Bierbrauerblues. Natascha Keferböck
geholt, und der Schorsch hätte die Anzeige aufnehmen können.«
»Ähhh …« Der Rainer bleibt mir stark errötend eine Antwort schuldig.
»Kann sich da irgendoana mal auch um mich kümmern? Was seids ihr denn für Dodeln da?«, keift jetzt der alte Haubner los und knallt seinen Hut auf Sandras Schreibtisch.
Ich seufze tief, schiebe die Sandra vom Stuhl und nehme vor dem Haubner Platz. »Und jetzt schau gefälligst genau zu. Das nächste Mal will ich, dass das hinhaut, verstanden?«, fahre ich die Sandra an und klicke mit der Maus auf einen Ordner. Ich kann förmlich spüren, wie die Sandra wie erstarrt hinter mir steht und mit immer noch offenem Mund auf den Bildschirm stiert.
Ich hingegen fokussiere meinen bösen Blick auf den Haubner. »Was gibt’s denn, Haubner? Bist schon wieder wegen der Schneider Renate da?«
»Was hoaßt da ›schon wieder‹, Aigner?« Die schrille Stimme vom alten Haubner tut mir fast in den Ohren weh. »Die zwoa Funsn aus der Stadt, die machen mich fei narrisch, woaßt schon. I halt das nimmer aus. Mit der ewigen Klimperei bringen mich die Renate und ihre Tochter noch um den Verstand. Die Rosi gibt schon fast koa Milch mehr. Die plärrt den ganzen Tag nur mehr und ist zwider.«
»Wer jetzt?«, grinse ich den Alten frech an. »Die Renate oder die Rosi?«
Der Haubner verschränkt beleidigt seine kurzen Arme.
»Daran bist doch selber schuld«, mache ich ihm klar. »Hättest das Häuserl auf eurem Hof halt nicht verscherbelt. Wärst nicht so geldgeil gewesen, hättest jetzt deine liebe Ruh.«
Der Haubner wird ganz rot vor Zorn. »Du woaßt schon, dass man mit meine paar Milchküh heutzutag koa Einkommen mehr hat. Die EU frisst uns die Butter vom Brot. Uns kloanen Bauern, uns bleibt ja nix mehr.«
»Wenn du jetzt behaupten willst, dass du am Hungertuch nagst, dann kann ich darüber nur herzlich lachen. Was ist denn mit deinem Wald und der Jagd, die du verpachtet hast? Und mit deinen Feldern? Zweihundert Hektar, wenn ich mich nicht irre.« Ich schaue ihn streng an. Irgendwie muss ich ihn ja dazu kriegen, uns nicht beinahe täglich mit seinen sinnlosen Anzeigen zu quälen.
»Wennst mir nur einmal zuahören tätst, Aigner. Die sind doch alle so was von billig verpachtet, und mein Bua, der Walter, der hat doch nur die Küh im Schädel.«
»Schau, Haubner«, versuche ich es noch mal auf die nette Tour, »die Renate bessert sich mit den Klavierstunden nur das geringe Gehalt auf, das sie von der Kirche als Organistin kriegt. Was sie übrigens auch brav und ordentlich versteuert. Nicht, dass du da noch auf eine weitere dumme Idee kommst, gell? Warum verträgst dich nicht endlich mit ihr, die Renate ist wirklich ein netter Kerl.«
»Aber geh.« Der Haubner macht eine wegwerfende Handbewegung. »Und derweil verrecken mir meine Küh wegen ihrer Katzenmusik. Das hält ja koa normaler Mensch net aus. Mit der Funsn hab i nix wie Gscherr.«
Resigniert öffne ich das Anzeigenformular. »Aber du weißt eh, dass die Anzeige nix bringen wird, oder? Bist ja nicht deppert.« Ich beuge mich nach vorn zu dem alten Trottel und versuche es ein allerallerletztes Mal. »Niemand wird dir bescheinigen, dass die Milch von deinen Kühen wegen der Klavierstunden sauer wird.« Dann lehne ich mich wieder auf dem Stuhl zurück und verschränke lässig die Arme. »Lassen wir’s halt bleiben, was meinst?«
»Nix da!« Wütend springt der Haubner vom Stuhl und fuchtelt drohend mit dem Zeigefinger durch die Luft. »I zeig an, wen i will! Und wenn du es net machst, dann fahr i nach Salzburg nei und zeig euch alle auch noch an! Wegen Dienstverweigerung!« Sein Kopf ist feuerrot vor Zorn. »Mein neuer Anwalt wird mir schon helfen, dass i die Schneider wieder aus dem Häusl rauskrieg. Aber dazu brauch i jede Anzeige, die i kriegen kann.«
»Ich warn dich, Haubner. Entweder kriegst dich schleunigst wieder ein, oder –«
Er unterbricht mich einfach. »Oder was? Sag, haben s’ dir ins Hirn g’schissen, Aigner? Hosenscheißer, das seids ihr da doch alle.«
»Du beruhigst dich jetzt augenblicklich.« Ich funkle ihn böse an und werde sehr laut. »Noch ein einziges Wort und ich hab dich dran wegen Beamtenbeleidigung – vor Zeugen.« Die Sandra und der Rainer nicken brav im Duett. »So schnell kannst du gar net schauen. Also, schnauf jetzt dreimal tief durch und dann schaust, dass du weiterkommst. Ich denke gar nicht dran, deine idiotische Anzeige aufzunehmen. Schade ums Papier und um meine Zeit.« Ich stehe auch auf und gehe bestimmten Schrittes zu meinem Büro.
Das wirkt. Der Haubner schaut mir ein paar Sekunden lang blöd nach, setzt sich dann aber seinen Filzhut auf und murmelt im Hinausgehen in seinen Geißbart: »Wie du moanst, Aigner. Ab jetzt komm i nur mehr, wenn der Schorsch Dienst hat. Der ist noch ein echter Gendarm, so wie’s sein seliger Vater war.«
Ich seufze. Kaum jemand im Ort hat mitgekriegt, dass wir alle schon längst keine Gendarmen oder Schandis mehr sind, und der Haubner erst recht nicht.
Als ich mich umsehe, lächelt mir die Sandra triumphierend zu, und der Rainer reckt einen Daumen nach oben, während er weiter auf YouTube rumsurft, was ich sehr gut auf seinem Bildschirm sehen kann.
Donnerstag
»Es langt, Felix! Her mit dem Kleid, aber flott, oder ich werd fuchsteufelswild!« Meine Schwester ist ein Pfundskerl im doppelten Wortsinn. Bei einer Körpergröße von kaum eins fünfundsechzig wiegt sie garantiert … wobei, so genau weiß ich das gar nicht, denn ihr Gewicht ist eines der bestgehüteten Geheimnisse, die ich kenne.
Glucksend vor Lachen springt mein Sohn im weißen offenen Hemd, Unterhose und schwarzen Socken auf die Eckbank in Gabis Küche. Meine Schwester bewohnt das obere Stockwerk des Hauses und ich das untere. Der Vater ist bereits vor meiner Rückkehr ins Elternhaus ins Koppelrieder Seniorenheim übergesiedelt, sitzt aber jetzt in seinem teuren Gössl-Trachtenanzug im alten Lehnstuhl in Gabis Küche und schaut vorwurfsvoll vom Kirchenblatt auf.
Die Gabi versucht inzwischen, immer noch schwer atmend, dem Felix das Zweimannzelt zu entreißen, das ihr Kleid ist. Doch der Bub hüpft behände von der Eckbank, läuft in Richtung Wohnzimmer und lacht ihr fröhlich ins Gesicht.
Weil die Gabi mit hochrotem Kopf so aussieht, als würde sie kaum mehr Luft kriegen, mische ich mich sicherheitshalber doch mal ein. »Es reicht jetzt, Felix. Gib der Gabi den Fetzen, sonst machst noch mehr Falten rein und sie muss ihn noch mal bügeln. Wir sind eh schon spät dran.«
Mein Sohn blickt mir kurz in die Augen und erkennt geübt den Ernst der Lage. Mit treuherzigem Blick übergibt er der Gabi feierlich den Riesenfetzen Stoff und drückt sich an deren weichen Bauch. »War ja nur Spaß, Tante Gabi.«
Die Gabi versetzt ihm einen sanften Klaps auf den Hinterkopf, macht sich von ihm los und dampft schnaufend wie ein Walross ab in ihr Wohnzimmer. Aber nicht, ohne sich zu rächen. »Dafür ziehst du deine Anzugjacke an, Bürscherl.« Eins zu null für die Gabi.
Der Felix blickt mich hilfesuchend an, aber ich schüttle nur grinsend den Kopf. Das hat er sich selbst zuzuschreiben.
Ich trage meinen hellgrauen Anzug und fühle mich eigentlich recht wohl darin. Die Gabi behauptet sogar, ich würde damit ausschauen wie einem Plakat entstiegen. Tja, Geschwisterliebe, kann ich da nur sagen. Mich jedenfalls erinnern Anzüge immer an meine LKA-Zeiten, als es keine Dienstuniform gab, und kurz werde ich wehmütig. Dann aber schiebe ich den Gedanken schnell wieder beiseite und knöpfe meinem Sohn sein Hemd über der schmächtigen Hendlbrust zu.
»Jetzt noch die Hose, Felix. Und das Sakko lässt du bis nach der Kirche an, danach kannst du es mir unauffällig geben, okay?« Ich zwinkere ihm verschwörerisch zu und ernte einen erleichterten Blick.
Endlich kommt eine sehr hübsch zurechtgemachte Gabi im grünen Seidenkleid aus dem Wohnzimmer. Ihr mächtiger Busen ruht gut festgeschnallt im offenherzigen Dekolleté. Eines muss man meiner Schwester lassen: Sie hat ein verdammt hübsches Gesicht. So herausgeputzt schaut sie mit ihren langen schwarzen Haaren richtig gut aus. »Fesch bist, Schwesterherz«, sage ich und drücke ihr einen anerkennenden Schmatz auf die Wange.
Sie freut