Auf keinen Fall wir. Iris W. Maron
schüttle. Nachdem er den Raum verlassen hat, stehe ich auf, murmle was von »gleich wieder da« und gehe ihm nach. Wir müssen das klären. Er kann mich nicht ständig verfolgen.
Ich erwische Sven an der Treppe und gestatte mir noch einen Blick auf seinen Knackarsch, ehe ich ihn anspreche.
»Kann ich dich noch kurz sprechen?«, frage ich.
Er zuckt erschrocken zusammen, offenbar hat er mich nicht kommen hören. Dabei war ich nicht gerade leise. Als er sich umdreht, lacht er hektisch auf und hält sich die Hand aufs Herz.
»Scheiße, hast du mich erschreckt!«
Ich sage nichts, sehe ihn nur streng an. Das war entschieden zu vertraulich.
»Komm mit«, sage ich schließlich und gehe vor in die Teeküche, die zum Glück gerade leer ist.
Sven folgt mir, ohne zu murren. Ich lasse ihn eintreten, dann schließe ich die Tür und baue mich davor auf. Momentan finde ich es sehr gut, dass ich größer bin als Sven. Auch wenn es höchstens zwei Zentimeter sind.
»Was soll das?«, frage ich scharf.
»Was meinst du?«
Ich verdrehe die Augen. Die Unschuldsnummer kaufe ich ihm nun wirklich nicht ab.
»Wieso willst du jetzt auch noch bei uns arbeiten?«
»Hast du etwa ein Problem damit?«, fragt er zurück. Er ist ganz ruhig. Das macht mich wahnsinnig. Nicht, dass ich will, dass Sven mir hier eine Szene macht, aber ich hasse es, dass er sich von mir nicht aus der Ruhe bringen lässt. Er bringt mich aus der Ruhe.
»Beantworte meine Frage«, knurre ich.
»Ich brauche einen Job. Und die Hiwi-Stelle macht sich gut im Lebenslauf.«
»Kannst du dir keine andere suchen?«
»Es gibt keine andere. Als ich mich dafür beworben habe, wusste ich außerdem nicht, dass der Job auch mit dir zu tun hat.«
Das glaube ich ihm nicht. Das Institut ist klein und eigentlich sollte er wissen, wer mit wem zusammenarbeitet und wer zu welchem Lehrstuhl gehört. Andererseits gibt es durchaus Studierende, die diese Strukturen tatsächlich bis zum Ende ihres Studiums nicht durchschauen. Ich sehe Sven mit skeptisch erhobener Augenbraue an.
»Glaubst du, ich stelle dir nach oder was?«, fragt Sven ehrlich entrüstet und mustert mich gründlich – und ziemlich abschätzig – von oben bis unten. »Das habe ich echt nicht nötig.«
»Ich will sichergehen, dass du den Job willst, weil du den Job willst.«
Und nicht etwas anderes. Oder jemand anderes. Mich.
»Ich will den Job«, sagt er und sieht mir fest in die Augen. Ich erwidere den Blick stur, bis er seufzt und genervt wegsieht. »Bist du immer so paranoid?«
»Ich bin nicht paranoid.«
»Doch, bist du. Was erwartest du denn, dass Schlimmes passiert? Dass ich Herzchen auf die Kopien male, die ich für dich machen soll?«
Er sagt das so zynisch, dass ich unweigerlich auflachen muss.
»Hast du denn das Bedürfnis, Herzchen auf meine Kopien zu malen?«, frage ich trotzdem nach. Sicherheitshalber.
»Nein«, schnaubt Sven.
»Dann ist ja gut.«
»Haben wir das damit geklärt?«
»Haben wir«, erwidere ich und mache einen Schritt zur Seite. Sven nickt mir zum Abschied zu und geht zur Tür.
»David?«, meint Sven dann noch, bevor er den Raum verlässt. Er sieht mich nicht an, sondern fixiert die Türklinke in seiner Hand. Seine Nähe ist mir unangenehm bewusst. Uns trennt nicht einmal ein halber Meter.
»Was?«
»Bitte verbau mir diese Chance nicht, nur weil wir einmal Sex hatten.«
Ich bin zu perplex, um zu antworten. Das passiert mir wirklich selten. Mein Schweigen nutzt Sven, um die Tür zu öffnen und abzuhauen. Das ist irgendwie anders gelaufen, als ich es geplant hatte.
Sven klang glaubwürdig, als er meinte, dass er mich nicht verfolgt. Die Art, wie er mich dabei taxiert hat, war sogar ziemlich fies. Als wäre ich eine Geschmacksverirrung gewesen. Das wiederum glaube ich ihm nicht – dazu ist mein Ego dann doch zu ausgeprägt. Außerdem war Sven in Köln offensichtlich ziemlich angetan von mir. Vielleicht ist er mir aber ähnlicher, als ich dachte, und hat auch nach einem Mal genug von seinen Sexpartnern.
Blöderweise habe ich von diesem Sexpartner nach einem Mal noch nicht genug. Würde er mir nicht regelmäßig über den Weg laufen, hätte ich nichts dagegen, noch ein, zwei Mal mit ihm zu schlafen.
Mit einem Seufzen verlasse ich ebenfalls die Küche und gehe zurück. Das Büro ist leer. Keine Ahnung, wohin Doris verschwunden ist. Ich lasse mich auf meinen Stuhl fallen und nehme einen großen Schluck von meinem inzwischen eiskalten und abgestandenen Kaffee.
Schöne Scheiße.
Da ich mich gerade ohnehin nicht auf die Arbeit konzentrieren kann, greife ich nach meinem Handy und schaue, ob es etwas Neues gibt. Ein paar Minuten später weiß ich: gibt es nicht. Dafür beschließe ich, Thomas zu schreiben. Ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört. Das letzte Mal habe ich mit ihm gesprochen, nachdem Sven in meiner Lehrveranstaltung aufgetaucht ist. Wahrscheinlich muss ich deswegen gerade an ihn denken.
Hey, was tut sich bei dir?, schreibe ich.
Mein Handy vibriert quasi sofort, nachdem ich meine Nachricht abgeschickt habe.
Wird dir nicht gefallen, steht da.
So schlimm? Hast du ihn rumgekriegt?
Habe ich.
Und ihr seid jetzt wirklich exklusiv?
Ja. <3
Hast du mir gerade ein Herzchen geschickt??
Gewöhn dich dran. Ich bin verliebt.
Ich schicke Thomas ein hysterisch schreiendes Smiley. Er antwortet mit einem lachenden und schreibt dazu: Und bei dir? Was Neues?
Ich könnte natürlich von Sven erzählen, aber ich möchte nicht darüber sprechen.
Nein, alles wie immer.
Hast du mit dem Studenten gesprochen?, fragt Thomas prompt. Na, das hat ja super geklappt.
Ja, alles easy, tippe ich.
Und das ist es ja auch. Sven hat sich bisher unauffällig benommen und ich habe mich hoffentlich so weit im Griff, dass man mir nicht anmerken kann, dass er mich nicht völlig kaltlässt. Die Frage ist nur, ob ich das nach wie vor sagen kann, wenn ich ihn noch öfter sehe als jetzt schon. Und wie ich, wenn das nicht der Fall ist, Doris davon überzeugen kann, Sven den Job nicht zu geben. Ich bin mir sicher, dass sie ihn will. Ohne unsere Vorgeschichte würde ich ihn auch wollen. Nicht, dass ich ihn mit unserer Vorgeschichte nicht auch will. Wenn auch auf andere Art. Ach, verdammt...
Wieder vibriert mein Handy, weil Thomas mir eine Nachricht schickt.
Ich hoffe, du warst nett zu dem armen Jungen.
Er ist kein Junge!
Erneut schickt Thomas einen lachenden Smiley. Ich verkneife mir eine Antwort, zumal Doris in dem Moment zurück ins Büro kommt.
»Wieso hast du den armen Herrn Koch so fertiggemacht?«, fragt sie, kaum dass sie wieder an ihrem Schreibtisch Platz genommen hat.
»Wieso fertiggemacht? Ich habe ihn nur gründlich geprüft. Das wolltest du doch.«
»Die anderen hast du nicht so gründlich geprüft.«
»Ich war eben genervt.«
»Und weswegen warst du genervt? Gut, er war nicht der Gesprächigste, aber ich fand, er wirkte sehr kompetent und sympathisch ist er auch.«
»Ich war