Funkelsee – Im Tal der verlorenen Pferde (Band 5). Ina Krabbe

Funkelsee – Im Tal der verlorenen Pferde (Band 5) - Ina Krabbe


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mal überlegen.« Malu machte ein Gesicht, als würde sie angestrengt nachdenken, dann plinkerte sie mit den Augen. »Lag es vielleicht an Henri, dem gutaussehenden Neffen des Tauchlehrers?«

      »Kann sein«, lachte Lea, packte ihre Freundin an der Schulter und drehte sie um. »So, und jetzt ab mit dir. Ich bin gleich fertig, dann komm ich nach. Ich sag nur so viel: Du wirst staunen!«

      »Beeil dich, wenn du nicht willst, dass ich vor Neugier sterbe«, rief Malu über die Schulter und schlüpfte unter den riesenhaften Blättern und hängenden Orchideen zurück zum Ausgang.

      »Gib mir was zu essen oder ich muss dich fressen!«, kreischte da plötzlich eine Stimme in ihrem Rücken. Malu fuhr herum, doch im selben Moment war ihr klar, wer sie da bedrohte. »Rosa, wie kannst du mich nur so erschrecken.« Der rosafarbene Kakadu ihrer Großtante Gesine saß gut getarnt zwischen pinken Hibiskusblüten und brabbelte vergnügt vor sich hin, als Malu ihm zur Begrüßung die Halsfedern kraulte.

      »Essen oder fressen«, wiederholte der Vogel vergnügt.

      »Ich hab doch immer was für dich dabei.« Malu griff in ihre Hosentasche und holte ein paar Sonnenblumenkerne heraus. Die hatten für Rosa ungefähr den gleichen Stellen­wert wie für sie selber Gesines köstlicher Himbeerkuchen.

      Der Kakadu packte einen Kern nach dem anderen mit der Kralle und knabberte den Innenteil heraus. »Wo hast du denn Gesine gelassen?«, fragte Malu, ohne ernsthaft eine Antwort zu erwarten. Oder höchstens vielleicht ein Die ist an einem anderen Ort – für immer ewig fort. Rosa hatte schon Gesines Vater gehört, dem alten Baron Funkelfeld, der ihr jede Menge merkwürdiger Gedichte beigebracht hatte, die meist von Tod und Verderben handelten.

      Plötzlich raschelte es in dem großblättrigen Strauch hin­ter dem Hibiskus und dann schob sich das Gesicht ihrer Groß­tante unter den Blättern hervor. »Hallo Malu, was machst du denn hier?«

      »Ich wollte Lea zu einer kleinen Schwimmrunde überreden.«

      Gesine lachte glucksend. »Da hattest du wohl keinen Erfolg, was? Deine Freundin sitzt schon seit heute Morgen an der Nähmaschine und tut sehr geheimnisvoll.« Sie krabbelte aus dem Busch und richtete sich mühsam auf. »Mein Rücken ist auch nicht mehr der beste.«

      »Was machst du denn da unten?«, fragte Malu neugierig.

      Gesine wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich brauchte einfach mal Ruhe von dem ganzen Hoteltrubel da drüben und wollte hier im Dschungel schön die Füße hoch­­legen.«

      »Mitten im Busch?«

      Ihre Großtante schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, mir fiel plötzlich ein, dass die Bewässerungsanlage nicht mehr richtig funktioniert und das habe ich mir gerade mal an­gesehen. Aber das kriege ich wieder hin, ich hol nur eben mein Werkzeug.«

      »So viel zum Thema Füße hochlegen«, griente Malu.

      »Ach was, still sitzen kann ich im Grab«, winkte die alte Frau ab.

      »Wenn du Hilfe brauchst, sag mir Bescheid, ich bin mit den Pferden am See«, bot Malu an und strich Rosa zum Abschied übers Gefieder.

      »Dunkle Jahre, schwarze Tage«, brabbelte der Kakadu beleidigt, er hätte wohl lieber noch ein paar Sonnen­blu­men­­kerne bekommen.

      Während Papilopulus und Schneechen brav gewartet hat­­ten und Malu mit einem erfreuten Schnauben begrüßten, war Alibaba mit ihrem Fohlen verschwunden. Die zwei waren bestimmt schon zum See gelaufen.

      »Ja, ich freu mich auch, euch zu sehen. Jetzt geht es ab ins kühle Nass.« Malu löste den Führstrick von Papilopulus’ Halfter und dann zockelten die beiden Pferde hinter ihr den dicht bewachsenen Pfad entlang zur Seewiese.

      »Arschbombe!«, hörte sie ihren Bruder schon, bevor sie ihn sehen konnte. Dann ein lauter Platscher, gefolgt von Gelächter und Gejohle.

      »Platz da! Jetzt komm ich«, grölte eine andere Jungen­stimme. Vincent. Kalles Sohn gehörte inzwischen so fest zu ihnen, dass Malu sich kaum daran erinnern konnte, wie es ohne ihn gewesen war (wollte sie auch gar nicht!). Dabei war es gerade mal vier Wochen her, dass er zu seinem Vater Kalle Koslowski in die kleine Wohnung über dem Pferde­stall gezogen war. Kalle hatte bei der Renovierung des Schlosses als Handwerker mitgearbeitet und war geblieben, um die letzten Reparaturen zu erledigen, die immer noch andauerten. Wenn sie daran dachte, wie bescheuert sie Vincent anfangs gefunden hatte, mit seinem ewig gries­grä­­migen Ge­­sichtsausdruck! Allerdings war sie zu der Zeit auch nicht gerade die Fröhlichkeit in Person gewesen (pu­­bertäre Stim­­mungsschwankungen nannte ihre Mutter das). Aber seit ihrem gemeinsamen Abenteuer mit Luca und Tornado* und der Aussprache mit seinem Vater war Vin­­­cent wie ausgewechselt. Es fühlte sich für Malu fast so an, als hätte sie zwei Brüder. Malu grinste, dabei hatte sie vor einem Jahr noch nicht mal einen gehabt – jedenfalls hat­­­te sie bis dahin nichts von Edgars Existenz gewusst. Es kam ihr vor, als wäre es ein komplett anderes Leben gewesen.

      Als sie den letzten großen Haselnussstrauch vor dem Seeufer umrundet hatte, staunte sie wie jeden Tag über den wunderbaren Anblick, der sich ihr bot. Die Wasseroberfläche des Funkelsees glitzerte wie mit Diamanten übersät in der Sonne. Und mittendrin lag die Pferdeinsel. Der Name stammte noch aus der Zeit des alten Barons, als die Stuten mit ihren Fohlen dort hingebracht wurden, damit sie den Sommer über ungestört waren.

      Nur die beiden kreischenden Jungs, die versuchten sich gegenseitig unter Wasser zu ducken, störten das idyllische Bild ein wenig. Lapislazuli stand am Ufer, ganz in der Nähe des Holzstegs, und betrachtete das Schauspiel neugierig. Wahrscheinlich würde sie am liebsten mitmachen, dachte Malu, während sie über die Wiese schlenderte.

      Neben Alibaba stand noch ein weiteres Pferd am Seeufer – Rocco, der Schimmel ihres Bruders, den er von seinem Opa geerbt hatte. Vor zwei Tagen hatte Rocco plötzlich an­gefangen zu lahmen und der Tierarzt Dr. Wellhorn hatte ein Huf­­geschwür diagnostiziert, das geöffnet werden musste (ziemliche eklige Angelegenheit!). Seitdem ließ Edgar sein Pferd nicht mehr aus den Augen. Dreimal am Tag musste er die Wunde desinfizieren und neu verbinden. Aber inzwischen hatte Rocco zumindest keine Schmerzen mehr und Dr. Wellhorn meinte, dass er wieder völlig gesund werden würde.

      Nachdem Malu Papilopulus das Halfter abgenommen hatte, lief er hinter Schneechen her zum Ufer. Der alte Wal­­­lach machte sogar einen kleinen Hüpfer vor Freude. Seit Malu ihn letzten Herbst in den See gelockt hatte, als es ihm so schlecht gegangen war, dass der Tierarzt ihm Physiotherapie im Wasser verschrieben hatte, liebte Papi­lo­­­pulus den See. (Zum Glück, schließlich hatte er ihr so schon einmal das Leben gerettet.)

      »Komm rein, Malu. Wir warten auf dich«, schrie Vincent und schüttelte seinen Kopf, dass das Wasser von seinen halblangen schwarzen Haaren in alle Richtungen spritzte.

      »Ja, komm her zu uns«, rief Edgar und grinste.

      Malu tippte sich an die Stirn. »Damit ihr mich untertauchen könnt, was?! Ich bin doch nicht blöd.«

      »Hast du das gehört, Vince? Sie ist nicht blöd.«

      »Nicht? Na so was.«

      Hatte sie eben noch gedacht, dass es schön war, zwei (Fast-)Brüder zu haben?! Malu verdrehte die Augen und ging zu ihrer Pferdetruppe.

      »Ich geh lieber mit euch schwimmen. Jungs sind einfach nervig und doof.« Sie schlang ihre Arme um Papilopulus’ Hals.

      Als hätte der Wallach sie verstanden, schnaubte er und nickte mit dem Kopf. Malu grinste. Und schlauer war ihr Pferd auch.

      Sie zog T-Shirt und Shorts aus und tapste im Bikini ins Wasser. Papilopulus folgte ihr, ohne zu zögern. Dann stieß sie sich ab und tauchte kopfüber in den funkelnden See. Als sie prustend auftauchte, war das alte Rennpferd schon neben ihr und schwang kraftvoll die Beine. Das war das Schönste überhaupt! Sie schwammen ein Stück auf den See hinaus, dann drehte Malu wieder um. Sie wollte Papi nicht überfordern. Wahrscheinlich würde er sogar noch mit ihr bis zur Pferdeinsel hinüberschwimmen, wie er es schon einmal getan hatte.

      Solange Papilopulus mit im Wasser war, hielten Edgar


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