Bierbrauerblues. Natascha Keferböck

Bierbrauerblues - Natascha Keferböck


Скачать книгу
ins Gesicht.

      »Entschuldige!«, schreit sie mir zu und schiebt ihre Haare mit einem Handgriff auf die andere Schulter, sodass meine Sicht nun frei ist auf den schmalen Träger, der ihren Arm hinuntergerutscht ist, und auf – auch auf die Gefahr hin, kitschig zu klingen – einen makellosen schlanken Hals. Mein Mund ist urplötzlich so trocken, dass ich der Marie ihre fast noch volle Bierflasche aus der Hand nehme und mir einen kräftigen Schluck genehmige. Irgendwie muss ich mich ja ablenken.

      Aber vergeblich. Auf einmal pressen sich meine Lippen auf ihren Hals, und die Marie zuckt zusammen. Sie dreht den Kopf in meine Richtung, blickt mir erstaunt in die Augen, und dann küsse ich sie mitten auf den Mund.

      Ich zögere keine Sekunde mehr, hebe sie vom Tisch und ziehe sie an der Hand hinaus aus dem stickigen Laden.

      Auf dem Weg zum Auto bleiben wir immer wieder stehen und schmusen. Endlich im Wagen schiebe ich ihr das Kleid nach oben. Was ich sehe, gefällt mir ausgesprochen gut. Ich versuche, mich irgendwie vor sie zu quetschen, aber der verdammte Multipla ist einfach zu eng.

      »Dafür bin ich eindeutig zu alt, das geht nicht.« Meine Stimme klingt rau, und ich lasse mich entmutigt zurück auf den Fahrersitz fallen.

      Urplötzlich kommt die Marie wieder zu sich. »Vergiss es, Raphi, bitte. Bring mich einfach nur nach Haus«, murmelt sie, während sie krampfhaft ihr Kleid nach unten zieht.

      »Nichts da, auf gar keinen Fall.« Ich schaue ihr tief in die Augen, ziehe ihren Kopf zu mir und küsse sie noch mal leidenschaftlich. Sie leistet keinen Widerstand.

      Währenddessen überlege ich fieberhaft, wohin ich mit ihr fahren kann. Zu mir heim kommt nicht in Frage, weil mein Vater mit dem Felix da ist. Beide schlafen zwar oben in Gabis Wohnung, aber auch dort ist jedes Geräusch von unten zu hören. Wenn man denn hinhört. Außerdem nehme ich aus Prinzip keine Frauen mit zu mir nach Hause.

      Dann fällt mir die Lösung ein. Ich mache mich von der Marie los und ziehe triumphierend den Schlüssel von Eidenpichlers Geschäft aus meiner Hosentasche. Ursprünglich hatte ich vor, auf dem Heimweg von der Hochzeit dort noch nach dem Rechten zu sehen. »Modell E711 wartet auf uns«, grinse ich die Marie an. Raphi, du bist ein Fuchs, denke ich mir stolz, starte den Wagen und schiebe meine rechte Hand unter Maries Kleid.

      Nicht einmal dreißig Minuten später sind wir zurück in Koppelried und stehen vor dem Möbelgeschäft. Die Marie zittert neben mir wie Espenlaub, obwohl es eigentlich sehr warm ist. »Ich komme mir vor wie eine Fünfzehnjährige«, flüstert sie beinahe panisch.

      »Keine Angst.« Ich ziehe sie eng an mich, hänge ihr mein Sakko um und schließe mit meiner freien Hand die Tür vom Möbelgeschäft auf. Weil die Straßenlaterne an der Ecke den Verkaufsraum hell genug erleuchtet, mache ich kein Licht. Etwas verloren bleibt die Marie neben der Tür stehen, während ich mich kurz umsehe, ob die Luft auch tatsächlich rein ist. Als ich sie anblicke, schaut sie mich skeptisch an.

      »Raphi, meinst du nicht, wir sollten jetzt wieder gehen? Es ist nicht okay, dass wir beide hier sind. Gar nicht okay«, meint sie zaghaft und beißt sich auf die Lippen.

      Ich kann ihr deutlich ansehen, wie unwohl sie sich fühlt. Zum Glück fällt mir in dem Moment der Sekt im Kühlschrank hinter der Verkaufstheke ein.

      »Ach was. Ein Hoch auf den Eidenpichler, der immer ein paar Flaschen für seine Gäste im Kühlschrank hat«, zwinkere ich ihr aufmunternd zu und gehe zum Tresen. Ich stehe zwar nicht so auf Sprudel, aber für die Marie tue ich jetzt alles, und die muss sich unbedingt ein bisserl entspannen.

      Im Kühlschrank entdecke ich nicht nur Sekt, sondern auch eine gut gekühlte Flasche Gin, der bestimmt eine noch entspannendere Wirkung hat. Spontan entscheide ich mich für beides und fülle den Gin großzügig in hohe Gläser und den Sekt in Sektflöten, die praktischerweise im Regal hinter dem Tresen stehen. Dann platziere ich die Gläser in Windeseile auf dem Nachttisch neben dem mir bereits bekannten Luxusbett. Zu meinem Glück lässt sich die Stehlampe neben dem Bett ganz einfach anknipsen und dimmen, was uns das stimmungstötende Neonlicht an der Decke erspart. Schließlich lasse ich mit der Fernbedienung am Tresen noch die Rollläden vor dem Schaufenster herunter, damit wir vor neugierigen Blicken geschützt sind. Gut, dass ich dem Eidenpichler letztens dabei über die Schulter gesehen habe.

      Dann gehe ich grinsend auf die Marie zu, die immer noch verunsichert an der Tür lehnt und hilflos zurücklächelt. Ich nehme ihre Hand und ziehe sie sanft hinter mir her, bis wir vor dem großen Bett stehen.

      »Darf ich vorstellen? Modell E711, der absolute Boxspring-Luxus, höchster Komfort mit edlem Flair«, lese ich vergnügt vom darüberhängenden Produktschild ab. Dann lasse ich mich aufs Bett fallen, ziehe die Marie auf meinen Schoß und drücke ihr ein Glas Sekt in die Hand. Diese Frau gefällt mir verdammt gut, schon lange.

      Freitag

      Ich erwache von einem Geräusch, das sich anhört, als würde man mein Gehirn durch einen Fleischwolf drehen. Unangenehm grelles Licht blendet mich, und ich kann meine Augen nur zu schmalen Schlitzen öffnen, mehr ist nicht drin. Mein Kopf fühlt sich an, als wäre er in eine Schraubzwinge eingespannt. Als ich mein Kinn senke, sehe ich wie durch eine Nebelwand ein Gewusel an blonden Haaren auf meiner Brust.

      »Ja, spinn ich denn! Was ist denn jetzt das?«, dringt eine dumpfe Stimme in mein Bewusstsein. Die vom Eidenpichler? Was macht der denn in meinem Schlafzimmer?

      »Aigner, du Fetzenschädel! Bist jetzt komplett narrisch worden?« Der Eidenpichler steht neben dem Bett, auf dem ich liege, und brüllt mich an.

      Das kann nur ein böser Traum sein, denke ich mir, als sich die Haarpracht auf meiner Brust, die blond und garantiert nicht von mir ist, langsam bewegt. Verschwommen taucht das Gesicht von der Marie vor mir auf. Ruckartig fährt sie in die Höhe, und meine Augen können endlich wieder scharf sehen. Gerade noch rechtzeitig, dass ich ihren sensationellen Busen nicht verpasse.

      Die Marie schaut verwirrt zum Eidenpichler, dann zu mir. Der Eidenpichler starrt mit weit offen stehendem Mund auf Maries Busen, weshalb sie sich blitzschnell bis zum Hals in das einzige Laken wickelt, das auf dem Bett liegt. Was wiederum mich ganz schön nackt aussehen lässt.

      Zwar kann ich endlich wieder normal sehen, nur das, was ich jetzt erblicke, gefällt mir gar nicht. Weil der Eidenpichler offensichtlich schon die Rollläden hochgefahren hat, steht vor dem Schaufenster in Richtung Hauptplatz der Wimmerl-Roman und hält sein Handy quer vor sich in unsere Richtung. Der Saubub, der elendige, der fotografiert uns, denke ich mir und springe aus dem Bett, so wie Gott mich geschaffen hat.

      »Aigner, du Depp«, fängt der Eidenpichler sofort an, wie eine Sirene loszukreischen, »zieh dir wenigstens was an! Die Hose! Die Hose!«

      Ich drehe mich um und schaue, wo meine Hose ist. Dabei sehe ich, wie die Marie in die Decke beißt. Ich glaube beinahe, die lacht. Aber an der Hose ist normalerweise mein Gürtel mit der Dienstwaffe, und mit der werde ich dem Wimmerlgesicht jetzt ein Loch in sein verdammtes Handy schießen!

      Statt meiner Hose entdecke ich allerdings nur drei leere Flaschen Sekt und eine genauso leere Flasche Gin, die auf dem Boden herumrollen. Und langsam dämmern mir ein paar Erinnerungsfetzen von wegen Sekt aus dem Bauchnabel der Marie schlürfen herauf, und ich bemerke, dass es im ganzen Schauraum penetrant nach Alkohol mieft. Wirklich erinnern kann ich mich allerdings nur an wenig. Eigentlich an fast gar nichts, wenn ich ehrlich bin.

      Da hält mir die Marie meine Hose vor die Nase, an der natürlich kein Gürtel mit Dienstwaffe ist. Eh klar, Raphi. Komm endlich zu dir. Du bist Polizist und kein Cowboy!

      Der Roman, die freche Kröte, hält sich währenddessen immer noch das Handy vors Gesicht, und trotzdem kann ich sehen, wie er unverschämt grinst. Das Einzige, was ich in einer meiner Hosentaschen finde, ist mein Dienstausweis. Interessant. In Ermangelung von etwas anderem presse ich ihn völlig hirnlos gegen das Schaufenster, während ich mit der Faust kräftig dagegenschlage. »Du Hundsfott, du elendiger! Gib das Handy her, sofort!«

      »Aigner, bitte. Zieh dir endlich was an. Wenn da jetzt noch mehr Leute vorbeikommen«, jammert – nein, weint schon


Скачать книгу