Wolfgang Amadeus Mozart. Hermann Abert

Wolfgang Amadeus Mozart - Hermann  Abert


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Art alsbald daran gemacht, die kontrapunktischen Künste des Meisters nachzubilden.

      In Florenz trafen sie ihren alten Bekannten aus London, den Sänger Manzuoli, und es gereichte Wolfgang zu großer Freude, als er hörte, daß man von Mailand aus mit ihm in Unterhandlung stand, um ihn für seine Oper zu engagieren. Um ihn dafür zu gewinnen, gab ihm Wolfgang seine Arien, auch die zur Probe in Mailand komponierten, zu singen. Eine zärtliche Freundschaft stiftete er aber mit dem vierzehnjährigen Thomas Linley, dem Sohne eines englischen Komponisten, der sich als Schüler bei Nardini aufhielt und bereits so Außerordentliches als Violinspieler leistete, daß man ihn seinem Lehrer nahestellte. Die beiden Knaben lernten sich bei Sgra. Maddalena Morelli kennen, die unter dem Namen Corilla als Improvisatrice berühmt war37 und 1776 auf dem Kapitol als Dichterin gekrönt wurde38, und waren während der wenigen Tage, die Mozarts sich in Florenz aufhielten, unzertrennlich, indem sie unermüdlich miteinander wetteiferten, "nicht als Knaben, sondern als Männer". Endlich brachte Tommasino, wie Linley in Italien hieß, zum Abschied, der beide Knaben bittere Tränen kostete, noch ein Gedicht an Wolfgang, das Corilla ihm verfaßt hatte (Beil. III A, 7). Nach Burney 39 sprach man vom Tommasino und dem kleinen Mozart in ganz Italien als von zwei Genies, die die größte Hoffnung erweckten, und Kelly erzählt40, daß Mozart in Wien mit Wärme Linleys und der großen Erwartungen gedachte, die sein früher Tod täuschen mußte41.

      Ungern trennten sie sich von einer Stadt, von der L. Mozart seiner Frau schrieb "ich wollte, daß Du Florenz selbst und die ganze Gegend und Lage der Stadt sehen könntest: Du würdest sagen, daß man hier leben und sterben soll". Allein die Zeit drängte, wenn sie in Rom zu den Feierlichkeiten der Karwoche eintreffen sollten. Nach einer mühseligen Reise, unter dem schlechtesten Wetter, daß sie eher dachten nach Salzburg als nach Rom zu kommen, durch ein meistens unbebautes Land mit abscheulichen Wirtshäusern, in denen viel Unflat, aber nichts zu essen, als da und dort ein paar Eier und Broccoli, zu finden war, kamen sie bei einem starken Gewitter unter Blitz und Donner, "wie man die großen Herren mit Abfeuerung des schweren Geschützes empfängt" am Mittag des Karmittwochs (11. April) in Rom an. Es war gerade noch Zeit genug, um in die Sixtinische Kapelle zu eilen und das "Miserere" von Allegri zu hören. Und hier legte Wolfgang jene viel berühmte Probe feinen Gehörs und treuen Gedächtnisses ab42. Er schrieb nämlich das berühmte "Miserere" (Ps. 50) von Greg. Allegri (1629–1640 Mitglied der päpstlichen Kapelle) nach dem Anhören aus dem Gedächtnis nieder. Dieses abwechselnd für fünf- und vierstimmigen Chor mit einem neunstimmigen Schlußsatz komponierte Stück wurde regelmäßig am Mittwoch und Freitag der Karwoche gesungen43. Es galt allgemein als die Krone seiner Gattung und als der Höhepunkt der päpstlichen Karfreitagsmusik44. Kein Wunder, daß, wie L. Mozart berichtet, die Kapelle ängstlich darauf bedacht war, es vor unberufenen Abschreibern zu hüten45.

      Wolfgangs Leistung machte natürlich großes Aufsehen, zumal als er das Stück in Gegenwart des päpstlichen Sängers Cristofori vortrug und dieser die genaue Übereinstimmung erkannte. Auch die Furcht von Mutter und Schwester in Salzburg, Wolfgang könne sich durch das Aufschreiben des "Miserere" versündigt haben und in Unannehmlichkeiten geraten, konnte der Vater beschwichtigen46; sie sollten den Vorfall nur unbesorgt selbst den Erzbischof wissen lassen.

      Zunächst suchten sie an allen Feierlichkeiten der Kar- und Osterwoche teilzunehmen. "Unsere gute Kleidung", schreibt L. Mozart, "die deutsche Sprache und meine gewöhnliche Freiheit, mit welcher ich meinen Bedienten in deutscher Sprache den geharnischten Schweizern zurufen ließ, daß sie Platz machen sollten, half uns aller Orten bald durch". Er war es wohl zufrieden, daß man Wolfgang für einen deutschen Kavalier oder gar Prinzen und ihn für dessen Hofmeister hielt. Bei der Tafel der Kardinäle stand Wolfgang neben dem Sessel des Kardinal Pallavicini und erregte dessen Aufmerksamkeit, so daß er ihn um seinen Namen fragte. Als er ihn erfahren, sagte er erstaunt: "Ei, sind Sie der berühmte Knabe, von dem mir so vieles geschrieben worden ist?", unterhielt sich freundlich mit ihm, lobte sein Italienisch und radebrechte sogar etwas Deutsch mit ihm.

      Als die kirchlichen Festlichkeiten vorüber waren, fingen sie an, ihre zwanzig Empfehlungsbriefe abzugeben, und die Aufnahme bei den vornehmen Familien, den Chigi, Barberini, Bracciano, Altemps war glänzend; eine Gesellschaft, in der Wolfgang sich hören lassen mußte, drängte die andere. Das Erstaunen über seine Leistungen wurde, wie L. Mozart meinte, um so lebhafter, je tiefer sie nach Italien hineinkamen, "aber der Wolfgang", setzte er hinzu, "bleibt mit seiner Wissenschaft auch nicht stehen, sondern wächst von Tage zu Tage, daß die größten Meister und Kenner nicht Worte genug finden können, ihre Bewunderung an den Tag zu legen".

      Selbstverständlich hat Mozarts eigenes Schaffen während dieser ganzen Zeit trotz des Opernauftrags nicht geruht. Ein festes Datum tragen indessen nur die beiden Demofoonte-Arien von Metastasio (I 13, II 6) "Se ardire esperanza" und "Se tutti i mali miei" (K.-V. 82, 83, S. XXIV. 48 a, S. VI. 8 mit Nottebohms R.-B.) für Sopran, die in den April und Mai fallen47. Die Arien sind zwar in der Form untadelhaft, stehen aber an Gehalt ihren Vorgängerinnen (S. 149) ziemlich nach.

      Darüber vergaß Wolfgang aber auch die Salzburger nicht und schickte seiner Schwester, mit der er über Tanzmusik korrespondierte, die ihm auch neue Haydnsche Menuette schicken mußte, einen frisch komponierten Kontretanz48. "Wolfgang", bemerkt der Vater dazu, "wünscht, daß Hr. Cyrillus Hofmann die Schritte dazu componiren möchte, und zwar möchte er, daß, wenn die zwei Violinen als Vorsänger spielen, auch nur zwei Personen vortanzen möchten und dann allezeit, so oft die ganze Musik mit allen Instrumenten eintritt, die ganze Kompagnie zusammentanzen soll. Am schönsten wäre es, wenn es mit fünf Paaren getanzt würde. Das erste Paar fängt das erste Solo an, das zweite tanzt das zweite und so fort, weil fünf Solo und fünf Tutti sind". Hier trafen sie auch mit Meißner zusammen, der aus Neapel wieder nach Salzburg zurückreiste; Wolfgang trat mit ihm im deutschen Jesuitenkollegium auf, auf Veranlassung des Hrn. v. Mölk aus Salzburg, der dort seine Studien machte.

      In Rom wohnten sie im Hause des päpstlichen Kuriers Uslinghi an der Piazza del Clementino. Sie fanden hier die gastlichste Aufnahme und brauchten bei der Abreise nicht einmal etwas zu bezahlen. Diese erfolgte am 8. Mai und führte sie in Gesellschaft von vier Augustinermönchen die gewohnte Straße über Capua, wo sie der Einkleidung einer vornehmen Nonne anwohnten, nach Neapel.

       Die Lage dieser Stadt gefällt mir täglich besser, schreibt L. Mozart am 26. Mai49, und die Stadt überhaupt ist nicht übel, wenn das Volk nicht so gottlos und auch gewisse Leute nicht so dumm wären, die sich es sonst nicht einfallen lassen, daß sie dumm sind. Und der Aberglaube! Dieser ist hier so eingewurzelt, daß ich sicher sagen darf, daß hier eine völlige Ketzerey eingerissen, die man mit gleichgiltigen Augen ansiehet.

      Bei Hofe wurden sie zwar von der Königin Carolina, die Wolfgang von Wien her kannte, sehr gnädig empfangen, dagegen verhielt sich Ferdinand IV. nach seiner gleichgültigen Art durchaus ablehnend. "Was der König für ein Subjectum ist, schicket sich besser zu erzählen als zu beschreiben", meint L. Mozart50. So kam es zu keinem Auftreten am Hofe. Dagegen nahm der allmächtige Minister Tanucci die Ankömmlinge in seinen Schutz, und der Adel folgte seinem Beispiel. So nahmen die beiden des öfteren in herrschaftlichen Wagen, zwei Bediente mit Fackeln auf dem Tritt, an dem großen Wagenkorso der vornehmen Welt auf der Strada nuova und am Molo teil. Auch in vornehmen Häusern verkehrten sie viel, so bei der Fürstin von Francavilla, der Fürstin Belmonte, der alten Freundin Metastasios51, besonders aber bei dem ja auch durch Goethe bekannten englischen Gesandten Sir William Hamilton, der sie noch von London her kannte. Sein Haus war der Sammelpunkt aller Künstler und Gelehrten; er selbst war Violinist aus der Schule Giardinis, seine erste Frau eine treffliche Klavierspielerin, deren Verzierungskunst und rührender Ausdruck allgemein gerühmt wurden52. Hochbefriedigt erzählt L. Mozart, sie habe gezittert, als sie vor seinem Sohne hätte spielen sollen. Daneben fanden sich Bekannte aus früherer Zeit ein, Tschudi aus Salzburg, Meurikofer aus Lyon53 und Donker aus Amsterdam54. So brachten die Mozarts am 28. Mai eine sehr besuchte Akademie zustande55.

      Auch


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