Der neue Sonnenwinkel Box 9 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Box 9 – Familienroman - Michaela Dornberg


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einfach vorbeikommen, wenigstens anrufen hättest du mich können.«

      Doris begann zu lachen.

      »Mama, ich bitte dich. Was soll das denn? Du bist nicht die Queen Elizabeth, bei der man um eine Audienz bitten muss. Du hast doch eh nichts zu tun.«

      So sah ihre Tochter sie? Das war mehr als bitter.

      »Doris, das hat sich geändert, und jetzt bin ich auf dem Weg nach Hohenborn, wenn du magst, kannst du mich begleiten. Wir können den Bus nehmen, oder wir fahren mit deinem Auto.«

      »Mama, hör mit den Unsinn auf«, Doris schob sich einfach an ihrer Mutter vorbei und lief ins Wohnzimmer, und Hulda hatte keine andere Wahl, als ihrer Tochter zu folgen.

      Doris setzte sich, nachdem sie sich vorher ein Glas aus dem Schrank geholt hatte und nach der Flasche Wasser griff, die angebrochen auf dem Tisch stand.

      »Mama, ich will dich nicht lange aufhalten. Ich brauche deine Hilfe.«

      Ja klar, weswegen hätte Doris sonst auch kommen sollen?

      Hulda sagte nichts, und Doris wiederholte ihren Satz, dem sie hinzufügte: »Ich muss bei einer Investition nachschießen, ehe sie den Bach runtergeht.«

      Solche oder ähnliche Sätze kannte Hulda zur Genüge. Was trieb Doris da eigentlich? Sie hatte viel Geld von ihr bekommen, und der Verkauf des Hauses hatte ein Vermögen gebracht. »Über welche Summe reden wir?«

      Doris trank etwas, stellte das Glas ab.

      »Nicht viel, bloß um fünfzigtausend Euro.«

      Hulda blickte ihre Tochter entsetzt an, sie glaubte, sich verhört zu haben.

      »Fünfzigtausend Euro«, wiederholte sie, »und was glaubst du, wo ich die herholen soll? Aus einer Schublade? Oder glaubst du, ich habe Geld unter dem Kopfkissen versteckt?«

      »Nein, aber du hast da noch ein paar Fonds, Aktien und sonstiges in petto.«

      »Ja, Doris, und da werde ich nicht drangehen. In meinem Alter kann man nicht einfach zur Bank gehen und sein Konto überziehen, und einen Kredit bekommt man schon überhaupt nicht.«

      »Mein Gott, Mama, du mit deinem Sicherheitsdenken. Dir kann doch überhaupt nichts passieren, du bekommst eine ordentliche Rente, und Achim wird dich schon nicht vor die Tür setzen, wenn du die Miete nicht mehr bezahlen kannst, wenn er dir überhaupt etwas abnimmt. Und das ewige Leben hast du auch nicht, warum also willst du das Geld bunkern? Was da ist, bekomme ich ja schließlich doch. Und das kann ich jetzt brauchen. Also, Mama, wie machen wir es?«

      Wäre Doris eine Fremde, würde sie der jetzt die Tür weisen, ein paar entsprechende Worte sagen.

      Augenblicklich war Hulda zu überhaupt nichts in der Lage, etwas zu sagen. Er wurde wieder einmal bewusst, dass sie für ihre Tochter nichts weiter war als eine Gelddruckmaschine, die fortwährend Geld druckte.

      So von dem einzigen Kind gesehen zu werden, für das man alles getan hatte, war grauenvoll. Hulda konnte kaum atmen, weil ein großer Schmerz sie beinahe zerriss. Ihre Gedanken kreisten, ohne dass sie zu einem Ergebnis kam, als Doris ihre Frage wiederholte und hinzufügte: »Mama, ich habe nicht alle Zeit der Welt, ich muss wieder weg«, richtete Hulda sich auf und sagte klar, aber mit ­einer sehr zitternden Stimme: »Doris, wir machen überhaupt nichts.«

      Doris starrte ihre Mutter an. Hatte sie die jetzt richtig verstanden?

      »Mama, das soll jetzt wohl ein Witz sein, wenn du mir Angst machen willst, meinetwegen, du hast mir einen Schreck eingejagt. Und jetzt wieder zum Geld.«

      Hulda schluckte. Ihr war ganz elend zumute, doch sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, sie konnte nicht immer nachgeben, so viel Geld hatte sie überhaupt nicht mehr, und sie half Doris damit auch nicht.

      »Doris, es tut mir leid, aber ich kann und will dir nichts geben. Als ich dir alles gegeben und überschrieben hatte, warst du eine reiche Frau, und wenn du immer wieder ankommst, um neues Geld zu verlangen, dann machst du etwas falsch, da kann etwas nicht stimmen. Und das kann ich nicht unterstützen.«

      Doris wurde hysterisch, begann Hulda zu beschimpfen.

      »Bist du verrückt? Hör auf mit diesen Spielchen, irgendwann ist es eh mein Geld. Dann kannst du es mir sofort geben.«

      Hulda beherrschte sich nur mühsam.

      »Irrtum, Doris, alles, was du bekommen hast, ist notariell festgelegt und unterschrieben. Dir steht nichts mehr zu, und mit dem mir verbliebenen Rest kann ich tun und lassen, was ich will.«

      Doris sprang auf, das Glas fiel um, das Wasser breitete sich auf dem Tisch aus. Das störte Doris nicht.

      »Das wirst du bereuen«, sagte sie, »erwarte jetzt nicht, dass ich mich weiter um dich kümmere.«

      Wäre es nicht so unglaublich, dann hätte Hulda jetzt lachen können.

      »Doris, wann hast du dich denn schon mal um mich gekümmert? Wann hast du mir zum Geburtstag gratuliert? Ja, früher, da war es anders, doch das war nicht dein Verdienst, da hat Achim sich um alles gekümmert. Und das tut er noch immer. Und Doris, wenn du es von Geld abhängig machst, ob du mich sehen willst oder nicht, da kann ich verzichten. Ich möchte mir deine Besuche nicht erkaufen, von Liebe will ich überhaupt nicht reden. Ich glaube, du weißt nicht mal, was das ist.«

      »Diese sentimentale Art mochte Papa schon nicht.«

      Und das konnte Hulda nur bestätigen, und leider kam Doris ganz auf ihren Vater.

      Sie versuchte es noch einmal, Hulda blieb stur, da rannte Doris aus dem Haus, wütend, türschlagend.

      Wie aus einem bösen Traum erwachend stand Hulda auf, holte ein Tuch, wischte automatisch das Wasser weg, dann ließ sie sich erneut auf den Stuhl sinken.

      Zweifel tauchten in ihr auf.

      Hätte sie Doris doch das Geld geben sollen?

      Nein!

      Doris würde immer wieder kommen, bis der letzte Cent bei ihr gelandet war. Und wenn sie wirklich mit dem ganzen Geld zockte, dann war es auf jeden Fall besser, den Rest als Notgroschen zu behalten. Wer weiß, wofür es gut war.

      Irgendwann stand Hulda auf, müde, erschöpft, und dann begann sie, sich wieder umzuziehen. Nach Hohenborn würde sie jetzt nicht mehr fahren. Die Lust wer ihr gründlich vergangen. Sie begann zu weinen, und über ihr ganzes Elend konnten sie auch nicht die Gedanken hinwegtrösten, dass es in ihrem Leben auch noch Achim, Claire und ihre neuen Freunde gab.

      Warum war Doris bloß so anders?

      Und warum war sie so gierig?

      Sie wusste es nicht, eigentlich war Doris schon immer so gewesen, sie hatte sich berechnend an ihren Vater herangemacht, doch in einem war Hulda sich sicher. Ihr Mann würde sich im Grab herumdrehen, wenn er wüsste, was Doris ihr schon alles abgeschwatzt hatte. So weit war seine Liebe dann doch nicht gegangen.

      *

      Sophia von Bergen hatte das Klingeln an der Haustür gehört, doch ehe sie aufgestanden war, hatte Angela bereits geöffnet. Sophia hörte Stimmen, doch es interessierte sie nicht, wer da draußen stand.

      Wären es Teresa oder Inge gewesen, mittlerweile auch Rosmarie, dann wären die längst bei ihr im Wohnzimmer.

      Aber es dauerte ziemlich lange. Mit wem redete Angela da? Hoffentlich war es niemand, der ihr einen Versicherungsvertrag oder ein Zeitungsabo andrehen wollte, diese Leute konnten manchmal nerven. Sie musste sich keine Sorgen machen, Angela würde nicht schwach werden.

      Endlich kam sie ins Wohnzimmer, strahlte.

      Jetzt wurde Sophia neugierig.

      Angela schwenkte einen braunen Umschlag hin und her und erkundigte sich bestens gelaunt: »Mama, was glaubst du wohl, was ich hier habe?«

      »Du wirst es mir sagen, mein Kind.«

      Angela setzte sich neben ihre Mutter, legte den Umschlag auf den


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