Wolfgang Amadeus Mozart. Hermann Abert

Wolfgang Amadeus Mozart - Hermann  Abert


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113, S. IX. 15), vielleicht für eine Akademie oder sonst auf Bestellung.

      Während des Aufenthalts in Mailand war auch ein Vertrag mit dem Theater S. Benedetto in Venedig zustande gekommen, der Wolfgang zum Karneval 1773 die zweite Oper für dieses Theater übertrug (Beil. III F, 2). Wie sich diese Verpflichtung mit der für Mailand übernommenen vereinigen ließ, ist schwer zu begreifen. Vielleicht hat der venezianische Impresario Entgegenkommen versprochen. Ausgeführt wurde der Vertrag indessen nicht, die zweite Oper für Venedig übernahm vielmehr J.G. Naumann mit seinem erfolgreichen "Solimano" (von Migliavacca)12.

      Erst Mitte Dezember13 kehrte Mozart nach Salzburg zurück, wo er noch am 30. eine Sinfonie schrieb (K.-V. 114, S. VIII. 14); bald darauf befiel ihn eine schwere Krankheit14. Unterdessen hatten sich aber auch in Salzburg die Verhältnisse gründlich geändert. Am 16. Dezember 1771 war Erzbischof Sigismund einer langwierigen Krankheit erlegen; sein Nachfolger wurde nach mehrmaligen Scrutinien am 14. März 1772 Hieronymus Joseph Franz v. Paula, Graf von Colloredo, der bisherige Bischof von Gurk. Man war in Salzburg von dieser Wahl sehr wenig erbaut, denn man hatte unter dem lässigen Regiment des Vorgängers gute Tage gehabt und befürchtete nun mit Grund ein schärferes Anziehen der Zügel15. Zu der Feier seines Einzugs und der Huldigung am 29. April 1772 sollte Mozart die Festoper schreiben16. Es war wiederum eine Serenade (azione teatrale) "Il sogno di Scipione" (K.-V. 126, S.V. 7) von Metastasio, die schon am 1. Oktober 1735 zum Geburtstag Kaiser Karls VI. mit der Musik von Predieri aufgeführt worden war. Damals hatte sie auf die unglücklichen Kriegsereignisse in Italien angespielt, jetzt übertrug man sie ganz unbesehen auf das erzbischöfliche Fest, ein Beweis dafür, welchen Unsinn man mitunter bei diesen Gelegenheitsopern vertrug. Selbst die Licenza wurde übernommen, und nur statt des Namens Carlo "Girolamo" eingesetzt17. Wahrscheinlich fand die Aufführung Anfang Mai 1772 statt18.

      Die übrigen datierten Kompositionen aus dieser Zeit sind eine Sinfonie (K.-V. 124, S. VIII. 15) vom 21. Februar und die Litanei "de Venerabili" in B-Dur (K.-V. 125, S. II. 2) vom März. Im Mai folgten außer einem "Regina coeli" (K.-V. 127, S. III. 11) drei Sinfonien (K.-V. 128–130, S. VIII. 16–18), im Juni ein Divertimento (K.-V. 131, S. IX. 16), im Juli und August wieder drei Sinfonien (K.-V. 132–134, S. VIII. 19–21). Auch drei Divertimenti für Streichquartett (K.-V. 136–138, S. XIV. 24–26) tragen die Jahreszahl 1772. Augenscheinlich sind alle diese Werke, und noch verschiedene andere ohne genaues Datum, die ihr Stil in diese Zeit verweist, für bestimmte Gelegenheiten in Salzburg geschrieben. Nicht immer fand Mozart damit Anklang. So ließ sich Burney von einem Bekannten berichten, der junge Mozart sei zwar immer noch Meister auf seinem Instrumente, seine Orchestersachen dagegen seien nur "ein Beweis mehr, daß frühzeitige Früchte mehr ungewöhnlich als vortrefflich sind."19

      Einen äußeren Vorteil brachte übrigens dem jungen Künstler der Regierungsantritt des Erzbischofs Hieronymus: es wurde ihm in seiner Stellung als Konzertmeister am 9. August ein Gehalt von 150 Fl. "für dermalen" bewilligt.20

      Am 24. Oktober begaben sich Vater und Sohn wiederum auf die Reise nach Mailand, um dort zur rechten Zeit für die neue Oper einzutreffen. In dem "traurigen Botzen" komponierte Wolfgang "für die lange Weile" ein Quattro, dann wurde sein Namenstag (31. Oktober) lustig bei den Gebrüdern Piccini in Ala gefeiert, und nach dem gewohnten Aufenthalt in Verona bei Luggiati langten sie am 4. November in Mailand an. Hier stellten sich bei L. Mozart Schwindel und Eingenommenheit des Kopfes aufs neue ein, Folgen eines unglücklichen Falles, die ihn schon in Salzburg geplagt hatten, dazu quälten ihn allerlei "Salzburger Gedanken", die offenbar in dem dortigen Regierungswechsel ihren Grund hatten; ihm bangte vor der Zukunft des Sohnes, wenn es nicht glücken sollte, ihm eine angemessene Stellung zu verschaffen.

      Die Oper, die Wolfgang zu komponieren hatte, war "Lucio Silla", der Text stammte von Giov. da Gamerra21 in Mailand. Wolfgang brachte diesmal einen Teil der Rezitative fertig mit, aber nicht zu seinem Vorteil, denn der Dichter hatte mittlerweile seinen Text Metastasio zur Prüfung vorgelegt, der vieles geändert und eine neue Szene eingelegt hatte. Indes hatte er Zeit, die Rezitative umzuschreiben und zu vollenden sowie auch die Chöre nebst der Ouvertüre zu komponieren, denn von den Sängern hatte sich erst die Sgra. Felicita Suarti, die 1769 in Parma sang und jetzt die Stelle des secondo uomo vertrat, mit dem ultimo tenore eingestellt. Sie fanden Mailand noch sehr leer, alles hielt sich noch auf dem Lande auf, nur die Familie d'Aste empfing sie mit der alten Vertraulichkeit; auch Mysliweczek hielt sich noch dort auf. Dann kam auch der primo uomo Venanzio Rauzzini (geb. 1752), ein vortrefflicher Sporanist, geschickter Klavierspieler und auch als Komponist nicht unbedeutend. Er war seit 1766 in München, wo Burney ihn kennenlernte, als es schon bestimmt war, daß er in Mozarts Oper singen würde22. Sehr bald war seine erste Arie fertig; der Vater fand sie unvergleichlich und daß Rauzzini sie singe, wie ein Engel23. Am 4. Dezember kam endlich nach einer sehr beschwerlichen Reise von Venedig die Primadonna de Amicis. Es war Zeit, denn die Aufführung sollte wieder am 26. Dezember sein, und bis dahin waren noch vierzehn Stücke zu machen, unter ihnen das Terzett und das Duett, "die für vier zu rechnen waren". "Ich kann unmöglich viel schreiben", schreibt Wolfgang am 5. Dezember, "denn ich weiß nichts, und zweitens weiß ich nicht was ich schreibe, indem ich nur immer die Gedanken bei meiner Opera habe und Gefahr laufe, Dir anstatt Worte eine ganze Aria hinzuschreiben". Maria Anna de Amicis (geb. um 1740), eine Schülerin der Tesi, war durch Chr. Bach in London 1762 von der Opera buffa als Primadonna zur Opera seria gebracht worden. Sie war schon seit fünf Jahren mit Buonsolazzi, einem Beamten in Neapel, verheiratet und brachte eine kleine Tochter Sepperl mit nach Mailand24. Obwohl Mozarts sie schon von der Pariser Reise her kannten, so war sie anfangs nicht abgeneigt, Schwierigkeiten zu machen; aber bald stellte sich die beste Freundschaft und Vertraulichkeit her. Als sie ihre drei Arien kennengelernt hatte, war sie ganz außerordentlich zufrieden; die Hauptarie hatte Wolfgang mit neuen, und ganz besonderen, erstaunlich schweren Passagen ausgestattet25. L. Mozart fand aber auch nach den Proben, daß sie wie ein Engel singe und spiele; ganz Salzburg würde erstaunt sein, so etwas zu hören.

      Immer noch fehlte der Tenorist Cardoni, bis endlich die Nachricht eintraf, er sei so schwer erkrankt, daß er nicht auftreten könne. Nun wurde der Theatersekretär nach Turin und zugleich ein Eilbote nach Bologna geschickt, um für einen anderen guten Tenor zu sorgen, der nicht nur ein guter Sänger, sondern "absonderlich ein guter Akteur und eine ansehnliche Person sein mußte, um den Lucio Silla mit Ruhm vorzustellen". Aber ein solcher war nicht aufzutreiben, und man sah sich schließlich genötigt, einen Kirchensänger aus Lodi, Bassano Morgnoni, zu nehmen, der nur dort einigemal auf dem Theater gesungen, aber noch keine größere Bühne betreten hatte. Dieser kam am 17. Dezember an, als schon die Proben im vollen Gange waren, und am folgenden Tage schrieb Wolfgang von den vier Arien, die er zu singen hatte, gleich zwei nieder. Am 21., 22. und 23. Dezember waren große Gesellschaften des hohen Adels im Firmianschen Hause, die unter beständiger Vokal- und Instrumentalmusik von 5 Uhr abends bis 11 Uhr dauerten. Wolfgang spielte jedesmal, und namentlich den dritten Abend mußte er gleich nach dem Eintritt der Herrschaften spielen, die sich dann sehr gnädig mit ihm unterhielten. Die Hauptprobe verlief glücklich, und auch die erste Vorstellung hatte am 26. Dezember trotz verschiedener Unglücksfälle den besten Erfolg.

      Die Oper fing regelmäßig eine Stunde nach Ave Maria an, und das Theater war um halb sechs so voll, daß niemand mehr hinein konnte. Der Erzherzog war erst kurz vor Ave Maria von der Tafel aufgestanden und hatte noch erst fünf eigenhändige Gratulationsschreiben zum neuen Jahr nach Wien ausfertigen müssen – man wollte wissen, daß ihm das nicht rasch von der Hand gehe. So mußten Sänger und Sängerinnen, die vor einer ersten Aufführung in ängstlicher Aufregung waren, und das ganze Publikum in Ungeduld und Hitze bis nach 8 Uhr auf den Hof warten. Unglücklicherweise hatte der Tenorist aus Lodi während der ersten Arie der Primadonna durch Gebärden seinen Zorn zu äußern; nun glaubte er ein übriges tun zu müssen und gestikulierte so ungebärdig, "daß es schien, als wolle er ihr Ohrfeigen geben und ihr die Nase mit der Faust wegstoßen". Darüber brach ein Gelächter aus; dies bestürzte die de Amicis, die nicht gleich wußte, wem das Gelächter galt, und sie sang den ganzen Abend nicht gut, besonders nachdem Rauzzini gleich


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