Wolfgang Amadeus Mozart. Hermann Abert
die Harmonie angebenden Bässe, die hier weit häufiger sind als in den Opern.
64 Schering S. 238 f.
65 Er liegt auch dem alten Choral "Mein Seel erhebt den Herrn" zugrunde. An derselben Stelle wie im Mozartschen erscheint die Weise auch in M. Haydns B-Dur- und neuerdings in F. Kiels As-Dur-Requiem.
66 Vgl. Hiller, Wöchentl. Nachr. I 326 ff., 343 ff., 353 ff. Schering S. 220. Kamienski S. 181 ff.
67 Bei Ozias Frage: "credi, Achior, che possa cosa alcuna prodursi senza la sua cagion?"
68 Dieses Mittel, dessen sich Gluck nach Hasses Muster schon in den Opern vor dem "Orfeo" mit so großem Erfolge bedient, wendet Mozart bezeichnenderweise sehr selten an. Gluck faßt mit diesen Sequenzen, die sich meist auf chromatisch fortschreitenden Bässen aufbauen, oft einen ganzen Gedankenkomplex steigernd zusammen, Mozart hält sich in seinen Seccos mehr an einzelne Worte und Begriffe. Auch Glucks feine Abstufung der Kadenzen (Voll-, Terz-und phrygische Kadenz) fehlt bei ihm. S.R. Meyer im Gluckjahrb. IV, 1 ff.
69 Um so mehr befremdet der weiche, fast tändelnde Modeton der Arie, die gar nichts Glaubensfestes enthält, ein Beweis für die Oberflächlichkeit, mit der man damals derartige Aufgaben zu lösen suchte.
70 S.o.S. 203. Vgl. besonders Amitals Arie (10), wo das anmutig flatternde Seitenthema zu dem Bilde des Seesturms gar keine Beziehung hat, sondern lediglich dem musikalischen Gegensatze dient.
71 Mattheson, Critica Musica I, S. 110 f.: "Daß die tiefen Singbässe einer Harmonie viele Majestät, viele Harmonie und force geben, ist unstreitig; ob aber allemahl etwas agreables, und nicht vielmehr sehr oft was rudes und entsetzliches dabei vermacht sey, will ich dem Zuhörer überlassen." Man vergleiche Gestalten wie Händels Polyphem und Bachs Äolus.
Kirchen- und Instrumentalwerke aus der Zeit der italienischen Reisen
Neben den besprochenen dramatischen Werken geht während Mozarts italienischer Zeit eine stattliche Reihe anderer her, die zum kleineren Teil für italienische Auftraggeber, zum größeren aber während der Pausen zwischen den einzelnen Reisen für den erzbischöflichen Brotherrn in Salzburg geschrieben sind. Hierher gehört zunächst eine Anzahl von kirchlichen Kompositionen.
Von der Salzburger Kirchenmusik war bereits bei L. Mozart die Rede1. Ihr hatte gerade Erzbischof Sigismund eine besondere Pflege gewidmet; in seiner strengen, allem Weltlichen abholden Frömmigkeit erblickte er den Hauptberuf seiner Kapelle eben im Kirchendienst. Sein Nachfolger Hieronymus bewährte seine Sparsamkeit auch an der Kapelle, die er sich durch seine Strenge obendrein persönlich entfremdete; man fand, daß die Salzburger Musik sich unter ihm eher verschlechtert als gehoben habe2, obgleich er, auf den Glanz des Hofes mehr als Sigismund bedacht, im einzelnen manches besserte3.
Der äußere Stand der erzbischöflichen Musik blieb auch zu Wolfgangs Zeiten derselbe wie zu Leopolds: zu den 30 Männerstimmen traten die 15 Kapellknaben, die der Erzbischof nicht allein unterhielt, sondern auch ausbilden ließ4. Die früher angestellten Kastraten ließ Erzbischof Sigismund aussterben, dagegen schickte er die Tochter des Domorganisten, Maria Magd. Lipp, zur Ausbildung im Gesange nach Italien und stellte sie dann 1762 als Hofsängerin an; bald darauf wurde sie die Frau M. Haydns. Erzbischof Hieronymus stellte wieder einen Kastraten an, Franc. Ceccarelli, der ein mäßiger Sänger war und sich auch als Mensch von gemeinem Charakter erwies.
Auch die Instrumentalkapelle hielt sich mit ihren Verstärkungen durch die vom Stadttürmer gestellten drei Posaunisten und die zum Futtermeisteramt gehörenden und zwischen dem Marstall und den Lakaien rangierenden5 je sechs Hof- und Feldtrompeter und Pauker auf der alten Höhe. Wichtig ist der Bericht L. Mozarts über die Verteilung aller dieser Kräfte6:
Die Hochfürstl. Domkirche hat hinten beim Eingang der Kirche die große Orgel, vorn beim Chor 4 Seitenorgeln und unten im Chor eine kleine Chororgel, wobei die Chorsänger sind. Die große Orgel wird bei einer großen Musik nur zum Präludieren gebraucht, bei der Musik selbst aber wird eine der 4 Seitenorgeln beständig gespielt, nämlich die nächste am Altar rechter Hand, wo die Solosänger und Bässe sind. Gegenüber auf der linken Seitenorgel sind die Violinisten usw., und auf den beiden anderen Seitenorgeln sind die 2 Chöre Trompeten und Pauken. Die untere Chororgel und Violon spielen, wenn es völlig gehet, mit. Die Oboe und Querflöte wird selten, das Waldhorn aber niemals in der Domkirche gehört. Alle diese Herren spielen demnach in der Kirche bei der Violine mit.
Erster Domorganist war seit 1751 Anton Cajetan Adlgasser (1728–1777), der Schüler (nachmals Schwiegersohn) Eberlins, und vom Erzbischof zu seiner weiteren Ausbildung nach Italien geschickt, ein tüchtiger Orgelspieler und Akkompagnist, dessen Kirchenwerke auch später noch in Salzburg aufgeführt wurden7. Weniger bedeutend war der zweite Domorganist Franz Ignaz Lipp, der Schwiegervater M. Haydns. 1774 trat noch Anton Paris, der Sohn des 1760 verstorbenen zweiten Organisten, hinzu8.
Kapellmeister war seit 1763 Gius. Franc. Lolli aus Bologna, der Nachfolger J.E. Eberlins, von dem einige Oratorien und Kirchenwerke erhalten sind. 1772 wurde als Titularkapellmeister Dom. Fischietti aus Neapel angestellt, der sich auch als Buffokomponist einen Namen gemacht hat9. Als Kapellmeister der Bustellischen Truppe war er 1765 nach Dresden gekommen10 und 1766 daselbst als Kirchenkomponist angestellt, aber seiner geringen Leistungen halber 1772 gerne wieder entlassen worden11. Sein "Mercato di Malmantile" war 1763 in Maggerbill zu Ehren der Gräfin Palfy, der Schwester des Erzbischofs Hieronymus, aufgeführt worden, womit vielleicht seine Berufung nach Salzburg zusammenhing. Hier scheint er auch mehr versprochen als geleistet zu haben; in den Mozartschen Briefen wird wiederholt darüber gespottet.
Als Lolli Kapellmeister und L. Mozart an seiner Stelle Vizekapellmeister geworden war, wurde Joh. Michael Haydn12 (1737–1806), der jüngere Bruder Josephs, auf die Empfehlung eines Neffen, des Erzbischofs Sigismund von Großwardein, wo er seit 1757 Kapellmeister war, als Konzertmeister und Orchesterdirektor berufen. Der persönliche Verkehr zwischen den Familien Mozart und Haydn war nicht lebhaft. Haydn hatte eine Neigung, bei einem Glase Bier oder Wein zu sitzen, die dem nüchternen und strengen Mozart um so tadelnswerter erschien, als er ihm vorwarf, daß er darüber seine Amtspflichten vernachlässige. "Wer meinst du wohl", schreibt er an Wolfgang (29. Dezember 1777), "ist Organist bei der heil. Dreifaltigkeit geworden? – Hr. Haydn! Alles lacht. Das ist ein teurer Organist; nach jeder Litaney sauft er ein Viertel Wein, zu den übrigen Diensten schickt er den Lipp und der will auch saufen"13. – (29. Juni 1778): "Nachmittags spielte Haydn bey der Litaney und Te deum laudamus (wo der Erzbischof zugegen war) die Orgel, aber so erschröcklich, daß wir alle erschraken. – Es war aber nur ein kleiner Rausch, der Kopf und die Hände konnten sich gar nicht miteinander vergleichen. – – – – Haydn wird sich in wenigen Jahren die Wassersucht an Hals saufen, oder wenigstens, da er itzt zu allem zu faul ist, immer fäuler werden, so wie er älter wird."14 Auch der Lebenswandel der Frau Haydn muß Anstoß gegeben haben; Wolfgang spottet in einem Briefe an Bullinger (7. August 1778): "Es ist wahr, die Haydin ist kränklich; sie hat ihre strenge Lebensart gar zu sehr übertrieben; es gibt aber wenig so! – mich wundert, daß sie durch ihr beständiges Geißeln, Peitschen, Ciliciatragen, übernatürliches Fasten, nächtliches Beten ihre Stimme nicht schon längst verloren hat."15 So mochte L. Mozart sowohl für sich als für seine Kinder einen näheren Verkehr mit diesem Hause um so weniger zuträglich finden, als ihm auch Haydns äußerliches Benehmen nicht zusagte. "Den möchte ich in Italien mit den Wälschen reden hören!" schreibt er (8. Dezember 1777), "da werden sie gewiß sagen: questo è un vero Tedesco!"16 Mögen persönliche Reibungen und Eifersüchteleien, wie sie in kleinen Verhältnissen leicht entstehen, vielleicht Einfluß gehabt haben auf diese ungünstige Beurteilung Michael Haydns; jedenfalls trifft die Ungunst nicht den Künstler. Zwar meinte L. Mozart, als Mich. Haydn 1787 eine Oper "Andromeda e Perseo" komponiert hatte, zu einer Theatralmusik habe er kein Genie, und die Arien für die Hauptperson seien