Lord Nelsons letzte Liebe. Heinrich Vollrat Schumacher

Lord Nelsons letzte Liebe - Heinrich Vollrat Schumacher


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seine Augen weit. Staunen malte sich in ihnen, Bewunderung. Und etwas, fast wie Schrecken. Verwirrt stammelte er eine Entschuldigung, daß er es wage, ihre Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen.

      Sie lächelte mit leisem Spott. Sie war an diese stummen Huldigungen der Männer gewöhnt. Aber daß auch Nelson ihrer Schönheit seinen Tribut zollte, erfüllte sie mit heimlichem Widerwillen gegen ihn. Warum war er nicht so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte — anders als die anderen?

      Mit lässiger Handbewegung forderte sie ihn zum Sitzen auf, antwortete kühl. Und wider ihren Willen nahm sie den gezierten Ton der Salongespräche an, der ihr sonst so zuwider war.

      „Der Überbringer guter Nachrichten bedarf keiner Entschuldigung, Herr Kapitän. Um so weniger, je größer sein Verdienst an ihnen ist. Ich bedauere nur, daß wir Ihre Ankunft nicht voraussehen konnten, um für den Sieger von Toulon das schuldige Lorbeerreis in unseren Gärten zu brechen!“ „Für den Sieger?“ Er hatte sich bereits gesetzt, stand aber nun wieder auf. Dunkle Röte schoß in sein Gesicht; seine Stimme klang gereizt. „Mylady wollen verzeihen, aber ich weiß nicht, wen Mylady mit diesem Sieger meinen!“

      Lachend drückte ihn Sir William in seinen Sessel zurück.

      „Ein Mißverständnis, mein lieber Kapitän! Es liegt meiner Frau ganz fern, Sie irgendwie verletzen zu wollen. Sie weiß ja noch gar nichts Näheres über Toulon! Darf ich für einen Augenblick den Vermittler spielen und ein Aufklärungsschiff gegen diese hübsche, schlanke Fregatte entsenden? Sie werden sehen, sie ist gar nicht so feindlich gesinnt und unter ehrenvollen Bedingungen sogar bereit, die Flagge zu streichen.“

      Und er erzählte Emma, was Nelson im Staatsrat über die Besitzergreifung von Toulon berichtet hatte.

      Dort hatte der Untergang der gemäßigten Girondisten durch den Konvent unter Danton und Robespierre einen Aufstand hervorgerufen. Als aber die mordend und plündernd heranziehenden Jakobiner die Stadt bedrohten, waren die Bürger mit dem Blockadegeschwader der vereinigten Engländer und Spanier in Unterhandlung getreten. Am 28. August hatten sie die Stadt und die im Hafen blockierte Flotte an Lord Hood und Admiral Langara übergeben.

      „Achtundfünfzig Schiffe hat Frankreich verloren!“ schloß Sir William triumphierend. „Ein Erfolg, der uns zwei, drei blutige Schlachten spart! Sie schütteln den Kopf, Kapitän?“

      Nelson zog die Augenbrauen zusammen. „Verloren? Hat es sie verloren? Sie schwimmen noch auf dem Wasser und Frankreich kann sie wiedergewinnen. Sein Glück aber ist Englands Unglück. Nach meiner Meinung, die ich auch im Kriegsrat vertreten habe, hätte man sie ohne weiteres verbrennen müssen. Langara aber erhob Widerspruch!“

      Sir William nickte.

      „Von seinem Standpunkt als Spanier. Verschwindet Frankreich von der See, so ist Spanien England gegenüber ohnmächtig.“

      Nelsons Augen sprühten.

      „Aber mußte Hood ihm beistimmen? Wer sich auf den Standpunkt der anderen stellt, wird nicht Herr über seine Feinde. Nehmen und vernichten ist der einzig mögliche Weg für England!“

      Wieder nickte Sir William; halb zustimmend, halb mitleidig.

      „Sie sind noch jung, mein lieber Kapitän; denken und fühlen als Krieger!“ sagte er in lehrhaftem Tone. „Ein Staatsmann aber darf die öffentliche Meinung nicht vor den Kopf stoßen, muß stets einen Schein des Rechtes vorweisen können. Wissen Sie, wie ich an Hoods Stelle gehandelt hätte? Ich hätte die achtundfünfzig Schiffe in Verwahrung genommen. Nur in Verwahrung! Und zwar für Ludwig XVII. Für ihn als Sohn und Erben Ludwigs XVI. führen wir ja offiziell den Krieg mit der Republik. Das Recht wäre also auf unserer Seite gewesen. Allerdings müßten wir ihm die Schiffe zurückgeben, sobald er auf den Thron kommt. Aber schließlich würden wir auch dann ein Recht finden, die Auslieferung zu umgehen. ,Nehmen und vernichten!‘ sagen Sie als Soldat; ,nehmen und behalten!‘ sage ich als Staatsmann. Und ich glaube, daß mein Prinzip für Altengland einigen Vorteil haben würde. Hoffentlich hat Hood keine Übereilung begangen und die Entscheidung hinausgeschoben, bis er Anweisungen aus London erhält.“ Nelson zuckte die Achseln.

      „Er hat bereits entschieden! Und zwar ganz im Sinne Eurer Exzellenz!“

      „Wirklich? Dann hat er mehr Talent, als ich ihm zutraute. Oder er hat Instruktionen für den Fall gehabt. Pitt sieht ja alle Möglichkeiten jahrelang voraus!“

      Schweigend hatte Emma zugehört. Langsam stand sie nun auf. Sie dachte an den Rausch von Ruhm und Größe, der vor kaum ein paar Stunden über sie gekommen war. Einen Helden hatte sie in Nelson erblickt, einen Sieger ...

      „Und darum donnern die Kanonen, läuten die Glocken!“ stieß sie voll Ekel heraus. „Darum jubelt das Volk! Es lebe Nelson, der Retter Italiens! Um einen Diplomatenkniff! Um ein Spitzbubenstückchen!“

      Nelson fuhr auf, wollte etwas erwidern. Aber Sir William kam ihm zuvor. Mit einem Ausbruch seines kichernden Gelächters.

      „Nenn’ es, wie du willst, Kind! Auf den Namen kommt es nicht an, nur auf die Sache. Und die steht für England glänzend. Das erkannte selbst dieser Ferdinand. Als Nelson sechstausend Mann für Hood verlangte, wartete er Maria Carolinas Zustimmung nicht ab, sondern bewilligte sie aus höchsteigener Initiative. Am liebsten hätte er sich selbst an die Spitze seiner Liparioten-Leibgarde gestellt, um die französischen Schiffe noch einmal zu erobern, jeder Zoll ein König und ein Held! Nehmen Sie meine Frau nicht tragisch, Mr. Nelson. Sie träumt sich die Dinge gern vollkommener, als sie sind, und ärgert sich, wenn sie sieht, daß es nach Schönheit und Edelsinn nicht immer geht. Frauenromantik!“

      Nelson hatte sich gefaßt. Höflich verbeugte er sich vor Sir William.

      ,,Ich begreife Ihren Standpunkt vollkommen, Exzellenz!“ sagte er, und etwas wie Ironie schien durch den Ton seiner Stimme zu klingen. „Doch glaube ich auch Mylady zu verstehen. Nicht wahr, Mylady glauben, daß ich mich durch das Beifallsgeschrei der Neapolitaner geehrt fühle?“

      Er hatte sich ihr zugewandt und sah ihr gerade in die Augen. Sie warf den Kopf zurück, hielt seinen ernsten Blick aus.

      „Es ist so, Sir! Ich glaube das!“

      Ein harter Zug grub sich um seinen Mund, machte ihn eisern.

      „Ich danke Ihnen, Mylady. Ich wünschte, daß alle unsere englischen Frauen diesen Mut zur Wahrheit besäßen. Sie halten mich also für einen eitlen Streber, der nach Ruhm lechzt? Gleichgültig, ob er ihn verdient oder nicht?“

      Eine seltsame Lust kam über sie, ihn noch mehr zu verletzen, noch stärker zu reizen.

      „Wenn Sie anders denken, warum sind Sie dem falschen Schein nicht aus dem Wege gegangen? Warum haben Sie das Hosianna des Pöbels angenommen?“

      Er wich zurück, als habe sie ihm einen Schlag versetzt.

      „Auch ich besitze ein wenig Stolz, Mylady, obgleich ich nur ein einfacher Kapitän bin. Aber ich kam hierher im Dienste Seiner Majestät. Mit dem Aufträge meines Admirals, um jeden Preis Truppen für Toulon zu beschaffen. Alles hing für uns von der Willfährigkeit Neapels ab. Durfte ich das Volk, das uns Soldaten liefern soll, in seinem Glauben an unseren Sieg erschüttern? Und dann — nicht mir persönlich galt der Beifall; meiner Flagge jubelte man zu, der Flagge Englands, an deren Sieg sich Italiens Hoffnungen knüpfen. Durfte ich mich dagegen wehren? Ja, wenn ich an diesen Sieg nicht glaubte! Aber ich glaube an Englands Flagge, Mylady. Wie ich an Gott glaube. Und eines Tages hoffe ich zu beweisen, daß ich heute nicht ganz unwürdig war, das Kreuz des heiligen George zu repräsentieren. Vielleicht, daß Mylady doch noch einmal Gelegenheit haben, ein Lorbeerreis in den Gärten Neapels für mich zu brechen. Oder auch ein Zypressenreis. Wie es das Kriegsglück will!“

      Rauh, heftig hatte er begonnen. Um in einem leichten, fast scherzenden Tone zu enden. Seine Augen hatten sie nicht losgelassen. Augen, aus denen es wie Flammen zu ihr herübergriff.

      Eine seltsame Empfindung durchrieselte sie.

      Wie er von Gott gesprochen hatte! Wie einer, der glaubte.

      Und dann ... sie sah das heimliche,


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