Bierbrauerblues. Natascha Keferböck
vom Eidenpichler. Auf dem mir seit heute Nacht bestens bekannten Modell E711 im Schaufenster des Möbelgeschäfts. Nichts davon lässt auch nur irgendeinen Zweifel. Die jungen Leute sind offensichtlich schwer am Experimentieren, wobei man beim Sieder eigentlich nicht mehr wirklich davon ausgehen kann. Der Kerl dürfte Mitte zwanzig sein.
»Dein Handy ist hiermit konfisziert, Roman. Ich nehme es mit auf die Inspektion. Das alles wird Konsequenzen haben, das ist dir hoffentlich klar. Morgen seid ihr alle vier pünktlich um elf Uhr bei mir im Büro, kapiert?«
Der dünne Roman zittert wie Espenlaub und nickt wie ein Besessener. »Die Petra hat einen Schlüssel, wir sind da nicht eingebrochen. Das war alles legal –«
»Halt die Pappen! Verrat mir nur mehr deine PIN zum Entsperren des Telefons, und den Rest könnt ihr mir morgen erklären. Punkt elf, sonst hole ich jeden von euch persönlich ab.«
Im Auto suche ich auf dem verdammten Telefon noch mal genauer nach Fotos oder Videos von mir und der Marie. Nichts. Trotzdem nehme ich mir vor, den Andi diesbezüglich zu konsultieren. Der ist um einiges gewiefter als ich, wenn es um Smartphones geht.
Schon etwas beruhigter fahre ich zurück zum Eidenpichler. An der Tür hängt ein Schild: »Wegen Inventur erst Samstag wieder geöffnet«, aber ich habe ja immer noch seinen Schlüssel. Drinnen arbeitet fröhlich summend die Putzfrau und duftet das Bett im Schaufenster mit einem Raumspray Marke Tannenduft ein, das noch penetranter stinkt als der abgestandene Sekt. Sämtliche Fenster sind gekippt, damit frische Luft hereinströmen kann.
»Wo ist der Eidenpichler?«
»Chef auf Klo!«, ruft mir der polnische Putzteufel zu.
Ich reiße die Tür zum Häusl auf und vernehme sofort ein geräuschvolles Furzen. »Komm sofort raus, Eidenpichler. Ich weiß, wer hinter den Einbrüchen steckt.« Ich höre, wie er ausgiebig die Klospülung betätigt, dann kommt er auch schon in den Waschraum.
»Warst jetzt aber schon schwer motiviert, gell, Aigner?« Der Eidenpichler weint nicht mehr, sondern grinst mich eher unverschämt an und boxt mich kameradschaftlich in die Seite. »Ich hab doch schon immer gewusst, dass die Marie eine scharfe Braut ist. Kompliment, Aigner. Dem depperten Brauwirt seine fesche Braut verzahnen und gleich vernaschen, das kann net jeder.«
Na ja, Ehre, wem Ehre gebührt, denke ich mir doch ein wenig geschmeichelt. Aber sicherheitshalber brumme ich ihn scharf an: »Kein Wort mehr davon. Zu niemandem, Eidenpichler, host mich?«
»Ehrensache«, grinst der immer noch, und ich glaube ihm kein Wort. »Und jetzt sag, wer ist die Bagage, die sich ständig in meinem Gschäft vergnügt?«
»Schau selbst.« Ich halte ihm das Handy vom Roman vors Gesicht und spiele eins der Videos ab. Je mehr Zeit vergeht, desto blasser wird der Eidenpichler um die Nase herum, bis er kalkweiß ist. Ich habe ein ganz nettes Filmchen ausgesucht, in dem seine dicke Tochter mit dem Roman und dem Hannes gleichzeitig rummacht.
»Was? Wie?« Der Eidenpichler lockert sich die Krawatte. »Aber das kann net sein, meine Petra ist doch so eine Brave. Geh bitte, Aigner, tu das weg, mir graust.« Er schiebt das Handy von sich, dreht den Wasserhahn auf, hält die Hände darunter und macht sich das Gesicht nass. »Das ist zu viel für einen Tag.« Theatralisch greift er sich ans Herz. »Die Petra kriegt eine Watschen, die das depperte Mensch sein Lebtag nimmer vergessen wird.«
Er kramt sein eigenes Handy aus der Hosentasche hervor und schreit gleich darauf hinein. »Hedi! Komm herunter! Aber flott!«
Keine fünf Minuten später betet die Hedi zum lieben Herrgott und weint aus roten, verquollenen Augen. Sanft nehme ich ihr das Handy aus der klammen Hand.
»Das ist Beweismaterial, das muss ich wieder mitnehmen. Jetzt liegt es an euch, ob ihr eine Anzeige machen wollt oder nicht. Ich werde den jungen Leuten erst mal nur ordentlich ins Gewissen reden. Für morgen um elf hab ich die vier auf die Inspektion bestellt, da müssen sie jetzt durch. Servus.«
Dann fahre ich nach Hause, schleiche mich auf leisen Sohlen in meine Wohnung und sperre sicherheitshalber ab, damit mich niemand beim Ausschlafen stören kann. Ich nehme zwar an, dass mein Bub, dessen Kinderzimmer sich einen Stock höher in Gabis Wohnung befindet, vom Vater oder der Gabi schon in den Kindergarten gebracht worden ist, aber man weiß ja nie. Nachdem ich die übel riechenden Kleider ausgezogen habe, werfe ich mich aufs Bett und bin froh, dass ich meinen nächsten Dienst vorausschauenderweise erst für morgen eingetragen habe. Ich bin komplett k.o.
Irgendwann, Stunden später, dringt dumpf ein Klingeln in mein Bewusstsein. Ich öffne die Augen auf Halbmast, kann mein Handy aber nicht sofort entdecken. Erst als es wieder verstummt ist, fische ich es unter dem Bett hervor. Na, servus – zweiundzwanzig Anrufe in Abwesenheit, dazu SMS- und WhatsApp-Nachrichten. Es waren die Gabi, die Gabi, die Gabi … auch mal der Schorsch, der Andi, die Gabi, die Gabi … und der Andi.
Ich öffne die erste Nachricht meiner Schwester. »Ruf mich sofort zurück!«
»Wo ist mein Auto?«, vom Schorsch.
»Ruf mich an, Alter«, vom Andi.
»Ruf endlich zurück!«, von der Gabi.
»Wo bist du Wahnsinniger?«, von der Gabi.
»Ruf an, Raphi. Es ist echt dringend«, vom Andi.
Irgendwie wird mir jetzt doch ein bisserl komisch zumute. Ist meinem Buben etwa etwas passiert? Weil ich feige bin, rufe ich den Andi und nicht meine Schwester zurück.
»Raphi, du Irrer, wo bist du? Wir versuchen seit Stunden, dich zu erreichen.«
»Ich bin zu Hause und hab bloß meinen Rausch ausgeschlafen, Andi. Was ist denn los? Ist was mit dem Felix?«
»Nein, der Bub spielt in seinem Zimmer, und da bleibt er jetzt auch besser mal. Ich bin übrigens auch oben bei der Gabi. Echt, Raphi, wir haben bei dir Sturm geläutet, aber du Irrer hattest abgesperrt!«, schreit er, als ob es ein Verbrechen wäre, seine Wohnung abzuschließen. Ich habe wohl geschlafen wie ein Stein.
»Bleib, wo du bist. Ich bin mit der Gabi in einer Minute unten.« Es piept, der Andi hat aufgelegt.
Gleich darauf rennt er mich beinahe um, als ich die Tür öffne. Die Gabi will mir auf Zehenspitzen mit der flachen Hand auf den Hinterkopf schlagen, aber ich weiche geschickt aus. Dieses Erziehungsmittel wendet sie trotz meines fortgeschrittenen Alters immer noch liebend gerne bei mir an.
»So liebevoll heut, Schwesterherz?«
»Red mich besser nicht an.«
Ich versuche, wie ein Unschuldslamm dreinzublicken. Tatsächlich habe ich keine Ahnung, worum es hier geht. Die Marie wird doch nicht schnurstracks zur Gabi gegangen sein, um zu beichten? Oder, schlimmer noch, zum Pepperl?
Der Andi nimmt sich mein Notebook vom Schreibtisch, stellt es auf den Esstisch vor der Kochnische, klappt es auf und öffnet mein Mail-Programm.
»Baumgartner, spinnst du? Das ist privat.«
»Keine Zeit für Sentimentalitäten«, meint der Andi trocken, um gleich darauf triumphierend aufzuschreien. »Ha! Hab ich’s mir doch gedacht. Halb Koppelried hat diese Mail bekommen. Und du natürlich auch.«
Die Gabi will mir noch eine Kopfnuss verpassen, und diesmal trifft sie. Meine schlechte Reaktionsfähigkeit ist wahrscheinlich dem Restalkohol geschuldet.
»Jetzt hör doch mal auf damit, Gabi.«
»Du Haderlump! Wie konntest du ihr das nur antun? Und dem Felix? Hast du kein Hirn im Kopf, du …« Die Gabi sucht krampfhaft nach einer wirklich wortgewaltigen Beleidigung. »Du … Mann!«
Weil mir jetzt wirklich Übles schwant, sehe ich mir die E-Mail genauer an. Unter dem Betreff »Brauwirt Hochzeit« ist folgender Text zu lesen: »Dorfpolizist auf Abwägen. Wie viel STANDhaftigkeit beweissen wir Schandis?«
»Sieh dir den Absender an.« Mein bis eben bester Freund jauchzt voller Freude, während er mit dem Finger mehrmals auf den Bildschirm tippt. Da steht: »[email protected]«. Die