Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda

Sophienlust Staffel 14 – Familienroman - Elisabeth Swoboda


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gab seiner Mutti einen schallenden Abschiedskuss, während sich sein großer Bruder Nick mit einem burschikosen »Bye-bye« begnügte. Nick war in jenem Alter, da Buben ihre Mütter zwar genauso lieben wie seit eh und je, es aber nur dann zeigen, wenn sie mit ihnen allein sind.

      Draußen holten die beiden ihre Räder aus der Garage und schwangen sich voll jugendlichem Elan darauf. Denise sah ihnen nach, bis sie verschwunden waren. Dann ging sie ins Esszimmer zurück.

      Alexander saß noch am Frühstückstisch. Er hatte sich bequem zurückgelehnt und die Zeitung auseinandergefaltet.

      »Norbert Hellbach hatte einen großartigen Erfolg in München«, berichtete er, ohne von der Zeitung aufzusehen. »Man bietet ihm Traumgagen, will ihn an die New Yorker Oper verpflichten.«

      Martha, die gerade den Tisch abräumte, ließ beinahe eine Tasse fallen. »Alles auf Kosten des Kindes«, murrte sie halblaut. »Ich habe ja gleich gesagt, dass sie den kleinen Uwe nur loswerden wollten. Er war ihnen eine Last. Dabei ist er ein so herziger Bub. Aber sie werden es eines Tages bereuen. Man schiebt nicht ungestraft ein Kind ab. Was soll nun aus ihm werden?«

      »In Sophienlust hat er alles, was er braucht. Er fühlt sich sogar sehr wohl dort. Er lacht und ist quietschvergnügt. Gestern zum Beispiel hat er einwandfrei die Melodie eines englischen Schlagers nachgesummt, den er im Radio gehört hat. Unsere Großen waren ganz begeistert von Uwes musikalischem Talent.«

      »Natürlich hat er alles – aber leider keine Eltern.« Martha baute sich vor Alexander von Schoenecker auf, stemmte die drallen Arme in die Seite und sah den Gutsherrn herausfordernd an. »Ich habe Ihnen ja erst kürzlich meine Meinung gesagt, Herr von Schoenecker. Ich an Ihrer Stelle würde mir die Sache überlegen. Uwe ist ein intelligenter kleiner Kerl. Wir würden viel Freude an ihm haben.«

      »Das bezweifle ich keinen Augenblick. Aber da gibt es rechtliche Dinge, über die wir uns auf keinen Fall hinwegsetzen können.«

      »Den Eltern, die ihr Kind so herzlos weggeben, müssten alle Rechte sofort entzogen werden«, schimpfte Martha aufgebracht. Mit dem gefüllten Geschirrtablett verließ sie das Esszimmer.

      »Na, was meinst du?«, wandte sich Alexander an seine Frau. »Wie ich dich kenne, unterstützt du natürlich Marthas Ansicht. Du kannst doch nie genug Kinder um dich haben. Und wie ich feststellen konnte, hängt Uwe bereits sehr an dir.«

      Schmunzelnd erinnerte sich Alexander an eine Szene, die er in den letzten Tagen beobachtet hatte. Er war zufällig nach Sophienlust gekommen, als der kleine Uwe zu Bett gebracht worden war. Der kleine Kerl hatte absolut von Denise schlafengelegt werden wollen, obwohl sich Schwester Regine liebevoll um ihn gekümmert hatte. Er hatte mit seinen kurzen Ärmchen Denises Hals umklammert und sein Gesichtchen schmeichelnd an ihre Wange geschmiegt. »Tante Isi mitkommen!«, hatte er so drollig gebettelt, dass kaum jemand der Bitte hätte widerstehen können. Am wenigsten Denise. Sie hatte Uwe in sein Zimmer getragen und ihn zu Bett gebracht. Dankbar hatte der kleine Junge sie angestrahlt, als sie schließlich noch ein Schlafliedchen für ihn gesungen hatte.

      Es war ein wunderschönes Bild gewesen, das Alexander durch den Türspalt gesehen hatte. Ein Bild, das er wohl nie vergessen würde.

      »Es stimmt, dass ich Uwe sehr gern mag. Er ist ein besonders liebes, anhängliches Kind. Aber ich kann doch nicht vergessen, dass der Kleine Eltern hat, obwohl man glauben könnte, dass sie ihn vergessen haben.«

      »Haben sie sich denn einmal nach dem Kind erkundigt? Haben sie es besucht?« Alexander sah seine Frau ernst an.

      »Nein«, gab Denise resignierend zu. »Sie haben in all diesen Wochen nichts von sich hören lassen.«

      »Da sich die Hellbachs in Deutschland aufhalten, hätten sie doch wenigstens anrufen können. Normalerweise würden gute Eltern das tun. Oder irre ich mich da?«

      »Natürlich nicht.« Denise seufzte. »Ich verstehe diese Interesselosigkeit ja selbst nicht.«

      »Wahrscheinlich hat Martha doch recht, wenn sie behauptet, dass die Hellbachs ihren Jungen ganz einfach abgeschoben haben. Der Erfolg ist ihnen in den Kopf gestiegen.«

      »Ich kenne Norbert Hellbach nicht und kann deshalb nicht beurteilen, was für ein Mensch er ist.«

      »Nach dem Bild in der Zeitung zu schließen ein recht sympathischer junger Mann«, meinte Alexander.

      »Inge Hellbach jedenfalls hat ihr Kind nicht vergessen«, behauptete Denise voll Überzeugung.

      »Die Tatsachen sprechen dagegen«, widersprach ihr Mann sanft.

      »Ich weiß. Trotzdem werde ich den Verdacht nicht los, dass die Mutter sich nur unter Zwang von Uwe getrennt hat. Eines Tages wird sie kommen und ihn zurückholen.«

      »Und wenn du dich täuschst? Wenn Uwe doch ein Heimkind bleibt? Wäre es da nicht vernünftiger, sich mit Marthas Vorschlag zu befassen? Würde es dir nicht Spaß machen, wieder ein Kleinkind zu haben?«

      Alexander stand auf, trat nahe zu seiner Frau. Liebevoll sah er ihr in die Augen.

      »Wenn Uwe ein Waisenkind wäre, würde ich jubelnd zustimmen, denn ich habe ihn tatsächlich sehr gern. Aber so, wie die Sache jetzt ist, müssen wir auf jeden Fall abwarten. Sobald sich die Hellbachs melden, werden wir mehr wissen.«

      »Und wenn sie sich nicht melden?«

      »Wir wollen uns keine Hoffnungen machen.« Denise lehnte sich an Alexanders breite Brust. »Wir wollen zufrieden sein.«

      »Wie klug du bist.« Alexander streichelte Denises zarte Wangen. In einer plötzlichen Aufwallung von Zärtlichkeit zog er sie eng an sich und küsste sie.

      *

      »Was habe ich dir vorgespielt?«

      Inge Hellbach, die in einem mächtigen Ledersessel in der Nähe des Flügels saß, fuhr erschrocken zusammen. »Es …, es war wunderschön«, stammelte sie verwirrt, konnte aber nicht verhindern, dass dabei eine zarte Röte in ihr bleiches Gesicht stieg.

      »Du hast überhaupt nicht zugehört«, erwiderte Norbert gefährlich leise. Nichts konnte ihn so sehr kränken wie die Missachtung seiner Musik. »Andere kommen von weither, um mich und mein Orchester zu hören, und bezahlen Phantasiepreise für die Karten zu meinen Konzerten. Und du? Ich spiele nun länger als eine Stunde für dich ganz allein, aber du hörst es nicht einmal. Ich habe dich genau beobachtet. Du warst mit deinen Gedanken weit weg.« Seine Stimme klang drohend.

      Inge wies auf das riesige Fenster des Appartements, das ihr Mann in Garmisch gemietet hatte. Weit dehnten sich unterhalb des modernen Hauses die Wiesen aus. Weit ging der Blick ins Tal und hinüber zu den mächtigen Bergen.

      »Es ist ein so zauberhaftes Bild, dass ich einfach zum Träumen verleitet wurde. Die Wiesen, die Wälder, der Bach, der Ort und darüber die Berge. Ich glaube, es kann kein schöneres Fleckchen auf dieser Erde geben.«

      »Du lügst!« Norbert sprang so heftig auf, dass der Klavierstuhl nach hinten umschlug. »Du hast wieder an ihn gedacht. Gib es doch zu!« Mit einem einzigen langen Schritt war er bei seiner Frau, packte sie brutal an den Oberarmen und schüttelte sie zornig hin und her.

      Inges Kopf flog vor und zurück. Ja, sie hatte an ihren kleinen Sohn gedacht, aber das würde sie nicht zugeben. Sie musste sich damit abfinden, dass der Mann, den sie liebte, sie nicht verstand. Er leugnete, dass zwischen einer Mutter und ihrem Kind eine enge Bindung bestand. Er wollte Uwe behandeln wie einen Gegenstand, den er gekauft hatte und der ihm plötzlich nicht mehr gefiel. Er begriff nicht, dass das Kind für sie niemals eine leblose Ware sein würde, von der sie sich einfach trennte, wenn er es verlangte. Mutterliebe existierte für ihn nicht. Und da er trotzdem immer wieder damit konfrontiert wurde, suchte er kurzerhand nach einer anderen Erklärung für ihr Empfinden. Er quälte sie mit dem Vorwurf, sich in Uwes Vater verliebt zu haben.

      »Ich habe überlegt, ob wir vielleicht einmal einen Ausflug zur Zugspitze machen sollten«, flüsterte Inge und machte sich so steif wie möglich. Doch das nutzte ihr nicht viel. Norberts Griff wurde nur noch schmerzhafter.

      »Du


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