ENTFÜHRT IN PARIS (Die Ritter des Vatikan 5). Rick Jones

ENTFÜHRT IN PARIS (Die Ritter des Vatikan 5) - Rick Jones


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liegt ganz allein bei Ihnen selbst, Kimball. Sie sind ein Wesen der Unvollkommenheit und der Moral und müssen Ihre Dämonen der Schuld auf Ihre eigene Weise bekämpfen.«

      »Wieso erinnert er mich dann aber jede Nacht aufs Neue daran, indem er mir die Bilder dieser Kinder zeigt? Wieso sehe ich immer wieder, wie ihr Blut den Wüstenboden tränkt, Nacht um Nacht?«

      »Ihre Träume sind Manifestationen Ihres Bewusstseins, Kimball, und keine Eingebungen Gottes. Das wissen Sie. Das Problem ist, dass Sie es auf irgendeine Weise schaffen müssen, sich eine Tat zu vergeben, die Sie für sich nicht rechtfertigen können, weil sie falsch war. Aber Sie haben seither enorme Schritte getan, haben unzählige Leben gerettet. In gewissen Kreisen sind Sie eine Art Heiliger geworden … indem Sie für jene eintraten, die sich nicht selbst verteidigen konnten … und ein Dämon für all jene, die so verdorben sind, dass ihre Seelen auf immer verloren sind, und die nichts weiter tun können, als unaussprechliche Gräuel zu verüben.

      Sie haben den Kreis vollendet, Kimball. Wir müssen Sie nun irgendwie dazu bekommen, dieses eine letzte Hindernis zu überwinden, sich selbst vergeben zu können. Diesen Berg gilt es zu besteigen.« Monsignore Dom Giammacio sah ihn fest an und wartete auf eine Reaktion, doch diese blieb aus.

      »Die Zeit ist um, aber ich möchte, dass Sie darüber einmal nachdenken.« Der Monsignore griff nach einer weiteren Zigarette. »Ich möchte, dass Sie darüber nachdenken, wie Sie diesen Berg bis zum Gipfel erklimmen können, um auf die andere Seite zu gelangen.«

      »Ist das nicht eigentlich Ihr Job? Mir dabei zu helfen?«

      Der Monsignore schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen nur den Weg aufzeigen, Kimball. Es liegt an Ihnen, sich Ihren Dämonen zu stellen. Das ist schon immer die Antwort auf alles gewesen.«

      Während sich der Monsignore seine Zigarette anzündete, erhob sich Kimball und richtete sich zu voller Größe auf. Er war ein riesiger Mann, beinahe einen Meter fünfundneunzig groß, und besaß die Statur eines Bodybuilders, dessen Muskeln von stundenlangen Trainingseinheiten im Fitnessraum geformt worden waren. »Dann sehen wir uns also nächsten Montag wieder?«

      »Ja, und bitte seien Sie pünktlich … was Sie fast nie sind.«

      Als Kimball das Büro des Monsignore verließ, konnte er sich keine brauchbare Lösung vorstellen, wie er dieses Gefühl der Schuld besiegen können sollte, das ihn langsam und wie ein Krebsgeschwür von innen auffraß. Es wohnte tief in seinem Innern, war ein Teil von ihm geworden, wie ein dunkles Sargtuch, das ihm überall hin folgte.

      Auch in dieser Nacht würde er – wie in jeder Nacht zuvor – die Gesichter der beiden Jungen sehen, die er getötet hatte, fürchtete er.

      Doch dieses Mal sollte der Traum anders sein.

       Er sah ihre Gesichter, als er schlafend in seiner spartanisch eingerichteten Kammer lag.

       Er konnte die Todesqualen in ihren Augen sehen, den anklagenden Schrecken darüber, dass ihre Leben hier enden würden. Alles bewegte sich unendlich langsam vor seinen Augen, wie ihre Beine, die über den weichen Wüstensand stapften, der ihre Chance auf ein Entkommen verringerte. Und dann war da der rote Nebel, die Kugeln, die durch ihre Körper peitschten, die Blutstropfen, die aus ihren Körpern spritzten, und die Leiber, die auf den Boden fielen und dort ausbluteten. Ihre Augen waren weit aufgerissen, doch dann erlosch in ihnen der Lebensfunken, während sich in der Luft um ihn herum der Geruch von Kupfer ausbreitete.

       In seinem Traum konnte er die Szenerie von einem fast alles überblickenden Winkel aus beobachten. Wie aus zwei über allem schwebenden himmlischen Augen sah er auf sich selbst herab, wie er über den beiden Leichnamen stand.

       Dann sah er sich in den Himmel hinaufblicken, Gott anflehen, in der Hoffnung, eine Antwort zu erhalten.

       Aber er bekam keine Antwort.

       Die Körper der Kinder begannen sich zu bewegen, reanimierten sich selbst, um Kimball eine Chance auf Vergebung zu gewähren, indem er sie leben ließ und weiterzog.

       Aber Kimball erschoss sie wieder …

       … und wieder …

       … und wieder …

       Der Mann war außerstande, sich zu ändern oder loszulassen.

       Und das sich vor ihm auftürmende Hindernis wurde immer größer, immer unbezwingbarer.

      Mit diesen Bildern im Kopf wachte Kimball auf. Er sah durch sein göttliches Auge auf sich hinab, wie er ihre Körper immer wieder mit Schüssen zerfetze und sie immer und immer wieder tötete.

      Nach und nach nahmen seine Augen aber die wirkliche Umgebung wahr, und statt der grässlichen Bilder erblickte er nur die reglosen Schatten in seiner Kammer. Er konnte die Umrisse des Ständers mit den Votivkerzen am anderen Ende erkennen, genau wie das Podium, auf dem die Bibel ruhte – ein Buch, das er nur noch sehr selten öffnete.

      Er wusste, dass ihm in seinem Traum ein Ausweg aufgezeigt worden war, indem er den Jungen eine Chance gab, ins Licht zu gehen. Aber Kimball hatte dem Lebensweg nachgegeben, den er gewohnt war, und sie in der immer wieder erscheinenden Traumlandschaft wiederholt niedergeschossen, womit er ihnen das Recht auf die Herrlichkeit nahm und sich selbst den Weg zur Erlösung verstellte.

      Er schloss die Augen.

       Ich töte Menschen.

      Öffnete sie wieder.

       Das ist es, was ich tue.

      Missbilligend schüttelte er den Kopf.

       Das ist es, worin ich gut bin.

      Er ließ sich auf sein Kopfkissen zurückfallen und starrte auf die Schatten an der Decke, auf die unbeweglichen Formen, und versuchte etwas in ihnen zu erkennen.

      In dieser Nacht sollte er nicht mehr in den Schlaf zurückfinden.

      Kapitel 3

       Zwei Monate später, Paris, Frankreich

      Shari Cohen hatte schon immer davon geschwärmt, einmal Paris zu besuchen. Nun, während sie zusammen mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern unter einem strahlend blauen Himmel die Avenue Gustave-V-de-Suède entlangspazierte, war ihr Wunsch Realität geworden. Die ganze Kulisse erschien ihr malerisch, wie geschaffen für die Leinwand eines Künstlers, mit den Pariser Gärten, die in einer Fülle von Farben erblühten, und den endlosen üppig-grünen Baumreihen.

      Auf ihrem Weg über die Pont-d’Iéna-Brücke, die über die Seine und zum Eiffelturm auf der anderen Flussseite führte, saugte sie das alles in sich auf. Vor dem symbolträchtigen Bauwerk angekommen, ließ die Familie ihren Blick langsam von unten bis zum höchsten Punkt des Turmes wandern, so als würden sie den langsamen Start einer Rakete verfolgen.

      Selbst die beiden Mädchen im Alter von vierzehn und sechzehn Jahren waren beeindruckt.

      »Fantastisch, nicht wahr? Davon könnt ihr euren Freundinnen erzählen, wenn ihr wieder in der Schule seid.«

      Stephanie rollte mit den Augen und versuchte ihre Begeisterung mit falscher Gleichgültigkeit zu überspielen. »Wenn du meinst …« Mit ihren sechzehn Jahren war sie gerade in jener Phase, in der man glaubte, bereits alles zu wissen. Beständig lotete sie ihre Grenzen aus. Eine Etappe in ihrem Leben, mit der Shari und Gary zwar gerechnet hatten, die ihnen deswegen aber nicht gefallen musste – eben jener Moment, in denen Teenager über Nacht beschlossen, ihre Eltern zu hassen, ohne besonderen Grund. Sie beide sahen diese Phase als Geduldsprobe an. Sie mussten den Sturm überstehen, egal wie turbulent es auch werden würde. Derzeit wurde viel geschrien und mit den Türen geknallt, wenn die Dinge nicht nach Stephanies Kopf gingen, die sämtliche Hausregeln als lahm erachtete. Terry hingegen, die bereits ähnliche Verhaltensmerkmale an den Tag legte, wartete noch darauf, ihre Flügel


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