Kopflos am Aasee. Christoph Güsken

Kopflos am Aasee - Christoph Güsken


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Reaktion: Sie zog die Mundwinkel herunter und schniefte. Dann setzte sie sich auf die lila Couch, weit genug weg von Bühlow und de Jong, und umschloss mit beiden Händen ihren Orangensaft, als könnte sie sich die Hände daran wärmen.

      »Frau vom Hofe«, Bühlow räusperte sich, sobald Bolte die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, »das ist Herr de Jong, Berater der Kripo Münster. Wir möchten Ihnen noch einmal unser Beileid aussprechen. Genau, und dass wir alles tun, um den Mörder zu fassen.«

      Sie deutete ein weiteres Nicken an und steckte den Strohhalm in den Mund.

      »Wie lange kannten Sie Charles Nöck?«, erkundigte sich de Jong.

      Nadja setzte den Strohhalm wieder ab und schniefte. »Nicht lange genug. Erst seit einem Jahr. Seit ich als Model arbeite.« Sie fing an, in den Taschen ihres Bademantels zu kramen.

      Bühlow war schneller und reichte ihr ein Papiertaschentuch. »Sie sind Model?«

      »Für Unterwäsche.« Frau vom Hofe nahm das Taschentuch kommentarlos entgegen und schniefte hinein. »Dessousmodel. Ich bin sehr gefragt.«

      »Das bezweifle ich keine Sekunde«, platzte der Hauptkommissar mit einem platten Kompliment heraus.

      »Und Herr Nöck?«, sagte de Jong, den das Geturtel nervte. »War er speziell an Damenunterwäsche interessiert?«

      Nadja vom Hofe musterte de Jong mit einem kühlen Blick. »Damals, als ich ihn kennenlernte, habe ich noch nicht gemodelt. Ich war als Treuetesterin tätig. Charles war meine Zielperson.«

      »Zielperson? Sie haben ihn beschattet?«, entfuhr es de Jong, der sich im selben Moment alt vorkam, zum Glück las er in Bühlows Miene die gleiche Ahnungslosigkeit, bildete es sich jedenfalls ein.

      Das Dessous-Model stellte das Glas auf den Tisch und überprüfte den Knoten ihres Bademantels. »Nehmen wir an, Ihre Frau würde an Ihrer ehelichen Treue zweifeln«, erklärte sie an de Jong gewandt. »Sie ruft die Testagentur an, und die würde mich dann losschicken.«

      »Damit Sie mal mit meiner Frau reden, oder was?«

      Nadjas genervter Blick richtete sich deckenwärts, als weigerte sie sich zu glauben, dass auf diesem Planeten Lebewesen existierten, die so blöd sein konnten. »Ich mache mich an Sie heran und finde heraus, wie weit Sie gehen würden. Lasse mich zum Essen ausführen, treffe mich mit Ihnen in einem Hotel.«

      »Das ist schon ziemlich weit.«

      »Wenn es noch weiter geht, haben wir einen Treffer.«

      »Einen Treffer?«

      »Dann melden wir der Auftraggeberin, dass Sie durch den Test gerasselt sind. Und ich kassiere meine Abschussprämie.«

      »Die haben Sie bei Charles Nöck also auch kassiert?«, vermutete Bühlow.

      Nadja nickte stolz. »So hat es mit uns angefangen.«

      »Wie romantisch«, staunte der Hauptkommissar, der regelrecht aufgedreht wirkte. Es war nicht zu übersehen, dass das Dessousmodel sein Typ war.

      »Seine Damalige hatte mich auf ihn angesetzt. Sie war krankhaft eifersüchtig. Als es dann zwischen uns gefunkt hatte, machte sie eine Riesenszene und weigerte sich zu zahlen. Niemand könne von ihr verlangen, dass sie die sexuellen Eskapaden ihres Verlobten auch noch finanziell unterstütze.«

      »Ein Standpunkt, den man nachvollziehen kann«, fand de Jong.

      »Vielleicht. Aber das hätte sie sich vorher überlegen sollen.«

      »Und was ist jetzt mit dem guten Jo?«, erkundigte sich der Exkommissar, um das blöde Grinsen abzustellen, das Bühlows Gesicht entstellte. »Wer hat ihn denn auf Sie angesetzt?«

      »Den hat niemand angesetzt.« Nadja widmete sich für einen Moment ihrem Strohhalm. »Jo Lempel hat für Charles gearbeitet. Als sein persönlicher Influencer.«

      »Was konkret bedeutet …?«, fragte de Jong.

      »Er hatte nicht gerade viele Follower, gerade mal um die 90.000 auf Facebook und Instagram. Aber dafür, dass er fast ausschließlich für Charles Nöck getrommelt hat, ist das doch ganz ordentlich, finde ich.« Sie zuckte mit den Schultern. »Na gut, da war auch noch ein Hersteller für Deodorant und einer für Sportsocken. Aber sonst …«

      »War Jo neidisch auf Charles? Auf seinen Erfolg?«

      »Neidisch? Quatsch, wer behauptet denn so was?« Nadja nestelte nervös an ihrem Bademantel, zupfte ein wenig am Kragen und vergrößerte auf diese Weise ihr Dekolleté, womit sie Bühlows Aufmerksamkeit gewann. »Sie haben wegen etwas ganz anderem gestritten. Charles hatte immer mal einen schlechten Tag, und damals war er sauer, dass Jo so wenig Follower hatte. Jo war sauer, dass Charles seine Arbeit überhaupt nicht zu würdigen wusste.« Erneutes Schniefen, Bühlow zückte ein weiteres Taschentuch. »Was auch stimmt. Sie glauben nicht, was Jo alles gemacht hat. Zuletzt hat er ein Video auf Youtube gestellt, da hat er mit einem Nöck-Thriller einen Selbstversuch gemacht und den Usern vor laufender Kamera demonstriert, dass er das Buch, nachdem er es einmal angefangen hatte, nicht aus der Hand legen konnte. Aber das hat Charles kaum beeindruckt. Er sagte immer: ›Influenza braucht man nicht, man lässt sich gegen sie impfen.‹ Er fand das witzig. Jo war kurz davor hinzuwerfen, damit Charles dann mal sehe, was er davon hätte. Und ich konnte es ihm nicht verdenken.«

      »Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Herrn Lempel?«, erkundigte sich Bühlow.

      Nadja zuckte wieder mit den Schultern. »Er ist ein guter Freund. Charles kennt ihn schon viel länger als mich. Damals war er mit seiner Schwester Amanda zusammen. So haben die beiden sich kennengelernt.«

      »Sie war also die Dame, die sich weigerte zu zahlen?«, fragte Bühlow.

      »Die hat vielleicht rumgezetert, dabei war sie selbst schuld. An Charles’ Stelle wäre ich auch nicht gern mit ihr zusammen gewesen.«

      Die folgende kurze Stille wurde nur vom röchelnden Sauggeräusch unterbrochen, das Nadja mit ihrem Strohhalm erzeugte.

      »Herr Bolte deutete an«, sagte Hauptkommissar Bühlow, »dass Herrn Nöcks Verhältnis zu seiner Verlegerin kompliziert gewesen sei. Ist Ihnen darüber etwas bekannt?«

      »Die Frau ist eine arrogante Zicke. Nöck hat sie reich gemacht. Und den schon totgesagten Verlag wiederbelebt. Und was macht sie: Sie nennt die Präsentation seines neuen Buches albern und behauptet, dass Charles mediengeil sei.« Wieder schniefte sie. »Frieda von Bechritz. Wissen Sie, wie man sie hinter ihrem Rücken nennt: Frigida von Brechreiz. Das passt hundertpro.«

      »Noch mal zurück zu Jo«, sagte de Jong. »Ich würde noch gern wissen: Ist zwischen Ihnen beiden zufällig etwas gelaufen?«

      Zum Zeichen ihrer Entrüstung zog Nadja einen Schmollmund. »Sie meinen, ob Jo und ich … Und dass wir deshalb Charles aus dem Weg …« Energisches, empörtes Kopfschütteln. »Was die Polizei sich so zusammenreimt! Da finden sich zwei Leute sympathisch, und schon machen sie sich des Mordes verdächtig.«

      »Das hat doch keiner gesagt«, widersprach de Jong, schränkte aber dann ein: »Jedenfalls nicht mit diesen Worten.«

      Nadja wandte sich demonstrativ von de Jong ab und Bühlow zu. »Ich finde ihn nett, ja. Aber da war nichts zwischen uns. Okay, zwei oder dreimal war ich mit ihm im Bett, aber das war alles.«

      »Und hat Charles das nicht gestört?«

      Jetzt bekam auch Bühlow einen kritischen Blick ab. »Ich hab doch gesagt, da war nichts zwischen uns.«

      »Das könnte er aber doch anders gesehen haben«, meinte Bühlow. »Immerhin haben Sie mit ihm geschlafen.«

      »Ach ja?« Mit einer energischen Geste raffte Nadja den Kragen ihres Bademantels, als gönnte sie Bühlow jetzt keinen weiteren Blick mehr. »Und dann hat er Charles Nöck umgebracht, damit ich für ihn frei bin? Denken Sie das? – Nein, Jo ist vielleicht ein bisschen spirituell, aber er ist nicht blöd.«

      »Er ist spirituell?«, übernahm de Jong wieder. »Was meinen Sie


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