OPERATION ANTARKTIKA. William Meikle

OPERATION ANTARKTIKA - William  Meikle


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Banks war sich sicher, dass dies der Kommandant der Basis gewesen war, denn der Mann war definitiv vom Militär. Er trug eine schwarze Uniform, eine makellose Mütze und die rot-weiße Armbinde war trotz der dicken Frostschicht deutlich zu erkennen. Seine Rangabzeichen verrieten Banks, dass er ein Oberstleutnant gewesen war. Die Tatsache, dass er zur Luftwaffe gehört hatte und hier in der Antarktis gewesen war, war ein deutlicher Hinweis für ihn, dass sie hier vielleicht tatsächlich etwas finden würden.

      Der Offizier sah aus, als wäre er um die fünfzig gewesen. Er war glattrasiert, abgesehen von einem dünnen Schnurrbart, der so schwarz war wie seine Uniformjacke. Seine Augen waren wenig mehr als gefrorene, milchige Murmeln, die eingesunken in ihren Höhlen lagen, aber davon einmal abgesehen, wirkte er so, als würde er jeden Moment aufstehen, wenn er mit seinem Nickerchen fertig war.

      Der Schreibtisch war mit Notizbüchern, Karten, Papieren und Diagrammen bedeckt. Banks wischte behutsam die Eisschicht von einem ledergebundenen Tagebuch und öffnete es vorsichtig. Auch wenn die übrigen Schriftstücke auf dem Schreibtisch alle auf Deutsch verfasst waren, war dieses Buch zu seiner Überraschung in Englisch geschrieben worden. Ein Name am Ende der ersten Seite fiel ihm sofort ins Auge.

       Aus dem persönlichen Tagebuch von Thomas Carnacki, 472 Cheyne Walk, Chelsea.

      

       Wie ich bereits vorher in diesen Tagebüchern erwähnte, kann ich mehrere meiner Fälle Dodgson und den anderen nicht erzählen, denn einige davon erfordern ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl und Anstand. Zum Beispiel gibt es eine hochrangige Landadlige, die äußerst empört wäre, wenn die Details ihres ungewollten nächtlichen Umherwanderns bekannt werden würden.

       Aber es gibt andere Fälle, oft dunkel und verstohlen, die ich von Rechts wegen unter Verschluss halten muss. Das liegt allerdings nicht daran, dass sie zu beängstigend oder verstörend für meine guten Freunde wären, sondern einzig allein daran, dass ich wahrscheinlich mein Ende in einer dunklen Zelle bei Brot und Wasser fände, wenn ich irgendwem davon erzählen würde … aber nur, wenn ich nicht schon vorher mein Ende am Seil des Henkers erleide. Dinge der nationalen Sicherheit sind bereits in den besten Zeiten eine heikle Sache und wenn es um mein spezielles Fachgebiet geht, dann neigen sie dazu, noch merkwürdiger und noch weniger dem Auge der Öffentlichkeit zugänglich zu sein.

       Mein Freund Dodgson hat an anderer Stelle bereits von meinen gelegentlichen Begegnungen mit dem außergewöhnlichen Mr. Winston Churchill berichtet und die Sache, über die ich hier heute schreiben will, beginnt und endet mit einem solchen Treffen.

      »Langsam wird es spannend«, flüsterte Banks. Er musste unbedingt mehr erfahren, aber bevor er Zeit dafür hatte, musste er erst einmal herausfinden, was sich hinter der großen Doppeltür befand.

      Eine Ledertasche lag auf dem Boden zu Füßen des toten Obersts und Banks sammelte schnell die ganzen Papiere und Notizbücher ein und verstaute sie darin, bevor er die Tasche in seinen Rucksack stopfte und sofort das Gewicht der Geschichte auf seinen Schultern spürte.

      Während Banks die Unterlagen einsammelte, untersuchte Hynd die Schubladen des Schreibtisches.

      »Hier ist nichts Wichtiges drin, Cap«, erklärte er. »Nur frisches Papier und Tinte, alles eingefroren. Anscheinend gibt es kein Logbuch oder Berichtsheft.«

      »Das wird schon irgendwo sein«, erwiderte Banks zuversichtlich. »Und wir sollten es definitiv finden.«

      Er warf einen letzten Blick auf den Offizier auf dem Stuhl – er konnte immer noch nicht glauben, dass der Mann nicht gleich aufstand und herumlief. Es gab nur noch eine weitere interessante Sache. Ein Kalender, der an der Wand neben der Tür hing und auf dem ein bestimmtes Datum dick rot umrandet war, und zwar der 4. Januar 1942.

      McCally und sein Team kamen von der anderen Seite zu ihnen, als Banks und Hynd aus dem Zimmer des Offiziers traten.

      »Irgendwas gefunden, Cally?«

      Der Corporal schüttelte den Kopf.

      »Noch ein paar Tote in ihren Betten. Sieht ganz so aus, als hätte, was immer das getan hat, sie alle im Schlaf erwischt. Das ist echt ein verdammtes Rätsel.«

      Bisher hatten sie nicht ein einziges Anzeichen dafür gefunden, dass es irgendeine Vorwarnung für die Bewohner der Basis gegeben hatte. Es schien so, als wären alle im selben Moment gestorben, einige mit dem beschäftigt, was sie gerade zu tun hatten und der Rest, vermutlich die einer anderen Schicht, waren in ihren Betten überrascht worden. Banks hoffte inständig, dass sie auf der anderen Seite der Doppeltür eine Antwort finden würden.

      Doch bevor er sich daran machte, sie zu öffnen, ging er zum Generatorraum zurück und sprach einen der beiden Männer an, die darin arbeiteten.

      »Und, Glück gehabt, Wiggins?«

      Der Soldat blickte ihn finster an.

      »Da tut sich überhaupt nichts, Cap«, erwiderte er. Er richtete den Strahl der Taschenlampe jetzt auf das dickere Kabel, das in der Wand verschwand. »Wir haben gedacht, der Generator ist vielleicht dazu da, den Strom durch dieses Kabel zu leiten, aber es ist offenbar genau andersherum. Hier ist alles tot und irgendwelcher Saft, der dieses Teil hier antreibt, muss anscheinend von da kommen, wo das Kabel hinführt.«

       Auf der anderen Seite der Doppeltür.

      »Dann macht euch bereit, Männer«, rief Banks. »Versuchen wir, herauszufinden, was die Penner hier gemacht haben, bevor sie gestorben sind.«

      Kapitel 3

      Die Doppeltür war nicht verschlossen und ging überraschend leicht auf, auch wenn das Quietschen der Angeln wie eine Sirene durch die Kammer hallte und Banks die Nackenhaare zu Berge stehen ließ. Sein Bauchgefühl drängte ihn unwillkürlich dazu, wegzulaufen. Mit den Jahren hatte er gelernt, darauf zu vertrauen, aber er hatte einen Job zu erledigen und ein Team anzuführen.

      »Cally, du bildest die Vorhut. Parker und Wiggins, ihr deckt uns den Rücken. Wir wissen immer noch nicht, was die Deutschen getötet hat, wenn ihr also etwas seht, was sich bewegt, habt ihr meine Erlaubnis, es augenblicklich zu erschießen.«

      McCally führte Hughes, Patel und Wilkes in die Dunkelheit hinter der Tür, während Banks und Hynd ihm direkt dahinter folgten.

      Man merkte schnell, dass sie in einem langen, geschlossenen Tunnel waren. Es gab auf keiner Seite eine Tür, nur eine dunkle Röhre, die sich noch hinter die Reichweite ihrer Taschenlampen erstreckte. Hier drin war es noch kälter und die Dunkelheit wirkte irgendwie bedrückender. Der Boden stieg leicht an und Banks’ mentaler Kompass sagte ihm, dass sie gerade aufwärts in Richtung des Stückes Eis mit der Kuppel darüber unterwegs waren, das sie von draußen schon gesehen hatten.

      Der Korridor bestand aus den gleichen Metallplatten, die sie schon überall in der Einrichtung gesehen hatten und wieder hatte Banks mehr das Gefühl, sich im Inneren eines Bootes zu befinden als in einem unterirdischen Bereich einer Basis im Eis. Die Kosten für den Brennstoff, der hier während des Betriebs alles erwärmt hatte, mussten astronomisch gewesen sein. Er fragte sich nicht zum ersten Mal, was so wichtig für die Nazis gewesen war, dass es sie zu so einer Geheimnistuerei und solchen Kosten getrieben hatte.

       Und das für ein Projekt, das offensichtlich fehlgeschlagen ist.

      Er hoffte, die Antwort am Ende dieses Korridors zu finden.

      Der Korridor selbst zog sich noch knapp dreißig Meter hin. Es gab keine weiteren Leichen mehr, aber als sie sich einer zweiten Doppeltür näherten, sahen sie Licht, das durch kleine Fenster auf Augenhöhe in den Türen drang. Banks musste keinen Befehl geben; das ganze Squad nahm automatisch die Waffen in die Hand und verstärkte ihre Wachsamkeit. Sie bewegten sich jetzt wie ein Mann auf die Tür zu.

      Banks ging voraus, um einen Blick durch die Fenster zu werfen, doch diese waren vereist. Er konnte sie zwar auf seiner Seite freiwischen, aber die Innenseite war danach immer noch zu milchig


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