Das Geheimnis der Reformatorin. Bettina Lausen

Das Geheimnis der Reformatorin - Bettina Lausen


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wurde die Tür bereits aufgerissen.

      »Oh!«, entfuhr es Seitz’ Mutter, deren Gesichtshaut von den Sorgen der Zeit gezeichnet war. Sie roch nach gebratenem Fleisch und Schweiß, hatte anscheinend in der Küche gestanden. Sie trug ein braunes Kleid mit bauschigen Ärmeln und einem breiten Gürtel, an dem zwei Lederbeutel baumelten, am Arm hing ein leerer Korb. Ihr überraschter Gesichtsausdruck wich einem Lächeln, das Figen zu gut von ihrem Sohn kannte. »Ach, Fräulein Winters.«

      Figen presste die Lippen zusammen. Wieso kannte Katharina von Rosenberg ihren Namen? Sie hatte geglaubt, bei den geheimen Versammlungen in der Menge namenlos geblieben zu sein. Hatte sie je ihren Namen Frau von Rosenberg gegenüber erwähnt? Oder hatte Seitz von ihr gesprochen?

      »Ich würde gern ein Wort mit Eurem Sohn wechseln.« Figen merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. »Ist er zugegen?«

      Katharina von Rosenberg schüttelte den Kopf und zog die Tür hinter sich zu. »Er ist zum Alter Markt aufgebrochen. Ich muss auch dorthin. Willst du mich begleiten? Wie ich sehe, ist dein Korb ebenfalls leer.«

      Unsicher sah Figen auf ihren Korb. Sie schien für diese Frau ein offenes Buch zu sein und fühlte sich unwohl, doch jetzt konnte sie keinen Rückzieher mehr machen. Was sollte sie schon sagen, wo sie mit ihrem leeren Korb hinwollte? Also nickte sie.

      »Dann komm, mein Kind.« Katharina von Rosenberg ging strammen Schrittes voran. Trotz ihrer Leibesfülle war sie schnell und wendig. Figen musste zusehen, dass sie mithielt. »Gibt es einen bestimmten Grund, warum du meinen Sohn aufsuchen willst?«, fragte Frau von Rosenberg.

      Was sollte sie erwidern? Sie konnte schlecht von der Mädchenschule erzählen. Nicht, bevor sie mit Seitz gesprochen hatte.

      »Du willst doch sicher keine Laterne bei uns erwerben, oder?« Katharina von Rosenberg lachte.

      »Nein.« Dafür hatte sie nicht annähernd genug Geld.

      »Ist es wegen deines ermordeten Herrn? Schrecklich, was Bechtolt zugestoßen ist. Die arme Jonata. Das hat sie nicht verdient.«

      Figen war erleichtert und nickte. Das schien ein guter Grund zu sein. »Nein, das hat sie nicht.«

      »Hast du Kontakt zu ihr? Weißt du, wie es ihr ergeht? Wird sie zur Beerdigung kommen?«

      »Ihr wisst doch, dass ihr das nicht möglich sein wird.«

      Katharina von Rosenberg brummte zustimmend. »Eine Schande! Sie fehlt uns.«

      »Uns auch«, sagte Figen und war froh, dass sie nun eine Weile schweigend nebeneinander hergingen.

      »Wer soll denn das Haus erben?«, fragte Frau von Rosenberg schließlich.

      »Margret, Bechtolts Frau.«

      Frau von Rosenberg nickte. »Hat er euch genug hinterlassen, dass ihr euer Auskommen habt?«

      Figen schluckte, dachte an die leere Schatulle in der Brauerei. »Der Mörder hat unsere letzten Münzreserven gestohlen.«

      »Ach, wie schrecklich! Und die Bruderschaft?«

      »Hat uns einen kläglichen Betrag überlassen, der uns vielleicht bis zum Winter über Wasser hält.«

      »Bei allen Heiligen, das darf doch nicht wahr sein!«

      »Irgendwie wird es schon gehen.« Das musste es.

      »Wurde Bechtolt deswegen ermordet? Wegen der Münzen?«

      Figen zuckte mit den Schultern, konnte es sich jedoch kaum vorstellen. Wenn man sich bereits in den Schenken erzählte, dass er kein Geld mehr besaß. Hoffentlich würde der Gewaltrichter den Unhold finden. So eine grausame Tat durfte nicht ungesühnt bleiben.

      »Sie sollten den Mörder vierteilen«, keifte Frau von Rosenberg.

      Figen lief es eiskalt den Rücken hinunter. Auch wenn der Mörder überführt und verurteilt werden würde, würde sie der Hinrichtung nicht beiwohnen. Noch mehr Blut und Tod ertrug sie nicht. »Hauptsache, wir erfahren, warum wir das erleiden müssen.«

      Als sie den Alter Markt erreichten, sagte Frau von Rosenberg: »Du findest meinen Sohn sicherlich beim Papierhändler oder bei dem Hornhändler.« Sie zeigte in die Richtung.

      »Habt Dank!«, sagte Figen und machte einen Knicks. Sie verschwand im Markttreiben und war froh, weiteren Fragen zu entkommen. Eine eigentümliche Frau, viel zu vertraulich und forsch.

      Es roch nach frisch gebackenem Brot und Fleisch. Figen kam an dem Stand mit Konfekt und Pfefferkuchen vorbei, und ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Sie ging weiter zum Papierhändler – und da war er. Schien mit dem Händler über den Preis zu verhandeln. Lauthals diskutierten die beiden, erregten damit Aufsehen unter den umstehenden Marktbesuchern. Figen blieb ein paar Schritte entfernt stehen.

      Als die beiden sich geeinigt hatten, wandte Seitz sich zu ihr um. Sein Gesicht erhellte sich. »Figen. Wie schön, Euch zu sehen!«

      »Eure Mutter hat mich hergebracht«, sagte sie.

      »Ihr wolltet also zu mir?« Das Lächeln wurde breiter. »Was verschafft mir die Ehre?« Die Freude in seinem Gesicht wich einer Schwermut. »Seid Ihr etwa hier wegen Jonatas Vater?«

      »Woher habt Ihr es erfahren?«, fragte sie.

      »Die Vöglein pfeifen es von allen Dächern. Ein Mord in Köln. Und dann ausgerechnet Bechtolt.« Betrübt schüttelte er den Kopf. »Sagt, wie geht es Euch?« Er trat einen Schritt auf sie zu und nahm ihre Hände in die seinen. Ihre Haut kribbelte, und ihr wurde heiß.

      »Es … ich …« Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, sah auf seine gepflegten Hände, an denen die Schwielen langsam zurückgingen. Zeugnisse der schweren Arbeit auf dem Lande während seiner Verbannung. »Es geht schon.«

      Er ließ sie los und wich einen Schritt zurück. Sie versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Ihr habt ihn im Haus gefunden, habe ich gehört.«

      Auch das erzählte man sich also in der Stadt. Sie sah Bechtolt am Boden liegen, das Blut, das Messer. Saure Galle kratzte ihren Hals. »Nicht ganz. Kuntz hat ihn zuerst entdeckt, aber ich war bei ihm.«

      Figens Blick fiel auf das Messer, das an einer ledernen Scheide an Seitz’ Gürtel hing. Seitdem ihre Mutter durch ein Messer gestorben war, konnte sie sich nicht überwinden, selbst eins bei sich zu tragen. Auch wenn das zu Tisch umständlich war, aber wann ging sie schon in einem Wirtshaus speisen? Zu Hause half ihr Elisabeth mit ihrem aus, wenn sie den Schinken oder das Brot schneiden musste.

      »Es muss schrecklich für Euch gewesen sein«, sagte Seitz warmherzig.

      Sie hätte sich am liebsten an seine Schulter gelehnt, doch das geziemte sich nicht.

      »Ich weiß genau, wie Ihr Euch fühlt.« Eine braune Strähne fiel ihm ins Gesicht. Wusste er das wirklich? »Wenn es irgendwas gibt, das ich für Euch tun kann, dann –«

      »Das könnt Ihr tatsächlich.«

      Er lächelte. »Sprecht es aus.«

      »Habt Ihr Eure Besorgungen erledigt?« Sie wies mit dem Kopf zu seinem Handkarren, auf dem Papier, ein paar Hornplatten sowie Tierhäute lagen.

      Seitz nickte. »Mehr gute Geschäfte werde ich heute wohl nicht mehr machen.«

      »Ich muss noch zur Bäuerin. Begleitet Ihr mich?«, fragte sie.

      »Gern.« Er zog den Handkarren hinter sich her.

      »Unser Gespräch vom letzten Mal hat mich nachdenklich gestimmt«, begann Figen. Sie wich einem Mann aus, der zwei Schafe vor sich hertrieb.

      »Über die Versammlung?«

      Sie schüttelte den Kopf, blickte sich verstohlen um, ob irgendjemand sie beobachtete, doch alle um sie herum waren mit ihren Einkäufen beschäftigt oder drängten sich eilends an ihnen vorbei. »Wir hatten über die Mädchenschule der Beginen gesprochen.«

      »Richtig!« Eine tiefe Furche bildete sich auf seiner


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