Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda

Sophienlust Staffel 14 – Familienroman - Elisabeth Swoboda


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Es kam oft vor, dass die größeren Kinder von Sophienlust allein kleine Ausflüge machten. Es war dabei noch nie etwas passiert. Die Kinder kannten sich gut aus, waren mit den Gefahren der Natur vertraut. Man konnte unbesorgt sein. »Das würde den Kleinen auch Spaß machen. Nehmt sie doch mit.«

      Das passte nun Nick wieder nicht. Doch er hütete sich, das verlauten zu lassen. »Na gut. Aber dann brauchen wir länger, bis wir wieder zurück sind.«

      »Das ist nicht schlimm. Das Wetter ist ja heute so schön.« Frau Rennert nickte zufrieden.

      »Okay!« Nick lief zu seinen Kameraden zurück. »Alle Hausaufgaben fertig?«, rief er.

      »Ja!«, schallte es laut von allen Seiten.

      Wenig später rannten die Kinder von Sophienlust über die frühlingsfrischen Wiesen. Ab und zu blieben sie stehen, um besonders schöne Blumen zu pflücken. Nur Nick sah die zarten Frühlingsboten überhaupt nicht. Er blickte stur zu Boden, inspizierte argwöhnisch jeden Strauch, jede Hecke. Doch nirgends war die Spur eines kleinen Mädchens zu entdecken. Alles war wie immer.

      Pünktchen führte den Bernhardiner Barri an der Leine. Das schöne Tier, das Kinder besonders liebte, lief schwanzwedelnd neben dem Mädchen her.

      »Such, Barri, such!«, ermunterte Pünktchen den Vierbeiner immer wieder.

      »So ’n Quatsch«, maulte Angelika, »was soll Barri denn suchen?«

      »Weiß ich ja selbst nicht. Nick meint, man könnte vielleicht eine Haarschleife oder eine Spange oder ein Taschentuch finden.«

      »So dumm kann nur ein Junge sein.« Angelika tippte sich unmissverständlich an die Stirn. »Kennst du ein Mädchen, das Haarschleifen trägt? Das ist doch wirklich altmodisch.«

      Pünktchen zog die Schultern hoch. »Kann ja sein. Trotzdem suchen wir.«

      »Aber wir finden nichts. Das weiß ich jetzt schon.« Angelika blieb stehen, um ihren Blumenstrauß zu vergrößern.

      Irmela führte den kleinen Uwe an der Hand. An ihrer anderen Seite ging Heidi, ein hübsches kleines Mädchen mit blonden Rattenschwänzchen und großen blauen Augen.

      »Macht doch nicht so schnell. Wir kommen ja nicht mit«, bat Irmela.

      Nick blieb stehen, wandte sich um. »Wenn Uwe müde ist, trage ich ihn«, erbot er sich.

      »Darf ich auch auf deinen Schultern reiten?«, erkundigte sich die kleine Heidi und streckte verlangend die Händchen hoch.

      »Warum nicht?« Bereitwillig ließ Nick die Kleine aufsteigen.

      Suchend trabte die lustige Schar über die Wiesen, näherte sich immer mehr dem Ortsrand von Bachenau.

      »Schau nur die vielen Blümchen!« Heidi deutete auf den Rand eines munter plätschernden Bächleins und zappelte aus Leibeskräften.

      »Die möchtest du natürlich pflücken.« Nick ließ die Kleine von ihrem luftigen Sitz gleiten und stellte sie ins Gras.

      Auch Uwe riss sich von Irmelas Hand los und rannte zum Bach. Er bückte sich und patschte mit seinen noch etwas ungeschickten Händchen ins Wasser, sodass es hoch aufspritzte.

      »Pass auf, dass du nicht hineinfällst«, mahnte Nick besorgt. Das Wasser des Bächleins war zwar kaum zwanzig Zentimeter tief, dafür aber eiskalt.

      »Nick, Nick!«, kreischte der Kleine plötzlich aufgeregt. Er legte sich flach aufs Bäuchlein und zog zwischen den Steinen einen kleinen bunten Gegenstand hervor.

      »Was hast du denn?« Der große Junge kniete sich neben Uwe ins Gras. Stirnrunzelnd nahm er dem Kleinen eine klatschnasse Stoffpuppe ab. »Muss schon eine Weile im Wasser liegen«, meinte er, während er das glitschige Ding nach allen Seiten drehte.

      »Glaubst du, sie hat dem kleinen Mädchen gehört, das verschwunden ist?« Sofort war Pünktchen an der Seite ihres Freundes. Ihre blauen Kinderaugen glänzten lebhaft.

      »Woher soll ich das wissen?« Nick wiegte nachdenklich den Kopf hin und her.

      »Auf jeden Fall kann man es feststellen. Es ist selbstgenäht, das Püppchen.« Pünktchen nahm den Fund, der kaum größer war als eine ausgestreckte Hand, hoch. Die übrigen Kinder bildeten einen Halbkreis um sie und neigten sich neugierig vor.

      »Kann ja jemand hier verloren haben.« Irmela legte den Kopf schief und beobachtete aufmerksam die kleine Heidi, die am Rand des Bächleins Blumen suchte.

      »Kann aber auch angeschwemmt worden sein. Vor einigen Tagen hat es sehr geregnet. Da führte der kleine Bach ordentlich Wasser.« Nick untersuchte das Püppchen eingehend. Es trug ein buntes Kleid, Strümpfe und einen Schuh aus Filz.

      »Du glaubst, dass die Puppe im Dorf ins Wasser gefallen ist?« Angelika drängte sich nun vor.

      »Möglich.« Unschlüssig zuckte Nick die Schultern.

      »Ich würde sie zu Polizeimeister Kirsch bringen«, schlug Fabian vor.

      »Ach, der weiß doch auch nichts«, mischte sich Vicky ein.

      »Aber er kann die Eltern fragen. Derjenige, der das Püppchen genäht hat, erkennt es ganz bestimmt wieder.« Pünktchen sah triumphierend zu Nick auf.

      »Glaubst du, dass Herr Kirsch dann etwas damit anfangen kann? Dass er das kleine Mädchen dann findet?«

      »Ich weiß nicht. Eine große Hilfe ist es bestimmt nicht.« Nick überließ dem kleinen Uwe den Fund. Der Kleine hatte schon mehrmals bittend die Händchen zusammengeschlagen.

      Barri, der jetzt nicht mehr beachtet wurde, setzte sich ans Wasser und hielt nach Forellen Ausschau. Jedes Mal, wenn einer der flinken Fische vorüberhuschte, stieß er ein langgezogenes Jaulen aus. Nur zu gut wusste er, dass er diese Leckerbissen nie erwischen würde. Trotzdem wurde er nicht müde, sie zu beobachten.

      »Glaubst du, wir bekommen eine Belohnung, wenn wir mithelfen, die Kleine zu finden?«, tuschelte Fabian einem rothaarigen, pausbäckigen Jungen ins Ohr.

      Dieser klopfte sich voll Stolz an die Brust. »Zumindest kommen wir in die Zeitung. Was glaubst du, wie die anderen in der Schule staunen werden!«

      »Freut euch nur nicht zu früh«, mahnte Irmela, die das Gespräch belauscht hatte. »Zunächst steht noch gar nicht fest, ob dieses Püppchen überhaupt etwas mit dem Fall zu tun hat, und außerdem hat Uwe es gefunden.«

      »Ich glaube, ich laufe rasch zum Polizeirevier hinüber. Wenn ihr langsam zurückgeht, hole ich euch wieder ein.« Vorsichtig nahm Nick dem kleinen Uwe das Spielzeug ab.

      Der Kleine gab es nur ungern her. Doch als Pünktchen ihm einen großen krabbelnden Käfer auf die Hand setzte, ließ er sich sofort ablenken. Kichernd ließ er das dunkle Tierchen über seine Finger spazieren.

      Wieder einmal war Uwe Mittelpunkt. Und keines der Kinder machte ihm dieses Vorrecht streitig. Denn alle hatten den drolligen kleinen Kerl gern.

      *

      Die dunklen Augen Norbert Hellbachs flackerten unruhig. Auf seinen sonst so bleichen Wangen brannte eine hektische Röte. Seine Stimme klang anders als sonst.

      »Ich habe Herrn Gentsch in deinem Interesse eingeladen«, sagte er, nachdem er Inge einen sportlichen jungen Mann mit modisch langem blondem Haar und blitzenden blauen Augen vorgestellt hatte.

      Inge sah ihren Mann verständnislos an. Natürlich hatte sie bemerkt, dass er sich in den letzten Tagen sehr merkwürdig benommen hatte. Er hatte kaum am Flügel gesessen, sondern war stundenlang in dem großen Wohnraum auf und ab gegangen, ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Inge hatte jedoch nicht die Kraft gehabt, das Verhalten ihres Mannes zu beeinflussen. Sie fühlte sich wie eine Gefangene in einem kostbaren goldenen Käfig. Manchmal war sie fest überzeugt, die Bevormundung nicht länger ertragen zu können. Doch die Liebe zu Norbert ließ sie immer wieder ausharren. Schon oft hatte sie sich vorgenommen, stillschweigend die schöne Ferienwohnung zu verlassen, um nach Sophienlust zu fahren. Doch dann hatte sie es doch nicht übers Herz gebracht. Sie konnte


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