Der neue Sonnenwinkel Box 9 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Box 9 – Familienroman - Michaela Dornberg


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weiß, Mama, und ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, was ich davon halten soll. Er hat doch alles erreicht, was man im Leben erreichen kann. Warum tritt er nicht endlich kürzer und schreibt, wie ursprünglich mal geplant, seine Bücher? Er hat genug zu sagen. Ricky findet das überhaupt nicht gut, was ihr Vater da veranstaltet, und ich übrigens auch nicht. Doch lass uns von den Auerbachs aufhören, Mama. Jetzt bin ich hier, und ich möchte gern erfahren, wie es dir geht in deinem neuen Zuhause.«

      Rosmarie überlegte einen Augenblick, dann entschloss sie sich, ihrem Sohn nichts vorzumachen.

      »Fabian, so richtig angekommen bin ich noch nicht, es ist schon eine Umstellung. Andererseits lebt es sich bequemer, alles ist übersichtlicher, und die Nähe von den Menschen, die ich mag, ist nicht zu verachten. Hohenborn war halt städtischer, da konnte ich schnell mal eine Runde um die Häuser drehen, hier ist es ländlicher.«

      »Was sich ändern wird, wenn erst mal unterhalb der Felsenburg alles in Betrieb genommen wird. Dann wirst du der Stille nachweinen. Außerdem wartet Cecile schon ganz sehnsüchtig auf euch, sie kann es kaum erwarten, euch in die Arme schließen zu können …, am ehesten wohl dich«, fügte er hinzu.

      Fabian und seine Halbschwester verstanden sich sehr gut, und er hatte Cecile nicht umsonst zur Patentante von der kleinen Teresa gemacht.

      »Mit Papa, das wird schon noch«, bemerkte Rosmarie, die glaubte, ihren Mann in Schutz nehmen zu müssen.

      »Wie lange will Papa denn noch warten, auf ein Wunder hoffen?«, wollte Fabian wissen. »Es reicht nicht, für ein gutes finanzielles Leben zu sorgen, wie er es bei uns gemacht hat. Bei Cecile wäre es eh nicht nötig, denn die besitzt viel mehr Geld als die Rückerts. Sie wartet so sehr darauf, von Papa Liebe zu bekommen, keine Geschenke, die sie sich locker selber kaufen kann«, er machte eine kleine Pause, fügte leise hinzu, »darauf warten wir alle.«

      »Fabian, zu warten, das ist nicht immer die richtige Entscheidung. Manchmal muss man von sich aus auf einen Menschen zugehen, wer könnte das besser sagen als ich. Ich habe mich getraut, und jetzt sind wir auf einem so guten Weg, haben das entdeckt, was wir wirklich füreinander empfinden und was vorher unter einem Berg von Schweigen, von Missverständnissen, von Sprachlosigkeit verborgen war.«

      Nach diesen Worten war es zuerst einmal still zwischen Mutter und Sohn, dann sagte Fabian leise: »Mama, weiß Papa eigentlich, was für eine großartige Fürsprecherin er in dir hat?«

      Rosmarie errötete, Komplimente aus dem Mund ihres Sohnes waren immer noch neu für sie, denn das, was sie gerade aufgezählt hatte, galt nicht nur für sie und Heinz, sondern auch für sie und die Kinder.

      »Fabian, bitte, mach einen Schritt auf Papa zu. Ich glaube, er wartet darauf, dass sich das Verhältnis zwischen euch verbessert, so wie es sich zwischen uns so sehr verändert hat …, was mich sehr glücklich macht.«

      »Mama, ich bin auch froh, dass wir auf einem so guten Weg sind, und nun ja, meinetwegen, ich kann ja mal am Sonntag anfangen zu versuchen, Papa zu verstehen.«

      Das kommentierte Rosmarie jetzt nicht, denn sie fand, es war genug über sie und Heinz gesprochen worden. Jetzt wollte sie endlich etwas über ihre Enkelkinder hören, denn auch hier war sie auf dem Weg, eine gute Großmutter zu werden.

      Das ließ Fabian sich nicht zweimal sagen, denn nicht nur Ricky war seine Welt, seine so süßen Rangen waren es ebenfalls, und zu erzählen gab es bei den Kindern eine ganze Menge, weil da immerzu etwas passierte.

      Die Sonne schien ins Zimmer, sie genossen Kaffee und Kuchen, und das in einer gemütlichen Umgebung. Und sie und Fabian verstanden sich gut. Es wuchs eine Nähe zwischen ihnen, die Rosmarie sich immer erhofft, an die sie aber niemals geglaubt hatte. Und nun …

      Es war unausweichlich, dass sie auch an Stella dachte, an die Enkelkinder, die sie im fernen Brasilien hatte und über die sie nichts mehr erfuhr, über allem lag Schweigen.

      Rosmarie hätte von sich aus nicht damit angefangen, doch als Fabian ihr alle Fotos auf seinem Smartphone gezeigt hatte, rückte er näher an seine Mutter heran, nahm sie in die Arme und sagte: »Mama, gräm dich jetzt nicht. Irgendwann wird Stella zur Besinnung kommen.«

      Rosmarie schaute ihren Sohn an, der lächelte leicht. »Mama, so gut kenne ich doch, um zu bemerken, dass dir automatisch Stella und ihre Kinder einfallen müssen. Ich weiß nicht, was sich augenblicklich in deren Kopf abspielt, ob dieser andere Mann sie so sehr beeinflusst. Wir hören ebenfalls nichts mehr von ihr, sie hat den Kontakt komplett abgebrochen. Ricky hat immer wieder versucht, ihn doch irgendwie aufrechtzuerhalten, bis auch sie es eingesehen hat, dass man niemandem etwas aufzwingen kann. Mama, mach dir bitte keine Vorwürfe, es hat nichts mit dir und Papa zu tun. Stella und ich waren immer ein Herz und eine Seele, wir vertrauten einander, haben über alles gesprochen, warum auch immer, wir müssen akzeptieren, dass sie ein neues Leben ohne uns führen will.«

      Rosmarie hatte Tränen in den Augen, als sie ein leises, kaum vernehmbares »Danke, Fabian«, stammelte.

      Fabian schaute seine Mutter an. »Mama, du musst doch jetzt nicht weinen. Ich bin auf jeden Fall sehr froh, dass wir auf einem so guten Weg sind, und ich kann es nur noch einmal wiederholen, ich werde es vermutlich immer wieder tun, dass die beste Entscheidung war, hierher zu ziehen, auf dieses herrliche Fleckchen Erde. Wo sind eigentlich Beauty und Missie?«, lenkte er ab.

      »Die sind mit Meta unterwegs, den See zu erkunden.«

      »Siehst du, für die beiden ist es ebenfalls viel schöner, um den See zu laufen, statt sich immer auf dem Hundespielplatz in Hohenborn zu tummeln. Wenn sie sprechen könnten, dann würden sie es dir sagen, Mama.«

      Rosmaries Stimmung besserte sich sofort wieder, Gespräche wie diese wären früher undenkbar gewesen. Jetzt durfte sie nicht mehr herumjammern, sondern sie musste nach vorne blicken, und mit Heinz …

      Da würde sich ebenfalls eine Lösung finden.

      *

      Pia im Doktorhaus, das war eine vollkommen neue Situation, und Alma war schon bewusst, dass sie nicht wie eine Glucke ständig um Pia herum sein durfte, sondern dass sie das Mädchen erst einmal ankommen lassen musste.

      Und so beachtete sie Pia nicht wieder fortwährend, sondern ließ sie erst einmal allein, um das zu tun, was sie längst hätte tun wollen, nämlich mit Brot und Salz, wie es sich gehörte, zum Rückertschen Haus zu gehen, aber nicht, um beides Rosmarie Rückert zu übergeben, sondern Meta. Die war schließlich ebenfalls in den Sonnenwinkel gezogen, hatte eine eigene Wohnung. Und sie fand Meta sehr sympathisch und freute sich schon darauf, die näher kennenzulernen. Sie waren sich während der Umbauphase einige Male begegnet, auch beim Umzug, bei dem sie alle geholfen hatten, sie auch, und das, weil sie auch Rosmarie Rückert mochte, besonders, weil die sich so für den Tierschutz einsetzte, der ihr ebenfalls am Herzen lag.

      Auf einem Flohmarkt hatte Alma einmal einen wunderschönen alten Holzteller erworben, auch den legte sie ein Leinentuch und darauf, wie konnte es anders sein, eines von den köstlichen und sehr bekannten Mühlenbroten und eine Packung eines besonderen Salzes.

      Alma mochte diese schöne alte Tradition, und sie war sehr froh darüber, dass sie im Sonnenwinkel noch gepflegt wurde. In Großstädten oder anderswo kannten die Nachbarn einander kaum noch, und dann geschahen halt solch gruseligen Geschichten, dass einsame Menschen tot in ihren Wohnungen entdeckt wurden, von niemandem vermisst, man war nur durch den unangenehmen Geruch irritiert worden. Das kam hier nicht vor. Es kannte zwar nicht jeder jeden persönlich, aber man grüßte sich, und wenn es sich ergab, wechselte man hier und da auch ein Wort miteinander.

      Lange wollte Alma nicht wegbleiben, und sie lief ziemlich schnell zum Haus der Rückerts und drückte, dort angekommen, energisch auf den Klingelknopf.

      Meta öffnete, sah, was Alma in der Hand hatte und sagte sofort: »Frau Rückert ist nicht daheim.«

      Alma lächelte.

      »Zu der möchte ich auch nicht, Meta. Ich will zu dir, um dich im Sonnenwinkel willkommen zu heißen. Und wenn du hier nur annähernd so glücklich wirst, wie ich es bin, dann ist das so etwas wie ein Hauptgewinn


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