Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
wie aus der zweiten vermögend herauszukommen. Nachdem er den Rat erteilt hatte, alles hinzugeben, wandte er sich an den ehrenhaftesten der Pariser Anwälte mit dem Ersuchen, die Liquidation des Konkurses zu übernehmen und den Erlös den Gläubigern zur Verfügung zu stellen. Das Gesetz schreibt vor, daß die Gläubiger während der Dauer der Tragödie dem Kridar und seiner Familie Subsistenzmittel zu gewähren haben. Pillerault ließ den Konkursverwalter wissen, daß er für seinen Neffen und seine Nichte diese Verpflichtung selbst übernehme.
Du Tillet hatte alles so eingefädelt, daß der Konkurs für seinen ehemaligen Prinzipal ein ununterbrochener Todeskampf sein sollte; und zwar in der Art: In Paris ist die Zeit so kostbar, daß im allgemeinen bei Konkursen von den beiden Syndicis sich nur einer mit der Sache befaßt. Der andere ist nur der Form wegen da; er gibt seine Zustimmung wie der zweite Notar bei Notariatsakten. Der tätige Syndicus verläßt sich ziemlich häufig auf den Anwalt. Infolgedessen werden in Paris die Fallissements der ersten Art so glatt abgewickelt, daß innerhalb der gesetzlichen Fristen alles erledigt, zurechtgebunden, eingerichtet und in Ordnung gebracht ist! Nach hundert Tagen kann der Konkursverwalter das grausame Wort jenes Ministers nachsprechen: »In Warschau herrscht Ordnung.«
Du Tillet wollte den Parfümhändler als Kaufmann zugrunde gerichtet wissen. Das wurde Pillerault klar durch die Namen der Syndici, die auf Betreiben du Tillets gewählt worden waren. Herr Bidault, genannt Gigonnet, sollte sich mit nichts befassen; Molineux, der kleine alte Quälgeist, mit allem. Diesem kleinen Schakal hatte du Tillet den zu Boden geschlagenen vornehmen Kaufmannskörper vorgeworfen, damit er ihn beim Verschlingen martere. Nach der Gläubigerversammlung, in der die Syndici gewählt worden waren, kehrte der kleine Molineux nach Hause zurück, »geehrt«, wie er sich ausdrückte, »durch die Wahl seiner Mitbürger« und glücklich darüber, daß er nun mit Birotteau umspringen konnte wie ein Kind, das ein Insekt quälen kann. Der Hausbesitzer, der auf dem Gesetze herumritt, bat du Tillet, ihn mit seiner Einsicht zu unterstützen, und kaufte sich das Handelsgesetzbuch. Glücklicherweise hatte Joseph Lebas, von Pillerault darauf hingewiesen, gleich beim Präsidenten erreicht, daß ein verständiger und wohlwollender Konkursverwalter ernannt wurde. Gobenheim-Keller, den du Tillet gern gehabt hätte, wurde so durch Herrn Camusot, den stellvertretenden Richter und reichen Seidenhändler, einen Liberalen, ersetzt, der Besitzer des Hauses war, in dem Pillerault wohnte, und der für einen ehrenhaften Mann galt.
Einer der fürchterlichsten Tage in Cäsars Leben war der, an dem die Konferenz, die er mit dem kleinen Molineux abhalten mußte, stattfinden sollte, mit diesem Menschen, den er als eine Null ansah, und der nun, durch eine gesetzliche Fiktion, zu Cäsar Birotteau geworden war. Er sollte, begleitet von seinem Onkel, nach dem Holländischen Hof gehen, die sechs Treppen hinaufsteigen und in die scheußliche Wohnung des Alten hineintreten, der sein Vormund, sozusagen sein Richter und der Vertreter seiner Gläubiger war.
»Was ist dir?« fragte Pillerault Cäsar, als er ihn stöhnen hörte.
»Ach, lieber Onkel, was das für ein Mensch ist, dieser Molineux!«
»Ich sehe ihn seit fünfzehn Jahren ab und zu im Café David, wo er abends Domino spielt, deshalb habe ich dich begleitet.«
Herr Molineux war von übertriebener Höflichkeit gegen Pillerault und von verächtlicher Herablassung gegen seinen Kridar. Der kleine Alte hatte sich vorher sein Benehmen zurechtgelegt, die Einzelheiten seiner Haltung einstudiert und seine Rede vorbereitet.
»Was für Aufklärungen verlangen Sie?« sagte Pillerault. »Keine der Forderungen wird angefochten.«
»Oh,« sagte der kleine Molineux, »die Forderungen sind in Ordnung, alles ist geprüft. Die Gläubiger sind alle ernsthafte und legitime! Aber das Gesetz, Herr Pillerault, das Gesetz! Die Ausgaben des Kridars stehen in keinem Verhältnis zu seinem Vermögen … Es steht fest, daß der Ball …«
»Dem Sie beigewohnt haben«, unterbrach ihn Pillerault.
»Sechzigtausend Franken gekostet hat, oder daß diese Summe jedenfalls bei dieser Gelegenheit ausgegeben worden ist, obwohl die Aktiva des Kridars damals nicht mehr als hundert und einige Tausend Franken betrugen … Der Kridar müßte vor dem Sondergericht erscheinen unter der Beschuldigung des Bankrotts.«
»Ist dies Ihre Meinung?« sagte Pillerault, als er sah, wie dieses Wort Birotteau niederschlug.
»Ich unterscheide, Herr Pillerault; der Herr Birotteau war städtischer Beamter …«
»Sie haben uns doch wohl nicht hierher kommen lassen, um uns zu erklären, daß wir vor das Zuchtpolizeigericht gebracht werden sollen?« sagte Pillerault. »Das ganze Café David würde heute abend über Ihr Verhalten lachen.«
Die Meinung des Cafés David schien den kleinen Alten sehr zu beunruhigen, der Pillerault erschreckt ansah. Der Syndicus hatte damit gerechnet, Birotteau allein vor sich zu haben, und hatte sich vorgenommen, als souveräner Richter, als ein Jupiter aufzutreten. Er hatte gehofft, Birotteau in Schrecken zu setzen, indem er ihn mit seiner vorbereiteten Anklagerede zu Boden schlug, sich an seiner Aufregung und seinem Schrecken zu ergötzen, um sich dann rühren und besänftigen zu lassen und sein Opfer zu einer ihm für ewig dankbaren Seele zu machen.
»Herr Pillerault,« sagte er, »hierbei ist nichts zu lachen.«
»Verzeihung«, erwiderte Pillerault. »Sie verhandeln ziemlich eingehend mit Herrn Claparon; Sie schädigen die Interessen der Konkursmasse, um mit Ihren Forderungen bevorzugt zu werden. Ich habe daher als Gläubiger das Recht, Einspruch zu erheben. Der Konkursverwalter ist auch noch da.«
»Ich bin unbestechlich«, sagte Molineux.
»Das weiß ich,« sagte Pillerault, »Sie haben nur, wie man zu sagen pflegt, Ihre Hand aus der Schlinge gezogen. Sie sind ein schlauer Mann, Sie sind hier ebenso vorgegangen wie bei der Sache mit Ihrem Mieter …«
»Oh, Herr Pillerault,« sagte der Syndicus, der plötzlich wieder zum Hausbesitzer geworden war, wie die in eine Frau verwandelte Katze hinter einer Maus herjagte, »in meiner Angelegenheit in der Rue Montorgueil ist das Urteil noch nicht gefällt. Es ist da, wie man sagt, ein Zwischenfall eingetreten. Der Mieter ist ein Hauptmieter. Dieser Intrigant behauptet jetzt, er habe auf ein Jahr vorausbezahlt, und da er nicht