Bierbrauerblues. Natascha Keferböck

Bierbrauerblues - Natascha Keferböck


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ich einmal tief durchgeatmet habe, fasse ich mir ein Herz und drücke auf Wahlwiederholung. Sei endlich ein Mann, Aigner!

      Aber die Marie hebt nicht mehr ab. Ich warte kurz und versuche es noch mal. Wieder geht sie nicht ran.

      Dann läutet Gabis Handy, und der Name »Marie« erscheint auf dem Display.

      »Marie!«, rufe ich erleichtert ins Telefon. »Bitte lass mich kurz erklären. Das vorhin, das war absoluter Schwachsinn. Kann ich dich sehen?«

      Aber am anderen Ende der Leitung ist nicht die Marie, sondern der Hansl. »Ruf bitte nimmer an, Bub«, sagt er. »Das Dirndl hat’s so schon schwer genug. Sie woaß net, dass i mit dir sprech, aber bitte lass sie eine Weile in Ruh.«

      »Ich will nur nicht, dass sie denkt, dass ich …«

      »I woaß Bub, schon gut. Mir ist es mehr als recht, dass das mit dem fetten Riegler Max jetzt doch nix wird. Hoffentlich. Aber tu mir den Gefallen und ruf bitte nimmer an. Gib dem Dirndl Zeit.«

      Und damit legt auch der Hansl einfach so auf.

      Wie ich mich umdrehe, lehnt die Gabi in der Badezimmertür und klackert ihre langen roten Fingernägel gegen den Türstock. »Und? Hast du dich entschuldigt?«

      Aus Feigheit nicke ich rasch und gebe ihr das Handy zurück.

      Meine Schwester durchbohrt mich mit ihrem kritischen Blick. »Und? Was hat sie gesagt?«

      »Ich soll sie nicht mehr anrufen«, antworte ich beinahe wahrheitsgemäß und zucke ergeben mit den Schultern. Dann gehe ich zum Andi in die Küche, wo ich noch mal einen kräftigen Schluck aus der Schnapsflasche nehme.

      Wie mein eigenes Handy läutet, ist es der Schorsch. Er sagt zwar nur Hallo, aber ich weiß trotzdem, was er will. Schnell teile ich ihm mit, wo sein Auto steht und dass ich seinem Bruder den Schlüssel mitgebe. Zum Abschied bringt der Schorsch immerhin einen ganzen Satz zustande: »Geiles Video, Chef.« Na super, das kann ich mir jetzt wohl die nächsten hundert Jahre anhören.

      Kaum aufgelegt, läutet mein Handy schon wieder. »Was ist denn, Schorsch? Hast du vielleicht noch so einen wahnsinnig witzigen Kommentar auf Lager?«, schreie ich entnervt, ohne auf das Display geschaut zu haben.

      »Raphi, du hinterhältiger Schuft! Ich hab grad das Video auf YouTube gesehen, meine Kollegin aus Ipferdingen hat mir den Link geschickt. Das pack ich echt nicht, noch nie hat mich ein Mann so blamiert!« Die Betty kreischt mit so schriller Stimme ins Telefon, dass sich mein immer noch angeschlagener Kopf lauthals beschwert.

      Die hat mir zu meinem Glück gerade noch gefehlt. Mir reicht es. »Betty, da du es ja nicht anders kapierst – es ist endgültig Schluss mit uns beiden«, mache ich kurzen Prozess mit ihr.

      Sie heult kurz auf. »Sei nicht so herzlos«, schluchzt sie. »Du willst mir doch nicht sagen, dass du diese alte Schachtel mir vorziehst?«

      »Doch, Betty, das will ich. Ich steh auf diese Frau und nicht auf dich.«

      »Nein, warte«, heult sie. »Ich hab dich doch so lieb, Raphi-Schatz, bitte tu mir das nicht an.«

      »Doch, Betty, das tu ich«, antworte ich ungerührt und lege auf.

      Die Gabi schenkt dem Andi einen triumphierenden Blick, während ich mein Handy ausschalte. Auf weitere Anrufe kann ich im Moment gut und gerne verzichten. Dann lasse ich meine beiden Henkersgesellen einfach stehen und genehmige mir eine ausgiebige heiße Dusche. Bei meinen Ausdünstungen habe ich sie dringend nötig.

      Als ich in frischen Jeans zurück in mein Wohnzimmer komme, sitzen die Gabi und der Andi einträchtig nebeneinander auf meiner Couch. Ich ignoriere die beiden, sperre eine Schublade von meinem Schreibtisch auf und hole den Gürtel mit dem Holster und meiner Dienstwaffe heraus. Eine Ausnahme, dass beides dort liegt. Eigentlich hängt meine Waffe vorschriftsmäßig im Panzerschrank der Inspektion, außer ich vergesse sie dort zu deponieren. Den Gürtel wie John Wayne um die Hüfte geschlungen gehe ich zur Tür.

      »Spinnst du, Raphi?«, schreit die Gabi auf und wird ganz gelb im Gesicht. »Was hast du denn jetzt schon wieder Irrsinniges vor? Wirst du denn nie erwachsen?« Etwas hilflos wendet sie sich an meinen Freund. »Jetzt mach halt endlich was, Andi.«

      »Keine Angst«, beruhigt er sie und rennt mir auch schon hinten nach.

      Das Rieglerbräu befindet sich am südlichen Ortsende, zu Fuß braucht man knapp fünfzehn Minuten. Es nieselt, kleine Tropfen klatschen mir auf Nase und Stirn, aber das ist mir wurscht.

      Der Andi geht schweigsam neben mir her und grinst dabei von einem Ohr zum anderen. Er versucht erst gar nicht, mich aufzuhalten – er kennt mich eben.

      Als ich die schwere Tür zum Rieglerbräu aufreiße, ist es drinnen gerammelt voll, weil es Freitagabend ist und draußen mal wieder unser berühmter Schnürlregen vom Himmel plätschert. Alle sitzen sie in der Schankstube, sämtliche Koppelrieder Spanner. Der gesamte FC ist natürlich auch anwesend, schon zur moralischen Unterstützung vom Riegler Max, seinem Mitglied. Inklusive meiner beiden Polizisten, dem Heinz und dem Michel.

      Der Max hockt an der Bar, blau wie ein Veilchen oder, wie wir hier sagen, blunzenfett.

      Alle Köpfe drehen sich zu mir, nur der vom Max nicht, der weiterhin in seinen persönlichen Maßkrug mit seinem eingravierten Namen starrt.

      »Riegler!« Breitbeinig stelle ich mich vor ihn hin. Man muss den Leuten ja auch eine Show bieten. »Bringen wir es hinter uns.«

      Langsam dreht sich der Max zu mir und lacht mich einfach aus. »Eh klar, nur mit einer Puffn traut der sich da herein, der feige Schandi.« Dann wendet er sich publikumswirksam den Koppelriedern zu. »Koane Eier hat der, aber davon haben wir uns ja schon alle überzeugen können!« Die FCler lachen laut mit dem Max. Alle außer dem Heinz und dem Michel, die beide betreten den Fußboden studieren.

      In Zeitlupe nehme ich meinen Polizeigürtel ab und gebe ihn dem Andi. Das Magazin habe ich ohnehin zu Hause schon herausgenommen.

      Umständlich klettert der Max vom Barhocker herunter und wird wie auf Kommando sofort von seinen üblichen Rauf- und Saufkumpanen umringt.

      »Okay, dann bin ich eben feig, aber du brauchst deine ganze Schlägertruppe als Unterstützung. Gratuliere, bist noch ganz genau so wie früher. Hast dich keinen Deut verändert. Und jetzt komm her, wenn du dich traust, Riegler!«, verspotte ich ihn lautstark.

      Der Max schiebt mit der rechten und linken Hand die Männer von sich weg und schwankt etwas dabei.

      Plötzlich sind der Heinz und der Michel neben mir.

      »Mach keinen Scheiß, Chef«, flüstert der Heinz mir zu. »Der Riegler ist es echt net wert.«

      Auf einmal fängt der Max schallend an zu lachen und dreht sich wieder seinem Publikum zu. »I kann das ja immer noch net glauben, dass der mit seiner kurzen Nudel bei der Marie hat landen können.« Seine Deppen lachen natürlich wie auf Kommando, während er sich wieder zu mir dreht. »Jetzt woaß i endlich, warum dir koane bleibt. Da helfen dir auch die ganzen Locken nix, Aigner, wenn untenrum net viel los ist.« Dann hört er abrupt auf zu lachen und verlangt lautstark einen Schnaps von der Kathi.

      Aber die dralle Kellnerin zeigt ihm nur einen Vogel und zapft seelenruhig weiter Bier für die anderen Gäste.

      »Du hast meine Marie zur Schlampn g’macht, du Hurenbock, du elendiger!«, brüllt der Max jetzt und stampft mit dem Fuß wie ein Kind auf. Er torkelt näher und will sich auf mich stürzen, stolpert aber über seine eigenen kurzen Beine und stürzt. Wie ein dicker Käfer liegt er vor mir auf dem Boden, obwohl ich ihn nicht mal angerührt habe.

      Jetzt bin ich doch ein bisserl verunsichert, denn der stockbesoffene Max ist klar im Nachteil. Einen Besoffenen zu verdreschen, das liegt mir nicht. Also helfe ich ihm lieber auf. Aber noch bevor er wieder auf seinen Füßen steht, rammt mir der Arsch mit voller Wucht seine Faust in den Bauch.

      Kurz bleibt mir die Luft weg. Selbst sturzbetrunken hat der Max eine Mordskraft. Scheiß drauf, ich verzichte auf jegliche


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