Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
Haus einen Kredit, der nur von die Grenzen von meinen Vermeegen beschränkt is.«
Der fröhlich machende Balsam, den das Wasser, das der Engel Hagar in der Wüste darreichte, enthielt, mußte ähnlich gewirkt haben wie der Tau, mit dem diese Worte in verstümmeltem Französisch die trockenen Adern des Parfümhändlers erquickten. Der schlaue Baron, der einen Grund haben wollte, sich auf richtig gesagte, aber falsch verstandene Worte berufen zu können, hatte die schauderhafte Aussprache der deutschen Juden, die sich schmeicheln, französisch zu sprechen, beibehalten.
»Sie sollen ein Kontokurrent haben. Wir wollen die Sache so machen«, sagte mit elsässischer Einfalt der gute, der verehrungswürdige, der große Finanzmann.
Birotteau zweifelte jetzt an nichts mehr; er war Kaufmann und wußte, daß diejenigen, die keine bindende Erklärung abgeben wollen, niemals sich auf die Einzelheiten der Ausführung einlassen. »Ich brauch Ihnen nich zu sagen, daß bei die Großen wie bei die Kleinen die Bank drei Unterschriften verlangt. Also, Sie wern ausstellen die Wechsel an die Order von unsern Freind di Tillet, und der werd sie schicken am selben Tage mit meine Unterschrift an die Bank und Sie wern haben um vier Uhr den Betrag von die Wechsel, was Sie unterschrieben haben frühmorgens, zum Zinsfuß von die Bank. Ich will nischt für Kommission, nischt für Skonto, gar nischt, denn ich wer haben das Vergniegen, daß ich Ihnen kann sein gefällig … Aber ich stell eine Bedingung«, sagte er und strich sich mit unnachahmlich schlauer Miene mit seinem linken Zeigefinger über die Nase.
»Sie ist im voraus zugestanden, Herr Baron«, sagte Birotteau, der an irgendeinen Beteiligungsanspruch an seinen Gewinnen dachte.
»Eine Bedingung, auf der ich den greeßten Wert lege, weil ich will, daß Frau von Nucingen, wie sie hat gesagt, nimmt Unterricht bei Frau Birotteau.«
»Aber Herr Baron, Sie machen sich über mich lustig, ich bitte Sie!«
»Herr Birotteau,« sagte der Baron mit ernstem Gesicht, »es is abgemacht, Sie laden uns ein zu Ihren nächsten Ball, meine Frau is eifersüchtig, sie will sehn Ihre Zimmer, von die man ihr gesagt hat, alles ist gewesen entzückt.«
»Herr Baron!«
»Oh, wenn Sie nich wollen, dann gibt’s keinen Kredit! Sie stehn in große Gunst, Sie! Ich weiß, Sie haben gehabt den Seinepräfekt, der hat kommen müssen.«
»Herr Baron!«
»Sie haben gehabt von Pillardiere, den ordentlichen Kammerherrn, von Fontaine, was, wie Sie, gewesen is blessiert … bei Saint Roch.«
»Am 13. Vendémiaire, Herr Baron.«
»Sie haben gehabt Herrn von Lassebett, Herrn Fauquelin von de Akademie.«
»Herr Baron!«
»Teifel noch mal, sein Se doch nich so bescheiden, Herr Beigeordneter, ich hab gehört, der Keenig hat gesagt, daß Ihr Ball …«
»Der König?« fragte Birotteau, konnte aber nicht mehr darüber erfahren.
Jetzt trat ein junger Mann zwanglos ins Zimmer, dessen Schritt, den die schöne Delphine von Nucingen schon von weitem vernommen hatte, sie stark erröten ließ.
»Guten Tag, mein lieber de Marsay!« sagte der Baron von Nucingen, »setzen Sie sich auf meinem Platze; man hat mir gesagt, es is eine Riesenmasse Menschen in meine Bureaus. Ich weiß, warum! Die Wortschiner Minen geben ne Dividende, zweimal so groß wies Kapital! Ich hab de Abrechnung bekommen! Se haben hunderttausend Franken Rente mehr, Frau von Nucingen! Se kennen sich kaufen Gürtel und andre Sachen, was Se hübsch machen, so viel Se wollen.«
»Großer Gott! Und die Ragons haben ihre Aktien verkauft!« rief Birotteau aus.
»Was sind das für Herren?« fragte lächelnd der junge Elegant.
»Mir scheint, daß diese Leite« … sagte Herr von Nucingen, der schon die Tür erreicht hatte und sich umwandte, »de Marsay, das hier is Herr Birotteau, was Ihre Parfüms liefert und Bälle gibt von asiatische Pracht und den der Keenig hat dekoriert.«
De Marsay nahm sein Lorgnon und sagte: »Ah, richtig. Ich wußte, daß das Gesicht mir bekannt war. Sie wollen wohl Ihre Geschäfte mit einem guten Kosmetikum parfümieren, sie einölen …«
»Ach, richtig, die Ragons,« fuhr der Baron fort und machte ein ärgerliches Gesicht, »se hatten e Konto bei mir, ich hab se wollen ein Vermeegen verschaffen, und se konnten nich ’n Tag länger warten.«
»Herr Baron!« rief Birotteau.
Der arme Kerl fand, daß seine Angelegenheit noch sehr unklar war, und lief, ohne sich von der Baronin und de Marsay zu verabschieden, hinter dem Baron her.
Herr von Nucingen war schon auf der ersten Treppenstufe, der Parfümhändler erreichte ihn, als er in seine Bureaus trat. Als er die Tür öffnete, bemerkte Herr von Nucingen eine verzweifelte Bewegung der armen Kreatur, die sich in einen Abgrund versinken sah, und sagte: »Nu, wir sind also einig! Gehn Se zu di Tillet un machen Se de Sache mit ihn ab.«
Da Birotteau glaubte, daß de Marsay Einfluß auf den Baron hätte, rannte er die Treppe mit Windeseile wieder hinauf und schlich sich in das Speisezimmer, wo die Baronin und de Marsay noch sein mußten; als er sie verließ, wartete Delphine noch auf ihren Milchkaffee. Der Kaffee war, wie er sah, aufgetragen, aber die Baronin und der junge Elegant waren verschwunden. Zu dem erstaunten Gesicht des Parfümhändlers lächelte der Kammerdiener, und Birotteau ging langsam die Treppe wieder hinab. Er eilte zu du Tillet; der war, wie ihm gesagt wurde, bei Frau Roguin auf dem Lande. Der Parfümhändler nahm ein Kabriolett und zahlte einen Preis, für den er ebenso schnell wie mit der Post nach Nogent-sur-Marne gefahren werden sollte. In Nogent-sur-Marne teilte der Portier dem Parfümhändler mit, daß »die Herrschaften« nach Paris zurückgekehrt seien. Gebrochen kehrte Birotteau nach Hause zurück. Als er seine Irrfahrt seiner Frau und seiner Tochter erzählte, war er äußerst erstaunt, daß seine Konstanze, die sonst bei der geringsten geschäftlichen Schwierigkeit wie ein Unglücksvogel auf der Stange hockte, ihn aufs liebevollste tröstete und ihm versicherte, alles würde gut gehen.
Am andern Morgen befand sich Birotteau schon um sieben Uhr in du Tillets Straße auf dem Posten. Er bat den Portier du Tillets, ihn mit dessen Kammerdiener in Beziehung zu setzen, wobei er ihm zehn Franken zusteckte. Dadurch erreichte er es, den Kammerdiener sprechen zu können, den er ersuchte, ihn zu du Tillet hineinzubringen, sobald dieser sichtbar sein würde; dafür ließ er ihm zwei Goldstücke in die Hand gleiten. Diese kleinen Opfer und großen Demütigungen, die den Höflingen wie den Bittstellern geläufig sind, ließen ihn