Liebe, Eis und Schnee. Annabelle Costa
Chase ist der festen Überzeugung, dass KFC Mutantenhühner verarbeitet und wir hier deshalb nichts essen können.«
Drew lacht schallend. »Warum nur überrascht es mich nicht, dass Armani KFC nicht mag?«
Als Drew Chase zum ersten Mal getroffen hat, hat er ihn »Armani« getauft, weil … nun ja, weil Chase echt viel von Armani trägt. Chase hingegen war der Meinung, dass Drew ein Säufer und Playboy ist. In den ersten paar Monaten konnten sich die beiden auf den Tod nicht ausstehen. Doch im Lauf der Zeit sind sie miteinander warm geworden, und inzwischen schauen sie sich sogar manchmal ein Footballspiel zusammen an.
»Und tust du auch brav, was dein zukünftiger Ehemann will?«, fragt Drew.
Mein Bruder behauptet steif und fest, dass ich Chase heiraten werde. Er mochte keinen meiner früheren Freunde, aber Chase hat er inzwischen notgedrungen akzeptiert. Oh, und meine Eltern lieben Chase. Ihrer Meinung nach ist er der erste anständige Kerl in meiner Beziehungshistorie.
Es stimmt schon, dass Chase und ich theoretisch das perfekte Paar abgeben. Das liegt vor allem an ihm, denn er sieht immer perfekt aus. Aber darüber hinaus ist er auch noch steinreich. Das Unternehmen seiner Familie … Nun, ich will keine Namen nennen, aber ich wäre überrascht, wenn nicht in so ziemlich jedem Haushalt mindestens eins ihrer Produkte stehen würde. Die Firma hat ihren Sitz in Virginia, wo Chase auch aufgewachsen ist, ist aber weit über die Grenzen hinaus bekannt.
Allerdings ist seine Familie nicht so steinreich wie meine. Nur die wenigsten sind das.
Das, hat mir meine Mutter schon vor Jahren eingetrichtert, macht dich zur Zielscheibe, Natalie. Egal, mit welchem Jungen oder Mann ich ausgegangen bin, ich hatte immer dieselbe Frage im Hinterkopf: Mag er mich, oder hat er es auf mein Geld abgesehen? In der Regel hatten sie es auf mein Geld abgesehen. Zumindest wenn man meine Eltern fragt. Das allein wäre schon verletzend genug, aber das Schlimmste ist, dass sie damit auch noch meistens recht hatten.
Chase scheint es jedoch um mich als Mensch zu gehen, da er selbst mehr als genug Geld hat. Meine Familie ist fest davon überzeugt, dass er mir bald einen Antrag machen wird, und ich weiß genau, was ich ihrer Meinung nach antworten sollte. Das Problem an der Sache ist nur, dass ich mir nicht sicher bin, ob Chase mir die Frage aller Fragen stellen würde, weil er mich wirklich liebt. Er sagt immer, dass wir gut zueinanderpassen. In letzter Zeit frage ich mich aber, ob sein Vater ihn wohl zu einer Heirat mit mir drängt, weil die gut für die Geschäftsbeziehungen wäre.
Ich will keinen Mann heiraten, nur weil wir theoretisch gut zusammenpassen. Und auch nicht, weil das gut für das Familienunternehmen ist. Mag sein, dass ich da altmodisch bin, aber ich will aus Liebe heiraten.
Wenn ich nur wüsste, ob Chase mich wirklich liebt.
»Wenn Chase nicht will, dass ich was von KFC mitnehme, dann lasse ich es eben. Ganz egal, wie viel Lust ich drauf hab.«
»Weißt du, was echt lustig ist? Du bist eine renommierte Spitzenköchin, aber ich höre dir an, wie gerne du dich bei KFC vollfressen würdest.«
»Nur weil ich eine gute Köchin bin, muss ich kein kulinarischer Snob sein.«
Ich liebe Essen. Essen in jeglicher Form, von Fast Food bis hin zu Gourmet-Speisen. Meine Eltern wollten, dass ich Wirtschaft studiere, aber ich habe lieber eine Kochausbildung gemacht und damit alle vor den Kopf gestoßen. Und anschließend habe ich ein Catering-Unternehmen aufgebaut, das mittlerweile sehr erfolgreich ist. Manchmal kann ich gar nicht glauben, dass ich mit dem, was ich so sehr liebe, Geld verdiene. Aber verrückterweise habe ich trotz meiner kulinarischen Arbeit auf höchstem Niveau immer noch die gleichen Vorlieben wie als Kind.
Was ich damit sagen will? Ich liebe KFC. Und auch wenn ich köstliche selbst gemachte Makkaroni mit drei verschiedenen Käsesorten und leckerem Topping zubereiten kann, ist Mac and Cheese aus der Tüte immer noch ein Seelentröster für mich.
Es bedeutet auch, dass ich Sport treiben muss, damit ich weiterhin durch Türen passe – Chase dagegen trainiert, um seinen perfekt bemuskelten Körper in diesem Zustand zu erhalten. Ich bin von Natur aus unsportlich, aber es lohnt sich, jeden Tag acht Kilometer zu joggen, wenn ich dafür essen darf, was ich will.
»Ehrlich, Drew, ich hab irgendwie keine Lust auf diesen Trip. Vielleicht sollten wir einfach wieder nach Hause fahren.«
Er lacht. »Warum überrascht mich das nicht? Ich hab dir ja gleich gesagt, dass du in einer Hütte ohne Internet keine zwei Minuten durchhältst.«
Stirnrunzelnd betrachte ich mein Spiegelbild. Die Mascara um meine hellbraunen Augen ist etwas verklumpt – das sollte ich in Ordnung bringen, bevor ich wieder rausgehe. Meine blonden Haare sehen ganz gut aus – die Keratinbehandlung letzten Monat hat Wunder gewirkt. »Könnte ich schon. Ich will nur nicht.«
»Hey, erinnerst du dich an deinen Vorsatz fürs neue Jahr?«
In knapp einem Monat werde ich dreißig. Am ersten Januar habe ich den Vorsatz gefasst, vor meinem Geburtstag dreißig Dinge auszuprobieren, die ich noch nie zuvor getan habe. Bis zum siebten Januar habe ich beschlossen, dass zehn neue Dinge wahrscheinlich auch genug sind. Jetzt ist Mitte Februar, und ich wäre schon froh, wenn ich es schaffe, wenigstens eine neue Sache bis zu meinem Geburtstag auf die Reihe zu bekommen. Sieht so aus, als ob dieser Ausflug meine letzte Chance ist. Vor zwei Wochen hätte ich fast eine Durianfrucht gegessen. Der Straßenverkäufer beteuerte zwar, dass sie köstlich schmeckt, aber ich konnte den Geruch nach Kanalisation einfach nicht ausblenden.
Hier bin ich also und versuche zumindest eine neue Sache auszuprobieren, bevor ich dreißig werde.
Vielleicht sollte ich der Durianfrucht doch noch eine Chance geben.
»Genieß dein romantisches Wochenende mit Armani«, sagt Drew. »Er hat sicher was total Übertriebenes geplant.«
Wahrscheinlich hat Drew recht. Chase kann ein kleiner Snob sein, wenn es um Autos und Fast Food geht, aber mit romantischen Gesten kennt der Mann sich aus. Er hat mich auf der Spitze des Empire State Buildings geküsst. Er hat in seinem Apartment eine Spur aus Rosenblütenblättern gestreut, die zu einer von Kerzenlicht beschienenen Badewanne führte. In der Hütte wartet wahrscheinlich ein romantisches Abendessen auf uns, und dann werde ich froh sein, dass ich mich nicht mit KFC-Mutantenhühnchen vollgestopft habe.
Ich beende das Telefonat und frische mein Make-up auf, so gut es geht. Chase’ Attraktivität gibt mir immer das Gefühl, dass ich mehr für mein Äußeres tun muss. Ich will auf keinen Fall, dass die Leute sich fragen, was er an mir findet, wenn sie uns zusammen auf der Straße sehen.
Rasch bringe ich meine Wimperntusche in Ordnung, trage eine neue Schicht »Pretty Kiss« auf meine Lippen auf und bürste mir schnell die Haare (die, im Gegensatz zu seinen, durch etwas Hilfe meines Friseurs so blond sind). Ich überlege, ob ich sie hochstecken soll, aber Chase mag es, wenn ich sie offen trage, also lasse ich es.
Seit ich sechzehn bin, deuten meine Eltern immer wieder an, dass ich mich unters Messer eines Schönheitschirurgen legen sollte, weil ich laut meiner Mutter das »Rochester-Kinn« geerbt habe. Bisher habe ich mich jedoch geweigert. Ehrlich gesagt mag ich mein Kinn, und mich stört daran nichts. Dieses Kinn sehe ich im Spiegel, seit ich denken kann, und ich kann mir auch nicht vorstellen, wie es anders aussehen sollte. Ich wäre einfach nicht mehr ich. Nicht für Chase, nicht für meine Eltern noch sonst irgendjemanden lasse ich mein Kinn richten! Und ich werde mir auch bestimmt kein Botox spritzen lassen. Lieber Himmel, ich bin noch nicht mal dreißig!
Der Duft von frittiertem Hühnchen ist in der Zeit, in der ich auf dem Klo war, irgendwie intensiver geworden. Ich kann die goldenen, panierten Hühnerbeinchen im Geiste vor mir sehen, und ein Korb voller buttriger Biscuits ruft nach mir. Natalie, bitte iss uns! Du weißt, wie lecker wir sind!
Es ist vollkommen aussichtslos, das Restaurant ohne Essen zu verlassen. Ich bin jetzt hungrig, und es dauert noch mindestens eine Stunde, bis wir in der Hütte ankommen.
Ich nähere mich dem Mädchen an der Kasse und versuche, nicht auf ihren entzündeten Brauenring zu schauen. Ich überlege, was ich bestellen kann, ohne dass Chase etwas davon mitbekommt. »Kann ich