Lord Nelsons letzte Liebe. Heinrich Vollrat Schumacher

Lord Nelsons letzte Liebe - Heinrich Vollrat Schumacher


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der zu Lande geführt werden mußte?

      Nach heißen Kämpfen willigte Maria Carolina ein, den Fürsten Belmonte-Pignatelli mit Friedensvorschlägen an Buonaparte zu senden. Der General gewährte einen Waffenstillstand, wegen des Friedens verwies er an das Direktorium der Republik. Aber die Grundbedingungen gab er selbst schon an: Zahlung einer bedeutenden Kriegsentschädigung, Sperrung der Häfen Neapels gegen alle Schiffe der kriegführenden Nationen.

      Gegen wen war dies gerichtet, wenn nicht gegen England? Wollte dieser von der trüben Gärung der Revolution emporgeworfene Korse den alten Kampf Frankreichs gegen die englische Seeherrschaft wieder auf nehmen?

      Dennoch riet Sir William, von Maria Carolina zu Rate gezogen, selbst zum Abschluß. Zeit mußte man gewinnen. Um im geheimen zu rüsten. Um die geschlagenen Bundesgenossen wieder zu Atem kommen zu lassen. Um endlich vereint, unter Zusammenraffung aller Kräfte, mit einem einzigen großen Schlage der Hydra des Wahnsinns und des Atheismus das Haupt zu zermalmen.

      Maria Carolina schreckte vor der Arglist dieses Doppelspieles zurück. Da aber zeigte er ihr die Abschrift eines Briefes, die er sich durch Bestechung aus Paris verschafft hatte. Buonaparte hatte ihn an das Direktorium gerichtet, um sich gegen den Vorwurf des übereilt abgeschlossenen Waffenstillstandes zu rechtfertigen.

       „Augenblicklich sind wir nicht stark genug, um uns rächen zu können; aber die Zeit der Züchtigung für alle Beleidigungen wird kommen. Denn der Haß der Ausländer gegen Frankreich wird nicht eher erlöschen, als bis alles Neue alt geworden ist.“

      Nun zögerte Maria Carolina nicht länger. Vergalt gleiches mit gleichem. Als Zeichen ihres Dankes für sein Wohlwollen sandte sie an Buonaparte eine kostbare goldene Dose mit ihrem Bildnis. Gleichzeitig aber an Emma den Wortlaut des geheimen Schutz- und Trutzbündnisses, das Karl IV. mit Frankreich abgeschlossen und an Ferdinand geschickt hatte, seinen Bruder zum Eintritt auffordernd.

      Als das umfangreiche Aktenstück, von Emma abgeschrieben, an das Auswärtige Amt in London abging, gab sie dem Eilkurier ein paar Zeilen an Greville mit.

       „Wir haben jetzt keine Zeit, Dir ausführlich zu schreiben; drei Tage und drei Nächte haben wir an wichtigen Briefen gearbeitet, die mit demselben Kurier an unsere Regierung gehen. Man sollte sich Sir William und besonders mir doch ein wenig erkenntlicher zeigen. Meine Stellung hier am Hofe ist ohne Beispiel; niemand vor mir hat eine ähnliche gehabt. Aber man weiß mir keinen Dank. Darin habe ich alle Hoffnung längst aufgegeben.

       Im übrigen leben wir hier in fortwährender Furcht. Gott weiß, wohin wir kommen und was mit uns geschieht, wenn die Dinge so weitergehen..

       Emma.“

      Am einundzwanzigsten September hatte sie den spanisch-französischen Bündnisvertrag nach London gesandt, und schon Anfang Oktober zeigten sich die Folgen. Elliot erhielt die Weisung, Korsika schleunigst zu räumen. An die Flotte erging der Befehl, sich vor der doppelten Übermacht der Verbündeten nach Gibraltar und der befreundeten Küste Portugals zurückzuziehen. Alle spanischen Schiffe, die sich in englischen Häfen aufhielten, wurden beschlagnahmt, ehe noch Karl IV. den Krieg erklärt hatte.

      Die mühevolle Arbeit vieler Jahre war vergeblich gewesen, England mußte das Mittelmeer aufgeben. Aber daß dies ohne Verlust geschehen und der neue Krieg sogar mit einem Vorteil eingeleitet werden konnte — verdankte man das nicht Emma? Niemandem als ihr hätte Maria Carolina das wichtige Schriftstück anvertraut. Dennoch empfing sie kein Wort der Anerkennung. Als wäre es ihre einfache Pflicht, Ferdinands lästige Galanterien zu ertragen, sich Maria Carolinas wechselnden Stimmungen anzupassen, ihre Nächte mühsamer Chiffrierarbeit zu opfern. Hatte sie einen geheimen Feind in London, der ihr entgegenarbeitete?

      Zuweilen schoß der Gedanke in ihr auf, Greville könne sich auf diese Weise an ihr dafür rächen, daß sie seine verräterischen Pläne vereitelt hatte und Sir Williams Frau geworden war. Dann aber verwarf sie den Verdacht wieder. Seit seine Heirat mit Lord Middletons Tochter sich zerschlagen hatte, war er von Sir William noch abhängiger, als zuvor. Er würde es nicht wagen, gegen die Frau zu intrigieren, die Sir William dahin bringen konnte, daß er seinen Neffen enterbte.

      Sonst aber wußte sie niemand in London, der ihrer in Haß gedenken mochte. Einzig vielleicht der Prinz von Wales. Zweimal hatte sie seine Liebesanträge zurückgewiesen. Aber flatterhaft von Natur, war er durch seine heimliche Ehe mit Maria Anna Fitzherbert gefesselt, dachte wohl kaum noch an Emma.

      Nein, es war wohl, wie Romney einst gesagt hatte: in England war für eine politische Frau kein Raum. Die hochmütigen Lords der Regierung wollten es nicht eingestehen, daß sie Emma zu Dank verpflichtet waren. Sahen geflissentlich über sie hinweg. Eines Tages aber würde die Welt den Namen der Retterin dennoch erfahren.

      Heimlich begann sie, Aufzeichnungen zu machen, Beweise zu sammeln ...

      ***

      Saint-Vincent ...

      Siebenunddreißig spanische Schiffe von neunzehn englischen geschlagen ...

      Karl IV. sandte die Nachricht mit einer Abschrift des Berichts, den er von Admiral Don José de Cordova eingefordert hatte. Maria Carolina las ihn Emma vor, mit blitzenden Augen und lautem Jubel. Dieser bourbonische Schwächling, der sich nicht lieber dem Untergange geweiht hatte, als daß er die heilige Sache des Königtums verriet — so hatte er denn seinen Lohn!

      Mit Mühe verbarg auch Emma ihre Freude. Unter den englischen Führern war Nelson besonders genannt. Ihm allein schrieb Cordova seine Niederlage zu.

      Sir John Jervis hatte der englischen Flotte das Signal gegeben, der Reihe nach an der spanischen Linie feuernd vorbei zu segeln. Aber als das Manöver zum zweiten Male ausgeführt wurde, hatte Cordova durch eine schnelle Bewegung die Engländer im Rücken zu fassen gesucht. Nelson allein hatte die Absicht durchschaut. Dem Befehl seines Admirals zuwider, hatte er plötzlich seine Stelle in der englischen Schlachtreihe verlassen, war dem Umgehungsgeschwader entgegengesteuert, geradenwegs gegen Cordovas Admiralschiff, die ,Santissima Trinidad‘ von einhundertsechsunddreißig Kanonen, das größte Schiff der Erde. Nur von Kapitän Troubridge mit dem ,Culloden‘ unterstützt, hatte er den Kampf aufgenommen und selbst dann noch fortgesetzt, als der ,Santissima Trinidad‘ sechs spanische Linienschiffe zu Hilfe gekommen waren. Eine ganze Stunde lang hatten die beiden Engländer das verheerende Feuer der Übermacht ausgehalten, bis die übrige englische Flotte herangekommen war. In der beabsichtigten Bewegung durch Nelson aufgehalten, von einem großen Teil seines Geschwaders abgeschnitten, hatte Cordova das Signal zum Rückzug gegeben, froh, daß er wenigstens keines seiner Schiffe verloren hatte. Aber im nächsten Augenblick hatten zwei die Flagge streichen müssen, während Nelsons ,Captein‘ nach dem Verluste von Segeln, Tauen, Vordermast und Steuerruder hilflos, dem Untergänge nahe, plötzlich hart an den ‚San Nicholas‘ herangefahren war, der mit dem ,San Josef‘ Bord an Bord lag. Wie jene englischen Doggen, die selbst im Sterben nicht von ihren Gegnern ließen, hatte er sich an den beiden Schiffen festgebissen ...

      Dann war Nelson an der Spitze seiner Matrosen durch ein Fenster des Hinterdecks in den ,San Nicholas‘ eingedrungen, hatte sich innerhalb zehn Minuten des Schiffes bemächtigt. Um sofort auch den ‚San Josef‘ zu entern. Mit seinen flatternden Haaren, dem von Pulverdampf geschwärzten Gesicht, der donnernden Stimme war der Einäugige den abergläubischen Spaniern erschienen wie ein Teufel, der Hölle entstiegen. Zitternd, sich vor ihm auf die Knie werfend, hatten sie ihm das Schiff übergeben.

      Mit einem Hinweis auf Nelsons neuartige Gefechtstaktik hatte Cordova seinen Bericht geschlossen.

       „... Die Kampfesweise dieses Engländers scheint mir besonderer Beachtung wert. Sie ist von der unserigen sowohl, wie von der französischen gänzlich verschieden. Wir bevorzugen das Ferngefecht, suchen durch unsere weittragenden Geschütze den Feind zu erschüttern und seine Takelage zu zerstören, ehe wir uns ihm nähern. Nelson aber fuhr, ohne einen Schuß abzugeben, dicht an seinen Gegner heran und richtete sein Feuer auf Rumpf und Mannschaft, um schließlich zu entern. Hierdurch hatten wir große Verluste an Leuten, während er verhältnismäßig wenig einbüßte. Welche Taktik nun zu bevorzugen ist, kann erst durch die Erfahrungen


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