Bierbrauerblues. Natascha Keferböck

Bierbrauerblues - Natascha Keferböck


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Link, woraufhin sich ein YouTube-Fenster öffnet. Was ich dann sehe, haut selbst mich um. Meine Beine geben nach, und ich lasse mich auf den Stuhl vor das Notebook fallen.

      Die Marie sitzt aufrecht im Bett, Modell E711. Kurz sieht man ihren hellen Busen aufblitzen, dann wickelt sie sich rasch in das Laken, das sie mir wegzieht. Verunsichert blickt sie sich um, ihre langen Haare sind völlig zerzaust.

      Die Kamera schwenkt auf das Brautkleid, das am Lampenschirm baumelt, dann komme ich ins Bild. Nackt springe ich hinter dem Schaufenster rum, schlage mehrfach mit der Faust gegen die Scheibe und schimpfe – das ist etwas gedämpft zu hören – den Roman alle möglichen Namen, während der Eidenpichler, der mit kalkweißem Gesicht hinter mir steht, »Deine Hose!« jammert.

      Gott sei Dank zoomt die Kamera endlich auf mein Gesicht und danach auf das der Marie, die sich das Bettlaken vor die Brust hält, sich bückt und meine Hose hochhebt.

      Dann zoomt die Kamera wieder heraus, und man sieht mich immer noch rumzappeln wie Rumpelstilzchen – diesmal zum Glück nur meinen auf und ab hüpfenden nackten Oberkörper –, während eine Hand von mir meinen Dienstausweis gegen das Fensterglas drückt. Es ist furchtbar peinlich. Die Kamera zoomt auf meinen Ausweis, den man zum Glück nur verschwommen erkennen kann, bevor sie auf meine Hose schwenkt, die die Marie mir hinhält.

      Es folgt ein erneuter Schwenk auf das Brautkleid, das immer noch fröhlich am Lampenschirm baumelt, dann fährt endlich der Rollladen nach unten.

      Der Ton ist ziemlich gut, muss ich zugeben. Scheiß dünne Fensterscheiben, die der Eidenpichler hat!

      Mir ist schlechter als schlecht. Ich klappe das Notebook zu. Es reicht.

      »Ich hab dir gestern gesagt, du sollst dich um sie kümmern. Aber doch nicht so, du Vollidiot.« Die Gabi will mir erneut mit der flachen Hand auf den Hinterkopf schlagen, aber wieder kann ich erfolgreich ausweichen, sodass sie den Andi trifft, der sie verdutzt anschaut. Fast muss ich grinsen.

      »Ich hab schon nachgeschaut, ob ich den Wahnsinnigen ausfindig machen kann, der das Video online gestellt hat, aber nur einen Alias gefunden«, sagt der Andi jetzt. »Im Netz hat man da kaum eine Chance. Bei YouTube habe ich schon einen Löschantrag gestellt, aber bis die ein Video rausnehmen, dauert es in der Regel einen bis mehrere Tage. Vielleicht geht es diesmal ja schneller, weil man kurz deinen Schniedel sehen kann. Die E-Mail mit dem Link muss jedenfalls an halb Koppelried verschickt worden sein, die Gabi und ich wurden heute schon von zig Leuten deshalb kontaktiert«, grinst er nur wenig verhalten.

      Irgendwie habe ich das dumpfe Gefühl, dass die Geschichte den Andi etwas zu sehr amüsiert. Ich stehe auf und nehme die Flasche mit Gabis selbst angesetztem Nussschnaps aus dem Küchenregal. Den habe ich jetzt bitter nötig. Trotz des strafenden Blickes meiner Schwester genehmige ich mir einen kräftigen Schluck direkt aus der Flasche.

      Plötzlich kommt mir die Marie in den Sinn. Ob die das Video auch schon gesehen hat?

      »Was ist mit der Marie?«, frage ich. »Und weiß es der Max schon?« Ich glaube, jetzt hab auch ich den Ernst der Lage endlich kapiert.

      Die Gabi windet mir die Flasche aus der Hand, nimmt selber einen kräftigen Schluck und wischt sich nicht eben damenhaft mit dem flachen Handrücken den Mund ab.

      »Eigentlich verdienst du es gar nicht, dass ich dir überhaupt irgendwas dazu sage. Aber natürlich hat der Max das Filmchen schon gesehen, schließlich ist der trainiert und braucht nicht so lang wie du, um seinen Rausch auszuschlafen.«

      Stimmt, die Uhr zeigt schon kurz nach fünf am Nachmittag, stelle ich überrascht fest.

      »Der Max wurde von seinen FClern informiert«, erzählt die Gabi ungerührt weiter. »Bis dahin war ihm wahrscheinlich noch nicht mal aufgefallen, dass er seine frischgebackene Ehefrau seit gestern Abend nicht mehr gesehen hatte. Angesichts dessen ist es wohl gut, dass die Marie erst nächste Woche beim Max einziehen wollte.« Sie klingt bitter und macht eine Pause, wie um mich auf die Folter zu spannen.

      »Ja, und? Kruzifix! Weiter!«

      »Nun, die junge Kellnerin, die Franziska, hat mich angerufen und gewarnt, dass der Max fuchsteufelswild auf dem Weg zu Maries Haus ist. Aber mit mir hatte er nicht gerechnet. Weil ich schon vor ihm bei der Marie war, war er erst mal perplex.« Beifall heischend dreht sich die Gabi zum Andi um, der auch noch prompt applaudiert.

      »Geschimpft hat er wie ein Rohrspatz. Er wird dich umbringen, hat er gebrüllt, die Marie wird ihm das noch büßen. Lauter blöde Drohungen halt. Aber dann hab ich den depperten Max ordentlich zur Sau gemacht, den Proleten. Auf der eigenen Hochzeit Fußball schauen, wo gibt’s denn so was? Und dabei hat er auch noch andauernd der Kathi an den Hintern und in den Ausschnitt gefasst, vor allen Leuten. Ich hab ihm ins Gesicht gesagt, dass es gut ist, dass die Marie mit dir weg ist.«

      »Na bitte, dann hab ich doch nichts falsch gemacht«, werfe ich strafmildernd ein, fange mir aber gleich die nächste Watschen ein.

      »Wo denkst du hin! Die Marie auf diese Art vor dem ganzen Ort bloßzustellen, das ist unverkennbar die Raphael-Aigner-Volltrottel-Art.« Empört stemmt meine Schwester ihre Hände in die Hüfte.

      Dem Andi kann man sein Grinsen wahrscheinlich nur mehr operativ aus dem Gesicht entfernen. »Das musst du jetzt ertragen, Raphi. Wissen tun’s wahrscheinlich eh schon alle im Ort. Und die ganz Cleveren haben sich das oscarreife Filmchen sicher schon runtergeladen.«

      Die Gabi hält mir ihr Handy vor die Nase. »Da, Raphael. Du rufst jetzt sofort die Marie an. Ich habe sie übrigens zu ihrem Onkel in die kleine Schrebergartensiedlung geschickt. Man weiß ja nie, was dem depperten Max noch so einfällt – und der Hansl, der lässt ihn garantiert nicht zur Tür herein, den hab ich schon instruiert.«

      Völlig überrumpelt nehme ich ihr das Handy aus der Hand, das schon Maries Nummer wählt, und flüchte in mein Badezimmer, um wenigstens während des Telefonats allein zu sein.

      Es läutet nicht lange.

      »Gabi?«, höre ich Maries angenehme Stimme.

      Ich räuspere mich. Mein Hals ist auf einmal ganz trocken.

      »Hallo? Gabi?«

      »Ähm …«, krächze ich mangels Kreativität.

      »Bist du das, Raphi?« Die Marie klingt nicht wirklich erstaunt.

      »Ja, also … ja. Ähm, Marie, es –«

      Sie unterbricht mich einfach. »Die Gabi hat dich gezwungen, mich anzurufen, oder?«

      »Na ja, nicht wirklich. Nur ein bisserl, wenn man es genau nimmt. Wobei, also mehr oder weniger.«

      »Gut, dann hör mir kurz zu. Ich übersteh das schon alles alleine. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen oder dich für irgendwas verantwortlich zu fühlen. Ich bin erwachsen und weiß, was ich tu. Zumindest stehe ich zu dem, was ich gemacht habe.« Sie hört sich äußerst vernünftig an.

      »Also, ich wollte nur, dass du weißt … Nun, der Felix und … du und ich … ich meine, generell eine Frau und ich, das passt einfach nicht zusammen.« Ich schlage mir auf die Stirn. Verdammt, was stammle ich Vollidiot denn da ins Telefon? Die Marie hat jetzt wahrlich andere Sorgen.

      »Aha, darum geht es dir also.«

      Kurzes betretenes Schweigen auf beiden Seiten.

      »Keine Sorge, Aigner«, sagt sie dann und klingt nun doch etwas gereizter. »Du musst mich deswegen nicht heiraten. Außerdem bin ich schon verheiratet.« Sie lacht bitter auf.

      Irgendwas sollte ich jetzt sagen, aber mein Gehirn fühlt sich an wie ein Vakuum. So ein Mist, irgendwas muss mir doch einfallen. »Nun, die Betty –«

      »Deine minderjährige Friseurin braucht sich auch keine Sorgen zu machen«, blafft die Marie jetzt. »Ehrlich, ich will nichts von dir, absolut überhaupt gar nichts, verstanden? Gestern war gestern. Eine Rauschgeschichte, mehr nicht. Keine Wiederholung erwünscht. Deine Freundin kann beruhigt sein.«

      Dann nichts mehr. Sie hat aufgelegt.

      Warum


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