, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.«

      »Ich bin mein eigener Chef. Ich arbeite, wann ich Lust dazu habe. Und ich kann die Rechnungen bezahlen.«

      »Und das ist die Summe all Ihrer Ambitionen?«

      »Meine fehlenden Ambitionen brechen mir das Herz. Ich wache jeden Morgen weinend auf und sehne mich nach dem Drang, einen Vorschlaghammer zu nehmen, um irgendeinem armen Teufel die Tür einzuschlagen. Was ist daran so witzig?«

      »Ihre Selbstdarstellung. Ihre übertriebene Antipathie gegenüber Geld. Dabei brauchte es bloß fünfhundert Euro in bar, um Sie am frühen Morgen hierher zu locken.«

      Das Wort »locken« in diesem Zusammenhang gefiel mir gar nicht.

      »Geld ist nicht das Thema«, sagte ich. »Geld ist okay. Falls die Sonne irgendwann mal verlöschen sollte, haben wir wenigstens noch was, um die Welt am Laufen zu halten.«

      »Also geht es nicht per se ums Geld, sondern darum, wer es anbietet.«

      »Und um das Warum.«

      »Zweifellos. Aber Geld ist ein wunderbares demokratisches Konzept, Mr Rigby. Es interessiert sich nicht im Geringsten für die Geschichte oder die soziale Position der Person, die es ausgibt.«

      »Geld ist eine Waffe. Es ist so lange harmlos, bis es geladen in den falschen Händen landet.«

      »Geladen?«

      »Mit Einfluss, Zugangsmöglichkeiten, Eigennutz. Dieses schöne demokratische Konzept scheint sehr darauf angewiesen zu sein, die richtige Krawatte am richtigen Ort zu tragen.«

      »Wer wählen will, muss eine Wahlkabine betreten«, säuselte er. »Und man wird Sie kaum hineinlassen, wenn Sie nackt dort auftauchen, oder?«

      »Keine Ahnung. Hängt wohl davon ab, wie wichtig es für die Deutschen ist, dass das nächste Referendum durchgeht.«

      Er nickte und lächelte nachsichtig. »Ich fordere Sie nicht auf, für mich zu arbeiten, Mr Rigby. Ich deute nur an, dass Sie, gesetzt den Fall die Gelegenheit ergibt sich, eventuell …«

      »Ich bin allergisch gegen Zwangsräumungen, Gillick. Wenn ich weinende Kinder sehe, kriege ich einen Ausschlag.«

      Er neigte den Kopf und warf mir ein weiteres öliges Grinsen zu. »Denken Sie darüber nach. Sprechen Sie mit Jimmy darüber, wenn Sie möchten. Falls Sie Ihre Meinung ändern sollten, steht meine Tür Ihnen immer offen.«

      »Bei allem Respekt für Jimmy, meine Bewährungsauflagen verlangen von mir, dass ich mich nicht wissentlich mit Kriminellen zusammentue.«

      »Jeder, der zu mir kommt, gilt als unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen wurde. So steht’s im Gesetz.«

      »Im Gesetz steht das, was die Justiz behauptet.«

      »Zu Ihrem Nachteil.«

      »Ich komm drüber weg.«

      »Ja«, sagte er und verzog entschuldigend das Gesicht. »Aber wie gut?«

      12

      Eine Steintreppe führte hinauf zu einer Galerie im ersten Stock, aber wir gingen nicht nach oben. Simon und Gillick verloren sich im Schatten weit hinten in der Eingangshalle und ließen mich vor der Tür des Herrenzimmers stehen, ganz allein, ohne auch nur eine einzige sehr fette Giraffe zur Gesellschaft. Ich hörte, wie Simon an die Mahagoni-Türen am Ende der Halle klopfte. Sie warteten auf eine Antwort und verschmolzen mit den Schatten.

      Ich drehte mir eine Fluppe und flanierte über den plüschigen Perserteppich. Diese Eingangshalle auszustatten hatte mehr gekostet, als ich in meinem ganzen Leben verdienen würde, und trotzdem gab es hier kein einziges wirklich notwendiges Objekt. Der Kronleuchter war eine Milchstraße aus Kristall, die Wände waren übersät mit therapeutischem Gekleckse der amputierten Blinden, die die moderne Kunst repräsentieren. Zwei Porträts von Graham Knuttels, die einander schlitzäugig drohende Blicke zuwarfen, ein paar Kleckse stellten möglicherweise Sonnenauf- oder untergänge dar oder psychedelische Kuhfladen bei reduzierter Hitze. Palmen mit ausgelichteten, sorgfältig abgewischten, glänzenden Blättern standen in regelmäßigen Abständen in Töpfen aus poliertem Kupfer. Die Kübel waren zumindest nützlich, weil man hineinaschen konnte. Die spindeldürren Beine von zwei antiken samtbezogenen Sofas, die sich gegenüberstanden, sahen aus, als wären sie entworfen worden, um Glöckchen und ihren kleinen Freunden Platz zu bieten, auch wenn die kleinen Freunde sich beim Sitzen abwechseln müssten.

      Ich fand es merkwürdig, dass sich kein Platz für zumindest eines von Finns Landschaftsbildern gefunden hatte. Aber das Dekor war nun mal exquisit und kultiviert, ein diskret geflüsterter Hinweis, dass man hier ein Heim betrat, in dem Eleganz Vorrang vor Leidenschaft hatte und Geschmack mehr zählte als Gefühl. Diese Innenausstattung entsprach den Unterhaltungen auf einer Abendgesellschaft, voller hinterhältiger Höflichkeiten und exzessiver Zurückhaltung, deren ultimatives Ziel ein Konsens ohne Konsequenz war, damit kein Gast sich beleidigt fühlte. In dieser Eingangshalle hätte ein Bild von Finn Hamilton gewirkt wie ein Scheißhaufen auf einer Hostie.

      Ja, und vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass Saoirse Hamilton nicht daran erinnert werden wollte, dass ihr Sohn in einem Irrenhaus malen gelernt hatte.

      Er war monatelang schlafwandelnd die graugrünen Korridore entlanggegangen, während die Ärzte versuchten, die richtige Dosierung zu finden. Manchmal stand er stocksteif in irgendeiner Nische, leer und stumpf, mit einem tausend Jahre alten Blick aus leeren blauen Augen. Wie eine Wachsfigur als Allegorie der Sinnlosigkeit. Ein Terrakotta-Soldat, geflüchtet aus der Verbotenen Stadt, absolut fügsam, aber unfähig einen Befehl auszuführen, dem Untergang geweiht in einer ewigen Warteschleife vor dem letzten


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