Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda

Sophienlust Staffel 14 – Familienroman - Elisabeth Swoboda


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kleinen Jungen hinten am Pullover festhielt.

      »Uwe weiß überhaupt nicht, was Angst ist«, übernahm Nick die Antwort. Der künftige Erbe von Sophienlust war groß, dunkelhaarig und sportlich und glich verblüffend seiner schönen Mama.

      Pünktchen, das blonde Mädchen mit den kessen Sommersprossen und den veilchenblauen Augen, schwärmte seit Langem für den hübschen Nick. Und manchmal träumte die Kleine sogar davon, eines Tages Nicks Frau zu sein. Doch bis dahin würden noch viele Jahre vergehen. Denn noch waren sie fröhliche, unbeschwerte Kinder.

      »Er wird einmal ein richtiger Draufgänger.« Stolz sah Nick auf den Kleinen, der so forsch im Sattel saß, als wäre das Reiten für ihn ganz selbstverständlich. Sie machten jetzt bereits zum zweiten Mal die Runde um das Herrenhaus von Sophienlust. Uwe lachte, dabei erschienen zwei süße Grübchen in seinen Wangen.

      »Gebt mir gut auf ihn acht!«, rief die Köchin Magda den Kindern aus dem offenen Küchenfenster zu.

      Nick streckte die Nase in die Luft und schnupperte. »Riecht ja nach Schokoladenkuchen. Magda, hast du etwa gebacken?« Er zog am Zügel des Ponys. Folgsam blieb es stehen und wartete.

      »Schon möglich.« Die rundliche Köchin, die Kinder so gern hatte, machte ein geheimnisvolles Gesicht.

      Nick, der, wie alle Jungen in diesem Alter, ständig hungrig war, zeigte sein charmantes Lausbubenlächeln. Schon sehr früh hatte er herausgefunden, dass diesem Lächeln kaum ein Erwachsener widerstehen konnte. Sogar die Lehrerinnen am Gymnasium wurden schwach, wenn seine dunklen Augen so intensiv strahlten, wenn sich sein frisches Gesicht zu einem wohlwollenden Grinsen verzog.

      »Wollt ihr ein Stückchen?« Magda hatte Nick schon als kleinen Jungen in ihr Herz geschlossen. Und dabei war es geblieben.

      »Wie kannst du da noch fragen?« Seit einiger Zeit machte es Nick Spaß, mit der drallen Köchin ein wenig zu kokettieren, was ihm ab und zu einen strafenden Blick aus Pünktchens blauen Augen eintrug.

      Auch jetzt bekam er einen unsanften Rippenstoß. »Vielfraß!«, zischte die Kleine, lachte aber dabei.

      »Sei still, du willst ja selbst ein Stück!«

      »Uwe auch!«, meldete sich jetzt der kleine Junge, dem die Unterbrechung des abenteuerlichen Ritts nicht ganz passte.

      »Du bekommst sogar das größte Stück!« Magda beugte sich weit aus dem Fenster der im Erdgeschoss liegenden Küche und reichte den Kindern je ein Stück duftenden Schokoladenkuchen. Zufrieden sah sie zu, wie die Jugend sofort hineinbiss und genussvoll schmauste.

      »Wisst ihr, was mir meine Schwester erzählt hat?«, tuschelte Magda geheimnisvoll.

      »Vielleicht, dass bei uns drüben Farka den Kirschkuchen gefressen hat?« Nick kaute mit vollen Backen.

      »Die Stute aus dem vergangenen Jahr?«, erkundigte sich Magda verblüfft.

      »Genau. Martha hatte den Kuchen zum Auskühlen ans offene Fenster gestellt. Da kam Farka vorbei, als der Knecht sie auf die Weide brachte. Der Duft muss Farka gereizt haben. Jedenfalls hat sie sich den ganzen Kuchen geschnappt.«

      Pünktchen lachte laut. Und Uwe, der zwar nicht alles verstanden hatte, kicherte ebenfalls.

      Magda verzog ein bisschen das Gesicht, doch so lustig fand sie die Sache nicht. Immerhin war ein gelungener Kirschkuchen der Stolz jeder Köchin und durchaus nicht für Pferde bestimmt. Jedenfalls hatte ihre Schwester ihr nichts von dem Missgeschick erzählt.

      »Nein, es war etwas ganz anderes. Ihr seid ja schon groß, euch kann ich es sagen. Wenn einige von den Kleinen dabei wären, würde ich natürlich schweigen.«

      Nick und Pünktchen traten noch näher zum Fenster. Sie reckten die Hälse und sahen neugierig hoch.

      »Drüben in Bachenau ist ein kleines Mädchen verschwunden«, tuschelte Magda. »Es war zweieinhalb, so alt wie Uwe. Deshalb seid vorsichtig!«

      »Was heißt das, verschwunden?« Nick zog die noch rundliche Kinderstirn in Falten.

      »Es hat im Garten neben dem Haus gespielt. Aber als die Mutter es zurückholen wollte, fand sie es nirgends. Sie hat die ganze Umgebung abgesucht, und die Nachbarn haben ihr dabei geholfen. Aber sie hatten keinen Erfolg.«

      »Wie kann man auch so ein kleines Kind allein lassen«, entrüstete sich Pünktchen.

      »Hat man denn nicht die Polizei gerufen?« Nicks Interesse war hellwach. Wenn da tatsächlich in nächster Nähe von Sophienlust ein Verbrechen geschehen war, dann musste man höllisch aufpassen.

      »Natürlich. Aber man konnte nichts feststellen. Keine Spuren.« Magdas rundes Gesicht glänzte. »Niemand hat eine verdächtige Person gesehen, niemand hat etwas gehört. Es ist allen ein Rätsel.«

      »Aber ein kleines Mädchen kann doch nicht einfach verschwinden.« Pünktchen schüttelte den Kopf.

      »Es ist aber so. Meine Schwester hat es von der Großmutter des Kindes erfahren. Sie kennt die Leute. Eine anständige, ehrliche Familie.«

      »Vielleicht will man Lösegeld.« Wieder einmal ging die Phantasie mit Nick durch.

      »Von Leuten, die von der Landwirtschaft leben?« Magda blies die Backen auf. »Da ist doch nichts zu holen!«

      »Vati hat ja auch nur Landwirtschaft«, verteidigte sich Nick.

      Die Köchin schmunzelte versöhnlich. »Zum einen bewirtschaftet dein Vater ein riesiges Gut, zum anderen betreibt er Pferdezucht. Das bringt etwas ein. Die Lipizzaner deines Vaters sind weit über Deutschlands Grenzen hinaus berühmt. Man zahlt die höchsten Preise für sie.«

      »Was du alles weißt!« Nick schüttelte den Kopf.

      »Hat mir alles meine Schwester erzählt.« Stolz reckte Magda den Kopf.

      »Wann war das mit der Kleinen?«, erkundigte sich Pünktchen.

      »Vor drei oder vier Tagen.«

      »Und die Polizei hat noch nichts herausgefunden?«, wunderte sich Nick.

      »Mir tut am meisten die arme Mutter leid. Sie soll ganz verzweifelt sein.« Zufrieden beobachtete Magda, wie Klein Uwe eben den letzten Happen genussvoll ins Mündchen schob. Vollkommen sicher und gelassen saß er noch immer im Sattel.

      »Ich an ihrer Stelle würde die ganze Gegend absuchen. Jeden Grashalm würde ich umdrehen.« Nick machte ein entschlossenes Gesicht.

      »Das hat Polizeimeister Kirsch sicher schon getan.«

      »Dann ist der Kerl also mit der Kleinen auf und davon?«

      »Es ist anzunehmen.« Magda nickte trübsinnig.

      »Sagt man nicht, dass alle Verbrecher an den Ort zurückkommen, an dem sie ihr Unwesen getrieben haben?« Nick legte den Kopf schief und schien scharf zu überlegen. »Demnach müsste er wieder hier auftauchen. Man muss nur die Augen offenhalten.«

      Magda erschrak. Schon mehrmals hatte Nick sein kriminalistisches Talent unter Beweis gestellt. Sollte sie durch ihre Schilderung Nicks Tatendrang geweckt haben? »Um Gottes willen, unternehmt nichts. Das könnte gefährlich sein. Versprecht ihr mir das?«

      »Aber wenn uns der Kerl zufällig über den Weg läuft?« Nick fühlte sich bereits in seinem Element.

      »Dann lasst euch auf keinen Fall mit ihm ein!« Magda rang voll Verzweiflung die Hände. »Am besten, ihr vergesst alles wieder«, jammerte sie.

      »Na, hör mal. Schließlich wollen doch die Eltern ihr Kind wiederhaben.«

      Uwe, dem die Unterhaltung zu langweilig wurde, versuchte sein Pony in Gang zu setzen. »Lauf!«, rief er und klatschte mit seinen dicken Händchen auf den Hals des Tieres.

      Erschrocken packte Pünktchen den Kleinen fester, während das Pony sich tatsächlich in Trab setzte. Rasch steckte Nick das letzte Stück Kuchen in den Mund, winkte Magda noch einmal zu und griff nach dem Zügel des Ponys.

      *


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