Bierbrauerblues. Natascha Keferböck
Marie.« Obwohl ich nicht mehr ganz so laut spreche, ist meine Stimme gut im totenstillen Raum zu hören. »Eine Frau wie sie ist nämlich viel zu schade für so einen beschissenen Proleten, wie du einer bist.«
Der Max starrt mich ungläubig an, während er sich sein Kinn reibt, dann helfen ihm zwei seiner Kumpels endlich vom Boden hoch.
Ich schaue finster in die Runde der Wirtshausgäste, die mich alle anstarren. »Sollte einer von euch auch nur ein einziges Wort über die Marie und das Video verlieren, dann kriegt er’s mit mir zu tun«, drohe ich. »Habts mich?«
Betretenes Gemurmel allerseits, sagen traut sich keiner etwas.
Wie ich dem Andi den Gürtel wieder abnehme und ihn mir filmreif umhängen will, nimmt ihn mir der Heinz kopfschüttelnd aus der Hand.
»Nein, Chef, net ohne Uniform. Ich bring den jetzt auf die Inspektion, okay? Das fehlende Magazin kannst ja morgen mitnehmen.«
Ich nicke ihm dankbar zu, und er macht sich vom Acker.
Dann klettere ich auf einen der Hocker an der Bar. »Je eine Halbe für mich, den Andi und den Michel«, bestelle ich bei der Kellnerin Kathi. In der Schankstube hört man niemanden mehr atmen.
Aber wie es scheint, hat sich der Max wieder gefasst. »Nur über meine Leich!«, brüllt er wie von Sinnen. »Du Hurenbock kriegst von mir nie wieder was zum Saufen! Schleich dich aus meinem Wirtshaus! Kathi«, er schaut die Bedienung böse an, »dem gibst du nix, verstanden?«
»Nein«, entgegnet die Kathi bestimmt und stellt mir drei Halbe und drei Schnaps hin. »Die Schnaps gehen aufs Haus«, sagt sie laut und demonstrativ in Richtung Max.
Ich grinse sie dankbar an. Braves Mädchen.
Der Max ist so perplex, dass er nichts mehr sagt, sondern sich nur mehr von seinen Kumpels auf den Barhocker neben mir hieven lässt.
»Also gut, Aigner«, macht er schließlich doch noch seinen Mund auf. »Dann sind wir zwoa jetzt quitt. Die Sache ist g’regelt, so wie es sich unter Männern g’hört.« Er hält mir die Hand hin, und ich schlage ein.
»Du hast einen ordentlichen Punch, Riegler«, sage ich und nicke anerkennend, weil es wahr ist.
Der Max macht eine abwehrende Handbewegung, ist aber unübersehbar geschmeichelt und prostet mir zu. Dann beugt er sich zu mir und flüstert: »Aber eines sag i dir, die Marie ist für mich g’storben, auf immer und ewig. I will die nimmer, kannst sie haben.« Geräuschvoll rülpst er mir ins Gesicht, sodass ich ein gutes Stück zurückweiche. »Unter koane Umständ will i die wieder zurück«, versichert er mir noch einmal und leert den halben Bierkrug in einem Zug.
Die Gäste im Schankraum haben wieder begonnen, sich leise zu unterhalten. Der eine oder andere beobachtet uns zwar noch verstohlen, aber wir haben nicht mehr deren ungeteilte Aufmerksamkeit.
Der Andi schwingt sich auf den Barhocker neben mir. »Ich weiß schon, warum ich mir dich als Freund ausgesucht hab«, sagt er und legt stolz seinen Arm um mich.
Ich lächle, bin aber insgeheim heilfroh, dass der Max noch besoffen war, als er mich geschlagen hat. Der Zwerg hat eine unglaubliche Kraft, denke ich mir und kann immer noch seine Faust in meiner Magengrube spüren.
Nach seinem vierten Schnaps und dem dritten Weißbier hängt der Max zwischen dem Andi und mir und hält sich an unseren Schultern fest. Der Michel ist wie die meisten anderen Wirtshausgäste schon nach Hause gegangen. Nachdem der Max einige große Reden geschwungen hat, weint er jetzt zur Abwechslung.
Die Kathi schnaubt vor Wut und knallt jedes einzelne Glas nach dem Trockenwischen so lautstark ins Regal, dass mir schon mal präventiv mein Kopf wehtut. Garantiert kann das Mädel das Gejammere über die Marie nicht mehr hören, vor allem, weil sie ja offensichtlich selbst am Brauwirt interessiert ist.
Große Krokodilstränen laufen dem Max über seine geröteten Wangen, seine ebenfalls rote Nase glänzt. »Immer hab i mir so eine Frau g’wünscht. So eine wie die Marie, so eine mit …« Er sucht nach dem passenden Wort. »So eine mit …«
»Solchen Dutteln?«, hilft der Andi überflüssigerweise aus.
»Aber geh, du Trottel. I mein, so eine mit Klasse, eine Klassefrau halt. Keine blöde Trutschn wie die Kathi und die andern Weiber.« Er zeigt auf die Bedienung, und ich hab die nicht unberechtigte Angst, dass sie uns allen dreien gleich mehrere Bierkrüge an den Kopf pfeffern wird.
»Nie hab i geglaubt, dass eine wie die Marie sich mit einem wie mir einlässt«, heult der Max weiter rum. »Nie und nimmer. Und dann ist es doch passiert …«
Schnaubend nimmt die Kathi die Schürze ab, schmeißt sie auf den Boden und verlässt wütend die Schankstube, indem sie die Tür mit dem Schild »Nur für Personal« lautstark hinter sich zuknallt.
Der Andi springt vom Hocker und rennt ihr nach. Schon wieder fischt er heute in Gewässern weit über seiner sonstigen Gewichtsgrenze. Der Kerl wird alt, denke ich mir.
»I kann ohne sie net existieren«, schluchzt der Max jetzt und fällt mir in die Arme. »Und du hast sie mir wegg’nommen, Aigner. Das überleb i net. I will diese Frau, nach der Hochzeit g’hört sie mir, nur mir und sonst keinem, i hab alles dafür getan, damit sie mir g’hört, alles …« Er krallt seine Hände in mein T-Shirt und schmiert seinen Rotz an die Ärmel.
Mir graust, und ich überlege krampfhaft, wie ich ihn rasch loswerden und von hier abhauen kann. Hilfesuchend blicke ich mich um. Max’ Trauzeuge, der Rauchfangkehrer, liegt hinten im Eck mit dem Kopf auf dem Tisch und schnarcht laut.
»Die Weiber stehen immer nur auf solche Typen wie dich. Du brauchst koa Geld, koa Wirtshaus, gar nix brauchst du, um an ihre Muschis zu kommen«, redet sich der Max jetzt alles von der Seele. »Der Aigner mit dem Wuschelkopf, das reicht denen. Schon in der Schule hast du reihenweise die feschsten Weiber flachgelegt, und jetzt hast du sogar noch eine Uniform an! Die würden dir ja am liebsten schon das Gwand vom Leib reißen, wenn du nur an denen vorbeigehst …« Er versucht, aus dem Bierkrug zu trinken, und bemerkt nicht, dass der bereits leer ist.
Traurig schlägt er sich mit der flachen Hand auf die Brust. »Mich dagegen schaun s’ nur an wegen meinem Wirtshaus und dem Geld. Aber nie wegen mir. Die Marie, die ist was ganz was Besonderes, eine Traumfrau, woaßt schon. Sauber, gscheit, elegant, was Besseres halt. Die Welt ist so beschissen ungerecht. Und du«, wieder hängt er sich an mich ran, »du Hallodri, der alle Weiber haben kann, du Oaschwarzn nimmst mir die einzige Frau, um die es mir jemals in meinem Leben gegangen ist. Das tut mir in der Seele weh, Aigner.« Er lässt mich los und schlägt nun mit der Faust mehrmals hart auf seinen Brustkorb.
Ich ergreife die Gelegenheit beim Schopf, springe immer noch leichtfüßig vom Barhocker, schleife den schweren Kerl zum Tisch von seinem Freund und setze ihn so dorthin, dass er an dem schnarchenden Rauchfangkehrer lehnt.
Zum Abschied klopfe ich ihm noch mal beschwichtigend auf die Schulter. »Schlaf erst mal deinen Rausch aus, Max. Wirst sehen, morgen schaut die Welt schon wieder anders aus. Es tut mir wirklich leid, was passiert ist, aber ändern kann ich’s jetzt auch nimmer, beim besten Willen nicht.«
Dann mache ich mich schleunigst aus dem Staub.
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