Funkelsee – Im Tal der verlorenen Pferde (Band 5). Ina Krabbe

Funkelsee – Im Tal der verlorenen Pferde (Band 5) - Ina Krabbe


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Lea, Edgar und Vincent sahen sie an, als ob sie von einem anderen Stern kommen würde.

      »Das macht doch kein Mensch mehr, Mama«, sagte Malu kopfschüttelnd.

      »Echt nicht«, stimmte Edgar ihr zu.

      Rebekka und Kalle grinsten sich an, wobei Vincents Vater ziemlich rot anlief, wie Malu feststellte. Bevor sie das aber hinterfragen konnte, pfiff Vincent laut durch die Zäh­­ne. »Den Dennis haben sie einkassiert. Der bekommt be­­stimmt Jugendstrafe. Na endlich!«

      »Ist dat nich der, der dich so fies vermöbelt hat?«, fragte Kalle.

      »Genau der.« Vincent nickte zufrieden. »Marlon schreibt, er ist erwischt worden, wie er in einen Kiosk einge­brochen ist.«

      »Wieso hat der dich denn verprügelt?«, fragte Malu.

      »Der war in unserem Viertel mit seiner Bande unterwegs und als er meinen Rucksack haben wollte, hab ich mich geweigert. Na ja, meine Eltern wollten, dass ich ihn an­­zeige.« Er warf seinem Vater einen anklagenden Blick zu. »Die Prügelei war die Quittung dafür. Ich gönn’s ihm jedenfalls, dass sie ihn eingebuchtet haben.«

      Malu war in diesem Moment sehr froh hier auf Schloss Funkelsee zu leben, ganz ohne Gewalt und Ängste. Das war einer dieser Momente, wo ihr klar wurde, wie gut sie es eigentlich hatte. Und wie gut, dass Vincent zu seinem Vater in die kleine Wohnung über dem Pferdestall gezogen war. Auch die Schule hatte er gewechselt, nach den Ferien würde er mit Edgar in eine Klasse gehen.

      »Ich bin froh, dass du jetzt bei uns lebst«, sagte sie aus vollem Herzen. »Hier gibt es keinen Dennis mit seiner Bande.«

      Vincent lächelte sie an. »Ja, ich bin auch froh – auch wenn ich hier Sklavenarbeit verrichten muss.« Wieder schoss er einen anklagenden Blick auf Kalle ab, doch der lachte nur.

      »Dat biste selber schuld, Vince.«

      »Aber ein bisschen Urlaub hat Vincent sich doch auch verdient, oder?« Malu durchzuckte plötzlich ein Gedanke. »Wenn Edgar nicht mitfliegen will, dann kann Vincent doch mit nach Spanien kommen.«

      »Was habt ihr denn immer mit Spanien?« Verblüfft sah der schwarzhaarige Junge von seinem Handy hoch.

      »Das ist doch eine tolle Idee«, stimmte Rebekka begeistert zu.

      Und sobald sie Kalle und seinem Sohn von Lenkas Ein­la­­dung erzählt hatten, war Vincent Feuer und Flamme, sodass Kalle gar keine andere Wahl hatte, als ihm eine Woche Fe­­rien zu erlauben. (Da war das schlechte Gewissen wieder Gold wert!)

      Nach einem schnellen Abendessen verschwanden alle in ihren Zimmern, um ihre Taschen zu packen. Am nächsten Morgen mussten sie schon um acht Uhr am Flughafen sein. Das bedeutete zwei Stunden Fahrt und um fünf Uhr aufstehen.

      Als sie endlich in ihren Betten lagen, konnte Malu gar nicht einschlafen. Ganz im Gegensatz zu Lea, von deren Matratze nur noch gleichmäßige Atemzüge zu hören waren. So blöd Malu die ganze Aktion am Anfang gefunden hatte, jetzt freute sie sich auf ein paar Tage Urlaub in einem fremden Land. Die Frage war nur, was es mit Lenkas Hilferuf auf sich hatte, aber das würden sie schon herausfinden.

      3. Kapitel

      Malu ließ sich in den weich gepolsterten Sitz am Fenster fallen. Inzwischen war ihr vor lauter Aufregung schon rich­tig übel. Vincent versuchte sie mit dem Hinweis zu be­­ruhigen, dass es hier Kotztüten gab, die sie zur Not be­­nutzen könnte. Alter Angeber. Da machte er einen auf cool, als ob er schon tausend Mal geflogen wäre. Für Malu je­den­f­­­alls war es der allererste Flug überhaupt und dann gleich bis nach Spanien.

      Das Gestüt von Lenkas Stiefvater lag ziemlich einsam mitten in Zentralspanien, einziger Ort in der Nähe war ein Dörfchen namens Portocento. Porto bedeutete zwar Hafen, aber den gab es dort ganz bestimmt nicht – zu Leas großem Leidwesen war das Meer nämlich Hunderte von Kilometern entfernt. Aber dafür gab es ja einen türkisen Pool – denn auch wenn ihre Freundin nicht gern ins Wasser sprang, liebte sie es, am Pool zu chillen.

      Sie hatten drei Sitzplätze nebeneinander. In der Mitte saß Lea, die schon so oft mit ihrer Mutter geflogen war, dass es nichts Besonderes mehr für sie war.

      Rebekka und Gesine hatten sie zum Flughafen gebracht und Malu noch nervöser gemacht, als sie ohnehin schon war. Tausendmal hatte ihre Mutter gesagt, dass sie genug trinken solle und dass sie nicht vergessen durfte anzurufen, wenn sie angekommen waren. Gesine vergewisserte sich mindestens fünfmal, dass Malu und Lea auch wieder rechtzeitig zuhause sein würden, um mit ihr zu den Filmaufnahmen zu fahren. Da wollte sie auf keinen Fall alleine hin. Schließlich hatte Lea ihr die ganze Geschichte eingebrockt. Aber da brauchte sie keine Angst zu haben, Malu und Lea wollten das natürlich um keinen Preis der Welt verpassen.

      Endlich rollte das Flugzeug auf die Startpiste. Es wurde schneller und schneller und als es abhob, sackte Malus Ma­­gen bis unter den Sitz.

      »Du kannst mich jetzt loslassen«, sagte Lea, als sie die Flughöhe erreicht und der Druck im Flugzeug sich normalisiert hatte.

      »Oh, sorry.« Malu zog ihre Hand weg und Lea rieb ihren roten Arm.

      »Als Freundin muss man eben manchmal leiden, kein Problem.«

      Vincent verdrehte die Augen und stopfte sich seine Kopf­­hörer in die Ohren, um sich dann in sein Handy zu ver­­tiefen.

      Malu blickte fasziniert aus dem Fenster. Sie konnte gar nicht genug von diesem Anblick bekommen, von den Stra­ßen, Häusern und Bäumen, die von hier oben wie eine Spiel­­zeuglandschaft aussahen. Dann tauchte das Flugzeug durch eine Wolke und schwebte bald darauf über einer dicken weißen Watteschicht.

      Lea räusperte sich laut neben ihr und als Malu sie mit glasigen Augen anblickte, sah sie ein aufwändig verschnürtes Päckchen in ihrer Hand.

      »Tusch, tata«, trällerte Lea und reichte ihr das Paket. »Das – ist für dich.«

      »Echt? Hab ich Geburtstag?«

      »Nein, ich glaube nicht.« Lea grinste. »Aber ich schenk dir trotzdem was. Einfach weil du meine beste Freundin bist und ich ein so ausgesprochen netter, einfühlsamer Mensch.«

      »Das Erste stimmt, aber das Zweite ...?«, lachte Malu und begann das Paket auszuwickeln.

      Wenig später hielt sie eine schwarze Kappe in der Hand, auf der in goldenem Glitter Leas Logo prangte – ein L mit Punkt (Jetzt wusste sie ja zum Glück, was es bedeutete). Gerührt drehte sie die Kappe hin und her. »Die sieht super aus, Lea, danke.«

      »Ja, find ich auch.« Lea beugte sich vor und zog aus ihrer Tasche ein zweite identische Kappe hervor. »BFF-Look!«, sagte sie grinsend und lehnte sich zurück. »Ich glaube, das mit mir und der Mode, das wird was.«

      »Ganz bestimmt«, bekräftigte Malu und setzte ihr Käppi auf. Egal, was sie in Spanien erwartete, mit Lea würde sie alles meistern, das war so was von klar.

      In der Flughafenhalle war es heiß und stickig, obwohl bestimmt eine Klimaanlage lief. Jede Menge Menschen drängten sich geschäftig an ihnen vorbei und Malu konnte die unterschiedlichsten Gerüche wahrnehmen, von Schweiß bis Käsebrötchen war so ziemlich alles dabei.

      »Wir müssen erst mal unsere Koffer holen«, erklärte Lea und steuerte zielstrebig durch die Menschenmenge zu einem Transportband, das sich unablässig drehte und auf dem Unmengen von Reisetaschen und Koffern standen. Immer wieder schnappte jemand freudig zu, wenn er sein eigenes Gepäckstück entdeckte.

      Sie hatten schon eine halbe Stunde gewartet, da trudelte Vincents Tasche vorbei. Wenig später der schwarze Koffer von Lea, dann der rote Koffer von Lea und schließlich Leas überdimensionale Reisetasche.

      »Ich bin eben gerne auf alles vorbereitet«, erklärte Lea, als sie Vincents schrägen Blick bemerkte, der seine Reisetasche locker in der Hand hielt.

      Zuletzt wuchtete Malu ihre eigene Tasche vom Band. In der Zwischenzeit hatte Lea einen Wagen


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