Liebe, Eis und Schnee. Annabelle Costa

Liebe, Eis und Schnee - Annabelle Costa


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Käse gefüllte Jalapeños!« Chase sieht ernsthaft schockiert aus. »Natalie, ich werde jetzt einfach so tun, als hätte ich das nicht gehört.«

      Warum ist er so sauer? Ich liebe mit Käse gefüllte Jalapeños. Allerdings sind sie kein Filet mignon.

      Egal. Diesen Streit kann ich wohl ohnehin nicht gewinnen. Chase ist Billy Joel treu ergeben bis in den Tod, und ich bewundere das. Ich mag alle naselang eine andere Band, aber Chase ist seit der Grundschule eingefleischter Billy-Joel-Fan und konnte schon damals den Text von »We Didn’t Start the Fire« auswendig. Er ist schon auf sage und schreibe 23 Billy-Joel-Konzerten gewesen, da kann ich nicht mithalten. Ich habe ganze zwei Katy-Perry-Auftritte gesehen, und einer davon war im Fernsehen.

      Ich gähne, während ich mich in meinem Sitz zurücklehne und das Profil meines Freundes studiere. Von all den Männern, die ich bislang gedatet habe – und das waren nicht gerade wenige –, sieht Chase Hollister zweifellos am besten aus. Er hat blonde Haare, die bei Tageslicht golden schimmern, und grün-braune Augen, von denen man sich nicht losreißen kann. Seine symmetrischen, wie gemeißelt wirkenden Gesichtszüge, eine römische Nase und ein Kinngrübchen tragen ihr Übriges zu seiner Attraktivität bei. Kinngrübchen sind eine heikle Angelegenheit – wenn das Grübchen zu groß ist, sieht der Kerl damit schnell wie ein aufgeblasener Wichtigtuer aus –, aber Chase’ Kinngrübchen ist absolut perfekt. Und er bezahlt einen Personal Trainer, der für einen durchtrainierten Körper sorgt. Ich sehe auch nicht schlecht aus, aber Chase ist da auf einem anderen Level. Als er mich bei unserem ersten Treffen angelächelt hat, war ich sofort verknallt. Ich konnte gar nicht anders.

      Er sieht so gut aus, dass man eigentlich ein völlig neues Wort erfinden müsste, um auszudrücken, wie wahnsinnig und unfassbar attraktiv er ist. Wahntraktiv? Unfasstraktiv? Keine Ahnung.

      Es ist mir peinlich, aber manchmal starre ich ihn einfach an und bin von seinem Aussehen wie hypnotisiert. So, wie ich mich auch an einem schön angerichteten Teller nicht sattsehen kann.

      Chase ist der Fünfzig-Dollar-Hummerhauptgang oder das Steak im teuersten Restaurant der Stadt. Doch wenn man dann reinbeißt, fragt man sich, was der ganze Wirbel eigentlich soll und ob das Essen vom Diner die Straße runter vielleicht genauso gut schmeckt. Oder sogar noch besser.

      Zu seiner Verteidigung muss ich allerdings vorbringen, dass Chase nur Augen für mich hat. Wenn wir zusammen ausgehen, flirten ständig fremde Frauen mit ihm, aber er steigt nie darauf ein. Er ist Mitte dreißig und redet oft von seinem Wunsch nach einer eigenen Familie. Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl, Natalie.

      »Können wir am nächsten Rastplatz anhalten?«, frage ich.

      Chase legt zwar eine Hand auf die Gangschaltung, aber das Auto scheint nicht langsamer zu werden. Keine Ahnung, wie eine Gangschaltung funktioniert oder welche Vorteile sie hat, außer dass sie cool aussieht und Frauen beeindruckt. Ich bin noch nie mit Gangschaltung gefahren und kann schon von Glück reden, dass ich mit einem Automatikgetriebe halbwegs zurechtkomme. Ich habe Chase irgendwann mal gefragt, warum er sich ein Auto mit Schaltgetriebe ausgesucht hat, doch er hat mich nur angeschaut, als hätte ich etwas unfassbar Blödes von mir gegeben.

      »Chase?«, sage ich noch einmal, für den Fall, dass er mich über Billy Joels Geschmachte hinweg nicht gehört hat. »Rastplatz? Por favor?«

      Der Blick hinter seiner Ray-Ban-Brille bleibt stur auf die Straße gerichtet. »Warum willst du unbedingt zu einem Rastplatz?«

      »Weil ich auf die Toilette muss.«

      Er stößt einen langen, übertriebenen Seufzer aus. »Warum musst du so oft zur Toilette?«

      Gutes Aussehen und Treue mögen zu seinen Tugenden gehören, Geduld eher nicht. »So ist das halt, wenn man regelmäßig was trinkt.«

      Genau das ist das Problem daran – dreieinhalbstündige Autofahrten fördern gerne mal zutage, was in einer Beziehung schiefläuft. An Chase Hollister gibt es vieles, was ich mag, aber wenn er von Heirat und unserer Zukunft spricht, bekomme ich ein flaues Gefühl im Magen. Ich glaube nicht, dass er der Mann ist, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen will. Da bin ich mir sogar ziemlich sicher. Ich meine, der Kerl lässt mich doch noch nicht mal aufs Klo gehen.

      Als wir dann an einem Schild vorbeifahren, das einen Rastplatz mit einem McDonald’s und einem KFC anzeigt, ramme ich Chase den Ellbogen in die Rippen – nur für den Fall, dass er wirklich nicht anhalten will. Das Auto wird minimal langsamer, als Chase sich sichtlich widerwillig auf der rechten Spur einordnet und die Ausfahrt nimmt. Er parkt vor dem KFC, und noch bevor ich die Autotür öffne, weht mir der verführerische Duft von frittiertem Hühnchen um die Nase.

      »Hey«, sage ich. »Wollen wir Huhn fürs Abendessen mitnehmen?«

      »Bei KFC?« Mein Freund verzieht das Gesicht, als ob ich gerade vorgeschlagen hätte, dass wir Käfermist zum Abendessen verspeisen. Oder irgendeinen anderen Mist. »Ganz bestimmt nicht, Natalie. Außerdem wurde in der Hütte schon alles für uns vorbereitet.«

      Das überrascht mich nicht. Fast Food ist bei Chase nicht drin. Ich finde nichts dabei, wenn ich ab und zu einen Big Mac verdrücke, aber er würde so was nicht mal mit einer Kneifzange anfassen. Sein Personal Trainer würde ihn umbringen – der Kerl ist streng!

      »Ach, komm schon.« So schnell gebe ich nicht auf. »Ich hatte bestimmt seit einem Jahr kein KFC mehr. Wahrscheinlich sogar noch länger.«

      Chase wirkt immer noch angewidert. »Du weißt schon, dass es ein Gerichtsverfahren gab, wegen dem KFC den Namen ›Kentucky Fried Chicken‹ aufgeben musste, weil die Vögel, die sie verarbeitet haben, nicht als Hühner durchgingen.«

      »Klingt für mich nicht besonders glaubhaft.«

      »Nein, ich hab’s gelesen.«

      Ich verdrehe die Augen. »Glaubst du wirklich, dass das Hühnchenfleisch bei KFC von irgendwelchen mutierten Superhühnern stammt?«

      »Ja, glaube ich.«

      Billy Joel war nicht beliebter als Michael Jackson, und KFC frittiert keine mutierten Hühnchen. Ich bin versucht, mein Handy rauszuholen und Chase zu beweisen, dass er unrecht hat, aber meine Blase drückt. Also flitze ich zu KFC rein, während er auf seinem Smartphone im Internet surft oder sich Pornos anschaut, oder was auch immer er macht, wenn ich nicht da bin.

      Zum Glück ist die Toilette frei, sodass ich nicht warten muss. Und das gelangweilt aussehende Mädchen an der Kasse interessiert es nicht, dass ich aufs Klo gehe, ohne etwas zu kaufen. Ich bezweifle, dass sie sich für irgendwas interessiert, außer vielleicht das entzündete Piercing in ihrer rechten Augenbraue.

      Im Waschraum nutze ich die Gelegenheit und rufe meinen älteren Bruder Drew an. Viele meiner Freunde und Bekannten kommen mit ihren Geschwistern nicht besonders gut aus, aber Drew ist mein bester Freund. Ich bin eher das langweilige und verantwortungsvolle Geschwisterkind, während er der lustige Typ ist, den jeder mag. Man könnte meinen, dass ich ihm das übel nehme, aber ich kann’s nicht, denn er ist der lustige Typ, den jeder mag. Wenn Drew ein Gericht wäre, dann wäre er ein in Bierteig ausgebackener Kabeljau mit Kartoffelspalten. Ohne Gemüse.

      Da ich nicht weiß, ob der Empfang in der Hütte auch nur halbwegs vernünftig ist, muss ich mit meinem Bruder reden, solange ich noch kann.

      »Na, wie ist die Hütte?«, fragt mich Drew, bevor ich auch nur Hallo sagen kann. »Ist sie annehmbar?«

      »Wir sind noch nicht da.« Ich betrachte mich im Spiegel der Damentoilette und spitze die Lippen ein wenig. Vor Kurzem habe ich einen neuen Monica-Lippenstift von Dolce und Gabbana entdeckt, mit dem die Lippen angeblich »voller« aussehen sollen. Ich habe mich extra für den Farbton »Pretty Kiss« entschieden und somit keine Kosten und Mühen gescheut, damit meine Lippen zum Küssen verführen. Ich hoffe, Chase weiß das zu schätzen. »Es dauert noch mindestens eine Stunde.«

      »Wo bist du gerade?«

      »In der Toilette eines KFC.«

      »KFC!« Drew klingt genauso aufgeregt, wie ich mich beim Anblick des Restaurant-Schilds gefühlt habe. Unsere Eltern haben


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