Funkelsee – Im Tal der verlorenen Pferde (Band 5). Ina Krabbe

Funkelsee – Im Tal der verlorenen Pferde (Band 5) - Ina Krabbe


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sich von ihrem Wasserkampf. In diesem Moment stürmte ein knalloranges Etwas auf die Seewiese.

      »Überraschung!«, trällerte Lea und breitete die Arme aus. Das farbenfrohe Riesenkleid hing sackartig an ihr he­­r­un­ter und die Arme waren etwas zu kurz geraten. »Na, was sagt ihr?«

      »Echt … knallig!«, brachte Malu stockend heraus, während sich Vincent und Edgar lachend über die Holzbohlen kugelten.

      Lea ignorierte die beiden einfach. »Jetzt kommt’s ja erst. Bist du bereit?«

      Malu nickte.

      Schwungvoll drehte Lea sich um und präsentierte ein schwarzes Zeichen, das auf ihrem Rücken prangte. Ein ge­schwungener Strich mit einem Punkt dahinter. Was hatte das zu bedeuten? Denn dass es etwas bedeutete, daran hatte Malu keinen Zweifel.

      »Und?«, rief Lea erwartungsvoll über die Schulter. »Er­­kennst du es?«

      »Äh, vielleicht eine Eins?«, versuchte Malu es.

      »Ein Hockeyschläger mit Ball«, tippte Vincent.

      »Zermatschte Banane vor einem Ei?«, schlug Edgar mit gespielt ernstem Gesicht vor.

      Lea drehte sich um und stemmte die Hände in die Hüften. »Das – ist mein Markenzeichen! Ihr Kretins. Ich nenne mein Label Einfach Lea. Versteht ihr? It’s just me! Oder vielleicht auch Lea – sonst nichts. Oder Lea Punkt. Das L und der Punkt.« Sie malte das Zeichen in die Luft und wiederholte ganz langsam, als würde sie mit Be­­griffs­stutzigen reden: »L Punkt. Einfach Lea.«

      Malu grinste. »Ich hab‘s, glaube ich, verstanden. Sieht ... cool aus.«

      »Damit komme ich ganz groß raus. Meine Modekollek­tion verkaufe ich weltweit. Das wird der Wahnsinn. New York, Mailand, Tokio – ich komme.« Sie drehte sich wirbelnd im Kreis, wie eine außer Kontrolle geratene Orange.

      In diesem Moment stapfte Papilopulus die Böschung hoch, stellte sich breitbeinig hin und schüttelte sich einmal kräftig von oben bis unten.

      Lea kreischte laut auf, als der Tröpfchenregen sie voll erwischte. »Du Ferkel!«

      Edgar prustete los. »Jetzt musst du dich Lea Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen nennen.«

      Das blonde Mädchen bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick, dann raffte sie ihr Kleid hoch und marschierte über die Wiese Richtung Gewächshaus. »Ihr seid ja allesamt Kunstbanausen und du bist der allergrößte«, warf sie Papilopulus zu, der ihr irritiert hinterhersah. Da zwitscherte es plötzlich laut aus den Falten ihres Kleides.

      Lea kam zu Malu zurück und zog langsam ihr Handy hervor. »Ich hab sogar eine Handytasche eingenäht. Toll, was?« Begeistert strahlte sie ihre Freundin an und hatte völlig vergessen, dass sie ja eigentlich beleidigt sein wollte.

      Malu grinste, das war typisch Lea. Da dudelte es erneut, diesmal aus der Seitentasche ihrer eigenen Hose, die neben Alibaba im Gras lag. Sie hatte das Handy gerade hervorgeholt, da piepste es auch noch vom Bootssteg – Edgars Handy. Da schien ja jemand eine Sammelnachricht verschickt zu haben.

      Neugierig wischte Malu sich in ihre Nachrichten, aber Lea war schneller. »Das ist von Lenka«, sagte sie und keuchte dann erschrocken. »Ach du Scheiße!«

      2. Kapitel

      Wenig später saßen sie in der gemütlichen Wohnküche in dem Nebengebäude des Schlosshotels, das Malu mit ihrer Mutter Rebekka und ihrem Halbbruder Edgar bewohnte. Die Pferde hatten sie zurück auf die Weide mit dem neu­en Offenstall hinter dem Schloss gebracht, wo schon die beiden Isländer Ping und Pong und die Ponys Zimt und Va­­nille grasten. Vincent hatte zurück an die Arbeit ge­­­musst. Um den Ferienjob als Stalljunge und Helfer für un­­lieb­­same Aufgaben kam er nicht herum, da kannte sein Vater kein Erbarmen. Schließlich musste Vincent noch die Re­­pa­­ratur am Auto des Freundes seiner Mutter bezahlen, das er vor einen Laternenpfahl gesetzt hatte.

      Lea belegte sich eine Scheibe Brot mit zwei Lagen Käse und verzierte ihr Werk mit Tomatenstücken. »So eine Auf­re­­gung macht mich immer wahnsinnig hungrig«, verkündete sie und nahm einen großen Bissen.

      Eigentlich hatte Lea mit ihrer Mutter eine Rundreise durch Polen machen sollen. Die war nämlich gerade auf den Spuren ihrer Familiengeschichte unterwegs. Aber Lea wollte lieber in der Gegenwart bleiben und sich ihrem Mo­­de­­­projekt widmen und hatte deswegen beschlossen, den Rest der Sommerferien bei Malu zu verbringen. Rebekka hatte nichts dagegen, Lea gehörte ja sowieso so gut wie zur Fa­­milie.

      Edgar las zum wiederholten Mal die Nachricht, die Lenka ihnen geschickt hatte:

      Hilfe! Ihr müsst bitte bitte kommen und mir helfen. Erzählt bloß keinem was davon! Ich hab so eine Angst. Er will alle Pferde

      An der Stelle brach der Text ab. Wer er war (vielleicht Lenkas Stiefvater Gonzo?), was er mit den Pferden vorhatte und wovor Lenka so eine Angst hatte, erfuhren sie nicht.

      Lea war ganz aufgelöst und befürchtete das Schlimmste. Sie hatte sich in den Osterferien, während Malu und Edgar an der Nordsee gewesen waren, mit Lenka angefreundet und versuchte seitdem Malu davon zu überzeugen, dass ihre Großcousine nicht wirklich das Monster war, für das die sie hielt. Ein bisschen hatte es schon gewirkt. Die letzte Zeit, bevor Lenkas Mutter sie mit nach Spanien genommen hatte, war Malu sogar einmal mit ihr zusammen ausgeritten (wenn auch nicht ganz freiwillig!). Lenka hatte bis dahin mit ihrem Vater Arno von Funkelfeld im alten Pförtnerhaus ge­­­wohnt und wenn es nach ihrer Cousine gegangen wäre, dann wäre sie auch dort geblieben – sie hatte auf keinen Fall mit nach Spanien gewollt.

      »Das ist doch ganz klar, ihr hat jemand das Handy aus der Hand gerissen, während sie die Nachricht geschrieben hat«, ereiferte sich Lea, »und dann konnte sie gerade noch auf Senden drücken.«

      Malu nickte unbehaglich. »Klar kann das sein. Aber es ist genauso gut möglich, dass Lenka uns auf die Schippe neh­­men will. Sie wollte ja nicht zu ihrer Mutter ziehen und jetzt sitzt sie da alleine in Spanien rum und will uns ein biss­­chen aufmischen.«

      Ihre Freundin sah sie empört an. »Du denkst wirklich immer nur das Schlechteste von Lenka.«

      »Ich hab auch allen Grund dazu«, zischte Malu. »Sie hat sich ja schon einige Male wie eine blöde Oberzicke verhalten!«

      Edgar zerrupfte gedankenverloren seine Serviette. »Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Lenka so was zum Spaß schreibt.« Er sah seine Schwester eindringlich an. »Glaubst du das wirklich?«

      Malu schnaubte achselzuckend und schaufelte sich drei Esslöffel Kakaopulver in ihre Milch. Es war eben die beste Erklärung, die ihr einfiel. Die für sie selbst beste, wie sie sich eingestehen musste. Sie freute sich so darauf, die letz­­ten beiden Ferienwochen mit ihren Pferden und ihrer besten Freundin (wenn die mal hinter ihrer Nähmaschine hervor­­kam) zu verbringen und wollte sich nicht (!) um die Pro­­bleme ihrer Großcousine kümmern müssen, die sie noch nicht mal leiden konnte.

      »Wahrscheinlich habt ihr recht«, musste sie trotzdem zugeben. »Und was sollen wir jetzt machen?«

      »Ich versuch noch mal, ob ich sie erreiche.« Lea tippte bestimmt zum zehnten Mal die Nummer von Lenka an, aber kurz darauf schüttelte sie den Kopf. »Da geht direkt die Mailbox an.«

      »Wir sollten Arno davon erzählen, vielleicht kann er Gabriella anrufen«, sagte Edgar und knüllte entschlossen die Serviettenschnipsel zusammen.

      Gabriella war Lenkas Mutter und Arnos Ex-Frau. Eigent­lich hieß sie gar nicht Gabriella, sondern Gabi Meier (das hatte Gesine verraten). Nach der Hochzeit mit Arno war sie immerhin zu Gabi von Funkelfeld aufgestiegen und seit ihrer zweiten Heirat nannte sie sich Gabriella de Sanchos – das war wohl noch mehr nach ihrem Geschmack. Malu hatte sie diesen Sommer kurz kennengelernt, als sie nach Schloss Funkelfeld gekommen war, um Lenka nach Spanien zu holen. Sie war eine Großausgabe ihrer hochnäsigen Tochter und Malu damit sofort unsympathisch gewesen. In dem kurzen Gespräch hatte sie ständig erwähnt,


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