Morgen ist woanders. Elisabeth Etz

Morgen ist woanders - Elisabeth Etz


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du das?«

      Lukas nickt verlegen. »Also nicht, dass du sonst nicht cool bist.«

      Aber genau das ist es. Ich bin nicht cool. Bin nichts Besonderes. War ich nie. War immer der, der halt so mitläuft bei allem. Bis jetzt.

      Lukas sieht auf die Uhr. Der Unterricht hat bereits vor sieben Minuten begonnen.

      »Jetzt ist’s schon egal, wir haben sowieso schon einen Eintrag«, flüstert er. »Lassen wir einfach die Stunde sausen und du erzählst mir alles ganz genau.«

      Ich stoße die Tür auf. »Kommt nicht in Frage.«

      Die Kreuz-Matek starrt uns an.

      »Entschuldigungentschuldigung, wir bereuen es und werden’s nie wieder tun«, sagt Lukas laut, bevor sie etwas sagen kann. »Lasst euch nicht stören.«

      Die Kreuz-Matek sieht so aus, als ob sie gleich explodieren würde, sagt aber nichts und kritzelt nur etwas auf ein Blatt. Kriegen wir eben einen Eintrag im Klassenbuch. Auch egal. Sieben Minuten sind schließlich nicht die Welt.

      Während der Bio-Stunde schreibt mir Lukas ein Zettelchen.

       Was sagt deine Mutter dazu?

      Nix, schreibe ich zurück. Die glaubt, dass ich bei meinem Alten wohne.

       Und das überprüft sie nicht?

      Niemals. Die würde sich eher die Zunge abbeißen, als mit ihm zu reden.

       GENIAL!

      Erzähl das ja keinem!!!, schreibe ich auf einen neuen Zettel. Das darf echt nicht auffliegen! Das Wort ›nicht‹ unterstreiche ich dreimal.

      Plötzlich steht die Kreuz-Matek vor unserem Tisch und nimmt Lukas mit spitzen Fingern das Papier aus der Hand. »Wenn ihr schon zu spät kommen müsst, würde ich mich an eurer Stelle unauffälliger benehmen.«

      Lukas sieht mich betreten an. Ich kaue an meiner Unterlippe.

      »Erzähl das ja keinem!«, liest sie laut vor. »Das darf echt nicht auffliegen!«

      Lukas zieht hörbar die Luft zwischen den Zähnen ein.

      »Jakob, würdest du im Text weiterlesen?«, fragt die Kreuz-Matek süffisant. Sie sieht genau, dass ich mein Buch gar nicht aufgeschlagen habe. Ich nicke und beginne zu blättern.

      »Seite siebenundfünfzig«, wispert Azra von hinten.

      »Danke, Azra«, sagt die Kreuz-Matek streng. »Wie wär’s, wenn die Herrschaften sich mit Biologie befassen würden?«

      Wir nicken beide und ich beginne vorzulesen.

      In der Pause stehen David und Azra vor unserem Pult. »Was bitte darf nicht auffliegen?«

      Ich stöhne und verdrehe die Augen. »Nichts.«

      Lukas wedelt mit den Armen. »Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.«

      David grinst. »Ihr wollt euch ja nur wichtigmachen.«

      Bevor Lukas oder ich noch etwas sagen können, hat Azra ihn schon weitergezogen. In die hinterste Ecke des Klassenzimmers. Zum Knutschen.

      Ich atme auf, erleichtert und enttäuscht zugleich. Klar, niemand nimmt an, dass ich jemals irgendetwas Interessantes mache. Etwas, das es wert ist, mehr als fünf Sekunden an meinem Tisch stehen zu bleiben. Ich versuche, mich auf die Erleichterung zu konzentrieren, dass ich keine blöden Fragen beantworten muss.

      Lukas stößt mich an. »Dem David können wir’s aber schon sagen.« Ich schüttle den Kopf. »Wir sagen hier gar nichts gar niemandem, verstanden?«, sage ich scharf. Lukas sieht mich erstaunt an, offensichtlich verwundert über meinen Tonfall.

      »Das ist kein Spiel, Lukas. Das ist jetzt meine Realität.«

      Lukas nickt verlegen und ich spiele meinen letzten Satz noch ein paarmal in meinem Kopf ab. Das ist jetzt meine Realität. Ich grinse. Gefällt mir.

       Tannengasse

      Anat und Yossi wollen nach Prag zurück, wo sie in einem Hausprojekt gewohnt haben, dessen Bewohner anscheinend in den nächsten Tagen ein Festival veranstalten.

      »Join us«, schlägt Yossi vor. »There is enough space for everyone.«

      »Everyone is doing music there«, erzählt Anat. »And there will be workshops for building your own instruments.«

      »I’m gonna make a flute.« Yossi steckt sich einen Kugelschreiber in den Mund, um zu demonstrieren, wie er diese Flöte spielen wird.

      »Music is not really my thing«, sage ich scheinbar gleichgültig. In Wahrheit überschlage ich aufgeregt alle Möglichkeiten in meinem Kopf. Ich mag die beiden, alles scheint so einfach, wenn sie da sind. Mit ihnen nach Prag zu fahren ist genau das, worauf ich Lust hätte.

      Vor ein paar Jahren war ich mit meiner Mutter und Mart in Prag. Wir haben in einer Frühstückspension übernachtet, sind auf den Hradschin gestiegen und Mart hat sich auf der Karlsbrücke von einem Karikaturisten zeichnen lassen. Wir haben Schweinsbraten mit Knödel gegessen und Mart hat Pivo getrunken. Wir haben Geld dagelassen und nicht nachgefragt. Wie das gute Touristen eben tun. Mit Yossi und Anat würde ich in ein ganz anderes Prag fahren. Per Autostopp. Zu einem Festival. In einem Hausprojekt. Mit vielen Leuten von überallher.

      Es kann kein Problem sein, Tom Turbo abzusagen. »Sicher«, will ich sagen. »Ich komm mit.«

      Jeremy könnte das locker sagen. Aber was wird dann aus Jakob? Wenn ich tagelang nicht in der Schule auftauche, rufen sie meine Mutter an. Die wiederum würde mich zur Rede stellen, und wenn sie mich nicht erreicht, womöglich noch meinen Vater anrufen. So sehr sie ihn zum Teufel wünscht, bevor sie mich vollständig abhauen lässt, würde sie selbst das tun. Außerdem haben wir in ein paar Tagen Schularbeit.

      »Ich würde echt gerne«, sage ich also, »aber ich habe einem Freund in Ungarn versprochen, dass ich ihn besuche.«

      Ich weiß nicht, wieso ich einen ungarischen Freund erfinde, und an Andis Reaktion merke ich, dass ich zu kurz gedacht habe. »Ich dachte, du wolltest länger in Wien bleiben und hast schon einen nächsten host

      Verdammt, er hat recht. Deswegen konnte ich ja länger bei ihm bleiben, obwohl Yossi und Anat auch gekommen sind.

      »Äh ja, Imre hat sich ganz spontan gemeldet und da hab ich meinen nächsten host hier verschoben«, sage ich schnell. Ich weiß nicht, ob Leute in meinem Alter in Ungarn heutzutage noch Imre heißen, bin aber immerhin froh, dass mir überhaupt ein ungarischer Name eingefallen ist.

      Niemand scheint meine Erklärung seltsam zu finden oder überhaupt nur meine Aufregung zu bemerken. Alle glauben mir.

      »Aber du kommst zurück, oder?«, will Andi wissen.

      »Auf jeden Fall«, versichere ich.

      Ich packe meine Sachen, um mich gemeinsam mit den beiden anderen von Andi zu verabschieden. Andi begleitet uns zur Haustür.

      »Get in touch when you’re back«, sagt er. »And then let’s go for a drink.«

      Er sieht die beiden anderen an. »Same for you.«

      Wir nicken alle drei. »Sure.«

      Die beiden umarmen ihn herzlich. Andi und ich sehen uns verlegen an. Yossi lacht und schiebt mich vorwärts. »You Europeans are sooo complicated. Why don’t you just hug goodbye?«

      Andi und ich lachen und umarmen einander ebenfalls.

      »See«, sagt Yossi. »Did it hurt?«

      »What?«

      »Hugging.«

      Wir grinsen und ich schüttle verlegen den Kopf.

      Als


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