Morgen ist woanders. Elisabeth Etz

Morgen ist woanders - Elisabeth Etz


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zu sagen. »Werde ich morgen machen.«

      »Ich hätte gern noch ein Mango-Lassi«, sagt Andi zum Kellner, der unsere Teller abräumt.

      »Zwei«, sage ich, auch wenn ich so was vorher noch nie getrunken habe.

      Als der Kellner die Rechnung bringt, wird mir mulmig. Nicht, weil die Rechnung so hoch ist, sondern weil ich nach dem Zahlen noch zwanzig Euro in der Geldbörse habe. Zwanzig Euro mitzuhaben war eigentlich immer viel. Aber ich kann nicht einschätzen, wofür ich in der nächsten Zeit noch Geld brauche. Fürs Übernachten nicht, aber dass ich auch Essen und ab und zu andere Dinge brauchen werde, daran habe ich nicht gedacht.

      Auf meinem Konto ist noch ein bisschen was, aber nicht wahnsinnig viel. Das nächste Taschengeld überweist mir Mart erst wieder in ein paar Wochen.

      Also. Damit sich die anderen eine Vorstellung davon machen können, wer ich überhaupt bin.

       Nickname: Jay

       Name: Jeremy

      Age: Sagen wir 18. Ich sehe älter aus, als ich bin, aber viel mehr als achtzehn oder neunzehn nimmt man mir nicht ab. 18 passt, da fragt niemand blöd.

       From: Glasgow, Scotland

      Languages: English (excellent), German (excellent). French (beginner)

      Lernen die Französisch in Schottland? Na ja, warum auch nicht. Andererseits, unterhalten kann ich mich nicht auf Französisch. Also weglassen. English (excellent), German (excellent)

       Friends: Zero (0)

      Nicht mehr lange. blueballoon stimmt meiner Freundschaftsanfrage garantiert zu, und dann habe ich einen.

      About me: So, jetzt kommt’s. Wie ist Jeremy? Ich klicke mich von Profil zu Profil und schaue, was andere da so schreiben.

       open-minded, easy-going, interested in getting to know people from other cultures

      Mit copy & paste habe ich bald eine wunderbare Beschreibung zusammen.

       What I like in other people: honesty, relaxed attitude, a good sense of humour

      Nach einigem Überlegen streiche ich honesty wieder.

       Current mission: on my way to the balcans

      Kann ich später immer noch ändern.

       References: Zero (0)

      Auch hier bekomme ich hoffentlich bald eine von blueballoon.

      Fehlt nur noch das Foto. Das ist das einzige Problem. Was, wenn es jemand sieht, der weiß, wer ich wirklich bin?

      Ich durchsuche meine Fotos nach einem, auf dem man mich garantiert nicht erkennt. Auf dem Snowboard. Mit Kapuze und Sonnenbrille.

      Das sollte erst mal genügen.

      Jeremy hat Spaß in Wien. Er mag die Stadt und er mag die Leute. Ja, er wird länger bleiben. »Hab ich’s doch gesagt.« Andi grinst zufrieden.

      Kartoffelstaerke meldet sich nicht auf meine Anfrage und franzfranz teilt mir mit, dass er gerade zu viel Stress im Leben hat, um jemanden bei sich aufzunehmen.

      Mona Mour antwortet mit einer netten Nachricht, in der sie mir erklärt, dass sie gerade bei Freunden wohnt, weil ihre Wohnung abgebrannt ist – not really but kind of abgebrannt, schreibt sie, dass ich mich aber gerne wieder melden könne.

      Tom Turbo schließlich hat ein Bett für mich. Allerdings erst ab Samstag.

      »Mach dir keine Sorgen«, meint Andi. »Bis Samstag kriegen wir dich hier auch noch irgendwie unter.«

      Die Mittwochsgäste sind Anat und Yossi, ein israelisches Pärchen, das gerade aus Holland kommt.

      »We wanted to take the ferry home from Rotterdam, but it doesn’t run in winter«, erzählt Anat. »The season starts in march so we’ll stay in Europe until then …«

      »Why don’t you just fly?«, will ich wissen.

      »We don’t take planes«, sagt Yossi. »Do you know how bad that is for the environment?«

      »Äh …«, stottere ich. »Äh … I didn’t fly here from Glasgow either.«

      »Did you hitchhike?«, fragt Yossi.

      »Äh …« Ich weiß nicht, wie ich ›Mitfahrgelegenheiten‹ auf Englisch sagen soll. »I always knew someone who gave me a lift«, erkläre ich also.

      »We basically only ever hitchhike«, wirft Anat ein. »It’s cheaper.«

      »Why don’t you hitchhike back to Israel then?«, will ich wissen.

      Alle drei sehen mich entgeistert an. »We can’t get there overland«, sagt Anat.

      »The route would go through places like Syria.«

      »Oh … äh … sure«, murmele ich und sehe zu Boden. Bestimmt laufe ich gerade knallrot an. Aber weder Yossi noch Anat scheint das zu stören, und Andi macht sich daran, die erste Flasche Rotwein zu öffnen.

      Andi füllt unsere Gläser. »How do you say ›cheers‹ in Hebrew?«, will er wissen.

      »Le’chájim«, sagt Anat.

      »Na dann le’chájim«, ruft Andi und hebt sein Glas. »To the environment! To life! To Vienna!«

      Die erste Runde mache ich noch mit, aber als Andi nachschenken will, halte ich mein Glas mit der Hand zu. »Ach komm«, ruft Andi.

      »Ihr Briten sauft doch sonst auch wie die Löcher.«

      Ich schüttle den Kopf. »No, thanks. Wirklich nicht.«

      Nicht, dass ich keine Lust hätte, mich zu betrinken. Richtiges Betrinken in einer richtigen Wohnung, nicht im Keller von Freunden, wo man immer befürchten muss, dass die Eltern die Stiege runterkommen. Ein paar Gläser noch und dann mit Andi, Yossi und Anat um die Häuser ziehen. Um richtige Häuser in der Stadt, nicht um die Einfamilienhäuschen torkeln und danach ins Tankstellenklo kotzen.

      Ich möchte so gerne, aber ich traue mich nicht. Dass ich am nächsten Tag in die Schule muss, ist nicht so schlimm, das kriege ich schon irgendwie hin. Aber was, wenn ich mich verplappere?

      Ganz sicher ist sich Jeremy seiner selbst noch nicht. Es gibt viele Details, die ich mir noch nicht überlegt habe. Ich weiß noch nicht mal seinen Nachnamen. Da ist es mir zu riskant weiterzutrinken.

      Trotzdem genieße ich den Abend. Anat, Yossi und Andi leeren ein Glas nach dem anderen und diskutieren über alles Mögliche. Dass ich von den meisten Dingen keine Ahnung habe, ist egal. Es tut gut, sich zurückzulehnen und einfach zuzuhören.

      Für einen kurzen Moment sehe ich mich von außen. Sehe mich auf der Küchenbank sitzen als Teil einer Gruppe, von der ich vor ein paar Stunden noch keine Ahnung hatte, dass es sie gibt. Mein Leben als Jakob kommt mir plötzlich unendlich weit weg vor. Als wäre ich schon seit Wochen unterwegs. Als wäre mein Abgang nicht erst zwei Tage her.

      »Jeremy is drunk«, kichert Anat und stößt Yossi an. »Look, how he’s smiling all the time.«

      »He is just happy«, stellt Andi fest. »Vienna makes him happy.«

      Ich lächle noch breiter und nicke. So soll das Leben sein, denke ich.

      Andi hat Anat und Yossi im Wohnzimmer einquartiert und mir eine Isomatte auf den Boden seines Schlafzimmers gelegt. Da ich mit Andi im gleichen Zimmer schlafe, traue ich mich nicht, den Wecker zu stellen. Das Vibrieren meines Handys würde Andi vielleicht merken, und Jeremy hätte ziemlichen Erklärungsbedarf. Ich hoffe darauf, dass Andi in die Arbeit muss, aber als ich um halb elf verschlafen durchs Zimmer blinzle, liegt er immer noch im Bett und schnarcht leise.

      Er hat sich anscheinend freigenommen und ich beschließe, dasselbe zu tun. Einmal ist keinmal,


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