Speedy – Skizzen. Florian Havemann

Speedy – Skizzen - Florian Havemann


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und sagte, eines ihrer eigenen Modelle habe sie aber doch, das sie Speedy zeigen könne, das nämlich, das sie für sich selber entworfen habe. »Ich würde es gern sehen«, sagte Speedy und zur Antwort bekam sie, etwas verschämt, doch auch nicht ohne Stolz: »Ich trage es am Leibe.« Darauf Speedy, nun auch lachend: »Dann entblättern Sie sich doch für mich.« Und das tat sie dann, sich für Speedy zu entblättern, und sie verschwand dafür hinter einem Paravent, der ansonsten natürlich für ihre Kundinnen bestimmt war – vielleicht wollte sie den großen Auftritt, wer weiß. Vielleicht aber auch war ihr das einfach peinlich, andere dabei zusehen zu lassen, wie sie sich auszieht. Wie dem aus sei: was wir beide, Speedy und ich, denn ich war schließlich auch noch anwesend, da dann zu sehen bekamen, als sie hinter ihrem Paravent hervortrat, das war doch wirklich erstaunlich, ich jedenfalls hatte ein vergleichbares Korsett noch nie gesehen. Nicht so eins – ich versuche es mal zu beschreiben, dieses SpezialKorsett der Korsett-Spezialistin, aber, ich merke eben, daß ich dies noch gar nicht getan habe, ich muß auch sie etwas beschreiben, etwas näher charakterisieren: sie war eine Frau, die sicher schon auf die Fünfzig zuging, groß, hochgewachsen, eigentlich schlank, wenn da nicht dieser große Busen gewesen wäre, der so gar nicht zu ihrem sonstigen Körperbau passen wollte – ich weiß nicht, ob das der Grund war, warum sie diese weite, wallende Bluse trug, die ihre enorme Oberweite doch recht erfolgreich verdeckte, sie nur erahnen ließ. Aber sie trug auch einen Rock, der vom Stil her zu ihrer Bluse paßte, plissiert mit vielen Falten, lang und fast bis zu ihren Fußknöcheln reichend – beides, Rock und Bluse, die Bluse etwas dunkler als der Rock, übrigens in Violett, was nun überhaupt nicht meine Farbe ist, eine Farbe, die meist auch aus einem Bild vollkommen herausfällt. Aber Rock und Bluse hatte sie ja abgelegt, als sie mit ihrem Korsett allein am Leibe hinter dem Paravent hervortrat – doch, um hier, wo ich schon bei der Farbe bin, gleich auch die Farbe ihres Korsetts zu nennen: Weinrot war es, Purpur, und übrigens sehr gut zu ihrer bleichen Hautfarbe passend, die ich auf einem Bild von ihr dann nahezu weiß gemalt hätte. Aber ich war ja eigentlich bei ihren Brüsten, und diese Brüste, sie waren nicht nur groß, sehr groß sogar, sie hingen auch herunter, richtige Hängetitten waren das, schwer und voll, und bösartig ausgedrückt, hätte man sagen können, sie hingen ihr bis zum Bauchnabel herab – das bleibt natürlich nur eine Vermutung, denn ihr Bauchnabel war ja nicht zu sehen, war ja unter ihrem Korsett verborgen. Ihr enormer Vorbau aber nicht, und das war natürlich schon mal sehr erstaunlich, daß sie das Korsett nicht nutzte, ihre Titten zu heben und von zwei Körbchen tragen zu lassen, wie sie das im Barock, im Rokoko gemacht hätten. Nein, sie ließ sie hängen, ihre Hängetitten, ließ sie extra aus ihrem Korsett heraushängen, wie man vielleicht sagen könnte, denn ein Unterbrustkorsett war es ja nicht, sondern eines, bei dem der feste, glänzende Stoff bis direkt unter ihre Brüste geführt war und dort dann ihre beiden Rundungen nachformte. Und dieser Eindruck, daß sie aus ihrem Korsett heraushängen, diese schweren Hängetitten, er wurde ganz wesentlich dadurch verstärkt, daß da in der Mitte zwischen ihren Brüsten das Korsett in einem Steg bis zum Hals geführt war, den es dann auch noch in einem breiten Band umschloß – erstaunlich, erstaunlich, fast etwas monströs zu nennen. Und natürlich war das dann das erste, worauf sich der Blick fixierte, wenn man sie ansah: diese heraushängenden, aus dem Korsett wie herausquellenden Brüste, und sie wußte das natürlich, und sie berührte also ihre Brüste, ihre großen, schweren Hängetitten, hob sie etwas an und ließ sie dann wieder herabsinken, was nicht ohne eine gewisse Magie war. Und sie kommentierte das auch, diese Merkwürdigkeit und Eigenart ihrer eigenen Kreation, und ihr Kommentar war der, daß sie sagte: »Eine Frau soll zeigen, was sie hat, soll mit ihrem Pfund wuchern, und meines sind nun mal diese großen Hängetitten.« Und das war natürlich verblüffend und nahm mich sehr für sie ein, das muß ich sagen, daß sie ihre Hängetitten selber auch Hängetitten nannte. Ich bewundere das ja, wenn eine Frau zu einer realistischen Selbsteinschätzung fähig ist, wenn sie das, was als ihr körperlicher Makel gelten könnte, nicht mit irgendwelchen Tricks aus der Welt zu schaffen oder wenigstens zu verdecken sucht. Genau dies tat sie mit diesem Korsett nicht, sie tat das Entgegengesetzte: sie stellte ihre Hängetitten aus, sie ließ sie durch den Schnitt ihres Korsetts vielleicht sogar noch gewaltiger, noch monströser erscheinen – Chapeau, die Dame, ich ziehe den Hut, das gefällt mir, das ist Mut, der Mut einer Frau.

      Unten dagegen war es sehr weit heruntergeführt, ihr Korsett, soweit, daß es den Ansatz ihrer Beine bedeckte – ihrer Beine, auf die sie eigentlich hätte stolz sein können, so schlank, wie sie waren, schlank auch an den Oberschenkeln. Im Stehen jedenfalls, und wir sahen sie ja auch nur stehend, vor uns stehend, war von ihrem Geschlecht nichts zu sehen, und der Blick war dazu auch noch von etwas anderem gefesselt, von den insgesamt acht sehr breiten Strapsen, auf jeder Seite vier und es waren kurze Strapse, kurz wegen der Länge ihres Korsetts, und viel Fleisch und nackte Haut gab es da also nicht zu sehen zwischen dem Korsett und ihren Strümpfen, ihren übrigens schwarzen Strümpfen – auch zu den vielen Strapsen hatte sie einen Kommentar abzugeben und dieser Kommentar, er lautete in etwa so: »Ich liebe nun mal Strapse über alles, an ihnen die Strümpfe festzumachen, das ist jedes Mal erregend für mich.« Und da das für mich, für mich als Mann allerdings, doch genauso ist, so erregend, hörte ich dies natürlich von dieser Frau sehr gerne.

      Die eigentliche Sensation bei ihrem Korsett allerdings, das war die Taille – eine so enge, so schmale Taille hatte ich noch nie gesehen, und habe es auch danach nie wieder bei einer andern Frau, außer eben auf den Bildern aus der Zeit des Barock und mehr noch des Rokoko, aber da dachte ich doch immer, die Malerkollegen übertreiben’s ein bißchen und malen mehr das, wovon die Damen ihrer Epoche geträumt haben werden. Aber es gibt das wirklich, es ist wirklich möglich, eine Taille so eng zu schnüren, daß man das dann eine Wespentaille nennen kann – erstaunlich, aber wahr, und auch Speedy sagte mir im Nachhinein, daß sie so was eigentlich nicht für möglich gehalten habe. Und Speedy ging es mit dieser extrem schmalen Taille wie mir, daß sie nicht wußte, ob sie’s noch für reizvoll halten sollte oder als eine Monstrosität für sich werten – aber faszinierend war’s natürlich, hochgradig faszinierend sogar. Und Zeichen einer Konsequenz, die bei so einer Frau, einer früheren Verkäuferin, einer bloßen Geschäftsfrau, natürlich wegen ihrer Radikalität etwas Bewundernswertes hatte – darin waren wir uns einig, Speedy und ich. Pervers auf eine ganz besondere Art, und also mußte in diesem zusammengeschnürten Körper ein interessanter Geist wohnen, ein starker Geist auch, denn eine solche Taille, das konnte ja nur das Ergebnis jahrelanger Bemühungen darum sein, einfach mal so ein Korsett eng schnüren, das hätte es doch nicht gebracht. Und wahrscheinlich hatte es auf dem Wege dorthin einige, weniger taillierte Vorgängermodelle gegeben, sodaß da wirklich von einer wirklichen Leidenschaft, Korsett-Leidenschaft die Rede sein konnte – wie sie dies ja auch von sich behauptet hatte, nur war weder Speedy noch mir in dem Moment, als sie von dieser ihrer Leidenschaft sprach, klar, wie stark die war, wie weit die ins Extrem ging. Wir waren wirklich beide baff, Speedy und ich, und sie, die wir mit großen Augen anstarrten, wußte natürlich, was uns so baff machte. Sie drehte sich um und wie breit ihre Hüften wegen dieser schmalen Taille wirkten, das wurde bei der Rückenansicht noch einmal mehr deutlich. Und dann ihr Hintern: geradezu ausladend, voluptuös, und das Fleisch war weich, richtig was zum Reingreifen. Und faszinierend auch diese Schnüre des Korsetts, die sie viel länger gelassen hatte, als eigentlich nötig, die dann an ihrem Arsch herunterhingen, als wär’s ein Schwanz, ein Pferdeschwanz.

      Während sie mit dem Rücken zu uns stand, sagte sie: »Glauben Sie nicht, daß ich das allein schaffen würde, mich so eng zu schnüren – meine Näherin kommt jeden Tag am Morgen hier bei mir vorbei und macht das für mich.« Und da war sie also wieder: ihre Schneiderin – nun in einer anderen Funktion.

      Kapitel 64: Dialog zweier Frauen

      »Ich könnte auch für Sie was schneidern lassen, Sie sagen mir, was Sie sich vorstellen, und ich mache dann einen Entwurf – Sie haben doch einen aufregenden Körper.«

      »Sie haben mich doch noch gar nicht nackend gesehen.«

      »Wenn Sie in diesem Gewerbe arbeiten, dann kriegen Sie den Röntgenblick, der geht durch die Kleider durch. Glauben Sie nicht, daß das so teuer sein müßte. Sollten wir uns gut verstehen, dann muß es das nicht – wenn Sie verstehen, was ich meine.«

      »Wenn ich verstehe, was Sie


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