OPERATION ANTARKTIKA. William Meikle
bist jetzt am Zug. Bring uns rein.«
Der Corporal machte einen Schritt nach vorn, blieb dann aber sofort wieder stehen und winkte Banks zu sich, damit dieser einen Blick die Treppe hinabwarf. Banks wurde klar, dass sie beide ihre Nachtsichtbrillen und auch die Lampen auf ihren Waffen brauchen würden, sobald sie ganz im Inneren waren, aber jetzt benötigte er keines von beiden, um die sechs Stufen nach unten sehen zu können.
Denn dort, auf dem ersten Treppenabsatz, lag eine Leiche.
Kapitel 2
Der Korridor war gerade breit genug, dass zwei von ihnen nebeneinander gehen konnten. Banks ging als Erster vor Parker und Hynd nach unten und blieb neben McCally stehen, der sich gerade über der Leiche beugte. Schwaches Licht drang von oben herein, aber leider nicht genug, um die Leiche genau betrachten zu können. Er setzte deshalb die Nachtsichtbrille auf.
Die Hakenkreuz-Armbinde war deutlich durch das Nachtsichtgerät zu sehen und Banks hatte daher keinen Zweifel daran, zu welcher Armee der Mann gehört hatte, auch wenn die Leiche von Kopf bis Fuß von einer dicken Frostschicht bedeckt war. Er war allerdings kein Soldat gewesen, denn er trug einen dicken Baumwolloverall, gefütterte Stiefel, und hatte eine Brille mit breitem Rand auf, die anscheinend am Gesicht festgefroren war. Er trug auch keinen Helm auf dem Kopf und seine Ärmel waren bis zu den Ellbogen hochgerollt.
»Er trägt keine Ausrüstung für kaltes Wetter, Cap«, sagte McCally und sprach damit das Offensichtliche aus. Der Mann hatte offenbar in einem wesentlich wärmeren Klima als dem gearbeitet, mit dem sie sich momentan herumschlagen mussten. Man konnte auf den ersten Blick keine Wunden sehen und daher nicht feststellen, woran er gestorben war. Es waren auch keinerlei Körperflüssigkeiten ausgetreten. Es sah aus, als habe er sich einfach zum Schlafen in den Eingang gelegt und war dann innerhalb kürzester Zeit erfroren.
Banks blickte hoch an die Decke. Sie befanden sich ganz offensichtlich in einem von Menschen gemachten Tunnel, der aussah, als würde er aus demselben Metall wie die Außentür bestehen. Kabel und Rohre – vermutlich für die Beleuchtung und möglicherweise auch für eine Heizung – verliefen an der Decke entlang. Alles war dunkel und mit einer dicken Frostschicht bedeckt.
»Ein plötzlicher Stromausfall vielleicht?«, überlegte McCally laut. »Könnte der so etwas verursachen?«
Banks betrachtete die Leiche erneut.
»Selbst hier unten wäre das nicht so schnell passiert. Er hätte auf jeden Fall noch Zeit gehabt, irgendwohin zu fliehen, wo es wärmer war. Es sieht so aus, als wäre er einfach hier an Ort und Stelle gestorben. Erst eingeschlafen und dann erfroren.«
Er richtete den Strahl seiner Lampe auf die Treppe vor ihnen. Sie gingen weiter in die Dunkelheit hinein. Den Boden konnten sie nicht sehen und ein kalter Hauch abgestandener Luft schlug ihnen entgegen.
»Handschuhe an und Kapuzen auf, Männer. Es wird ab hier wohl ein wenig kälter werden.«
Er war direkt hinter McCally, als sie nach unten gingen. Dreißig Stufen, dann erreichten sie das Ende der Treppe. Hier hatte es keine weiteren Leichen gegeben, aber als sie unten ankamen, sahen sie noch mehr. Sie lagen in Türdurchgängen, auf dem Boden, waren gegen die Wand gesunken und in der gesamten großen Kammer verteilt, in der das Squad jetzt stand.
Die Decke befand sich einige Handbreit über ihnen und es waren weitere Kabel mit Lampen daran verteilt … alle waren genauso eingefroren, wie diejenigen, die sie auf der Treppe auf dem Weg nach unten gesehen hatten. Die Kammer schien der zentrale Knotenpunkt des unterirdischen Tunnelsystems zu sein, denn es gab ein Dutzend Türen, die kreisförmig verteilt waren. Einige davon waren geschlossen, andere offen, doch dahinter sah man nur Finsternis und sie waren noch zu weit entfernt, als dass die Strahlen ihrer Taschenlampen die Dunkelheit hätten vertreiben können. Banks zählte die Leichen. Es waren insgesamt zwölf und alle sahen so entspannt, ausgeruht und tot aus, wie der Körper auf dem Treppenabsatz an der Tür. Alle wirkten, als hätten sie einfach unterbrochen, was sie gerade taten und waren ohne das geringste Anzeichen eines Kampfes oder einer Verletzung gestorben.
Und das sind nur diejenigen, die ich sehen kann. Was zur Hölle ist hier nur passiert?
Elf der Türen, die aus der Kammer herausführten, waren normale Türen, aber es gab auch eine, die doppelt so breit war wie die anderen und nachdem er sich kurz orientiert hatte, vermutete Banks, dass diese tiefer unter das Eis führen würde, und zwar in die Richtung, wo er den Bereich mit der Kuppel zwischen den Hütten und den Hügeln gesehen hatte. Wenn sie irgendetwas hier finden würden, dann sicher in dieser Richtung.
Vorsicht ist besser als Nachsicht.
»Ich will, dass all diese Räume gründlich durchsucht werden«, ordnete er an. »Lasst die große Tür bis zum Schluss übrig, denn ich habe so eine Ahnung, dass wir da noch bald genug durch müssen. Stellt aber vorher sicher, dass die restlichen Räume alle leer sind. Wenn ihr irgendwelche Dokumente findet, irgendwelche Bücher oder Papiere, dann ruft nach mir … und Wiggins …«
Der stämmige Soldat sah hoch, als Banks ihn mit der Taschenlampe anleuchtete.
»Aye, Cap?«
»Nichts anfassen, was du nicht anfassen solltest, und lass die Hosen an, Kumpel. Wir wollen ja nicht, dass dir der Hintern abfriert, oder?«
Sie teilten sich in dieselben Teams auf, wie bei der Durchsuchung der Hütten oben. McCally startete mit seinem Team im Uhrzeigersinn und Banks ging mit seinen Männern in die andere Richtung. Banks’ erster Halt war eine lange Reihe von Spinden an der Wand. Eine schnelle Untersuchung ergab, dass sie eine bunte Mischung aus Winterkleidung und Waffen enthielten – alte Pistolen und Gewehre vor allem, alle von einer dicken Frostschicht bedeckt.
Sie bewegten sich weiter und fanden schnell heraus, dass von den elf Räumen acht Schlafsäle mit jeweils sechs Kojen waren. In der Hälfte der Betten fanden sie die gleichen, merkwürdig entspannt aussehenden, gefrorenen Leichen. Banks stellte fest, dass es alles Männer waren und etwa zu gleichen Teilen Zivilisten und Militär, wenn man von den Uniformen und den Overalls ausging, die sie trugen.
Von den drei verbliebenen Räumen war einer eine Kantine, bestehend aus sechs eng zusammenstehenden Tischen und langen Bänken. Außerdem gab es einen großen Küchen- und Vorratsbereich im hinteren Teil. Banks sah sich die hohen Regale an. Er entdeckte außerdem einen Tiefkühler, der fast leer war, abgesehen von großen Eisklumpen, die vielleicht einmal Fleisch gewesen waren und einen größeren Kühler, in dem sich jahrzehntealte Gemüse- und Obstkonserven befanden, von denen viele geplatzt waren. Hier gab es keine Leichen, nur die allgegenwärtige Frostschicht und ein Gefühl der Leere.
»Was ist hier verdammt noch mal passiert, Cap?«, flüsterte Wiggins.
»Das versuchen wir gerade herauszufinden, Kumpel.«
Der vorletzte Raum, in den Banks sein Team führte, war offenbar ein Bereich für Generatoren und elektrische Anlagen. Er sah etwas, das nur eine Sicherungstafel sein konnte und einen großen Metallwürfel, der wohl der Generator der Basis gewesen war, aber anders aussah als alle Generatoren, die er bisher in seinem Leben gesehen hatte. An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine Reihe hoher Metallcontainer und Kabel. Es sah hier drin mehr wie das Melksystem eines Farmers aus als wie eine elektrische Installation. Ein noch dickeres Kabel führte durch die Wand und dahinter anscheinend weiter ins Eis.
Banks wandte sich nun ans Team.
»Wiggins, Parker, schaut mal, ob ihr herausfindet, wie das Ganze hier funktioniert, vielleicht kriegt ihr es ja sogar wieder zum Laufen. Wäre nett, wenn wir es hier ein bisschen warm kriegen oder wenigstens ein wenig Licht machen könnten, damit wir nicht weiter im Dunkeln herumschleichen müssen.«
Er ließ die beiden Männer im Generatorraum zurück und ging zur letzten Tür. Die Klinke fühlte sich selbst durch seinen Handschuh hindurch eiskalt an und er musste sie schließlich mit der Schulter aufstemmen. Eis kratzte auf Metall, als er sie öffnete.
Dies war kein Schlafraum, sondern eine Unterkunft für einen Offizier.