Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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im­mer dunk­ler er­schi­en, wa­ren.

      »Schön! Vic­toire!« rief der Ban­kier.

      Auf die­sen Ruf er­schi­en eine wah­re Si­byl­le, her­aus­ge­putzt wie ein Fisch­weib.

      »Sa­gen Sie den Kom­mis, daß ich für nie­man­den zu spre­chen bin, auch nicht für Nu­cin­gen, die Kel­lers, Gi­gon­net oder an­de­re!«

      »Es ist nur Herr Lem­per da.«

      »Mag er die gan­ze lie­be Ge­sell­schaft emp­fan­gen. Der Pö­bel soll nicht wei­ter als ins ers­te Zim­mer kom­men. Er soll sa­gen, daß ich nach­zu­den­ken habe über einen großen Schluck aus der Pul­le … aus der Cham­pa­gner­pul­le.«

      Ei­nen frü­he­ren Ge­schäfts­rei­sen­den be­trun­ken zu ma­chen, ist ein Ding der Un­mög­lich­keit. Cäsar hat­te die leb­haf­ten Aus­drücke schlech­ten Tons für An­zei­chen von Trun­ken­heit ge­hal­ten, als er ver­such­te, sei­nen Teil­ha­ber aus­zu­hor­chen.

      »Die­ser nie­der­träch­ti­ge Ro­guin steht mit Ih­nen im­mer noch in Ver­bin­dung,« sag­te Bi­rot­teau, »möch­ten Sie ihm nicht schrei­ben, daß er ei­nem al­ten Freun­de, den er be­tro­gen hat, hel­fen sol­le, ei­nem Man­ne, mit dem er all­sonn­täg­lich zu­sam­men am Tisch ge­ses­sen hat und mit dem er seit zwan­zig Jah­ren be­kannt war?«

      »Ro­guin? … ein Dumm­kopf! Sein An­teil ge­hört uns. Sei­en Sie nicht so trau­rig, mein Bes­ter, al­les wird noch gut wer­den. Be­zah­len Sie am fünf­zehn­ten, und bei nächs­ter Ge­le­gen­heit wol­len wir wei­ter se­hen. Wenn ich sage, wir wol­len se­hen … (ein Glas Wein!) so mei­ne ich, die Geld­sa­chen ge­hen mich ab­so­lut nichts an. Wenn Sie nicht zah­len – ich wer­de Ih­nen kein schie­fes Ge­sicht des­halb zie­hen, für mich kommt nur eine Kom­mis­si­ons­ge­bühr beim An- und Ver­kauf in die­ser Sa­che in Fra­ge, ab­ge­se­hen von dem, was ich bei den Grund­be­sit­zern her­aus­schla­ge … Ver­ste­hen Sie? Ihre Teil­ha­ber sind si­che­re Leu­te, ich brau­che also kei­ne Angst zu ha­ben, ver­ehr­ter Herr. Heut­zu­ta­ge müs­sen die Ge­schäf­te auf meh­re­re ver­teilt wer­den! Je­des Ge­schäft er­for­dert das Zu­sam­men­wir­ken von so viel Ka­pa­zi­tä­ten! Be­tei­li­gen Sie sich doch an un­sern Ge­schäf­ten. Was soll der Klein­kram mit Po­ma­den und Käm­men, da kommt nichts da­bei her­aus! Das Pub­li­kum müs­sen Sie sche­ren, in die Spe­ku­la­ti­on müs­sen Sie mit hin­ein­ge­hen.«

      »Die Spe­ku­la­ti­on?« sag­te der Par­füm­händ­ler, »was ist das für ein Ge­schäft?«

      »Das ist das ab­strak­te Ge­schäft,« er­wi­der­te Cla­paron, »ein Ge­schäft, das nach der Äu­ße­rung des großen Nu­cin­gen, die­ses Na­po­le­ons der Finanz, noch etwa zwölf Jah­re ein Ge­heim­nis blei­ben wird, und bei dem ei­ner die Ge­schäf­te in ih­rer To­ta­li­tät um­faßt und die Ge­win­ne vor­weg­nimmt, be­vor sie noch exis­tie­ren, eine gi­gan­ti­sche Kon­zep­ti­on, eine Metho­de, die Er­war­tun­gen vor­her zu re­gu­lie­ren, kurz, eine neue Ge­heim­leh­re! Wir sind bis­her erst zehn bis zwölf klu­ge Köp­fe, die in die ge­hei­men Leh­ren die­ser wun­der­ba­ren Kom­bi­na­ti­on ein­ge­weiht sind.«

      Cäsar sperr­te Au­gen und Ohren auf bei dem Ver­such, die­se kom­pli­zier­te Aus­drucks­wei­se zu ver­ste­hen.

      »Sol­che Haupt­schlä­ge«, sag­te Cla­paron nach ei­ner Pau­se, »er­for­dern Män­ner, wis­sen Sie. Da ist so ein Mensch mit Ide­en, der aber kei­nen Sou be­sitzt, wie alle Men­schen mit Ide­en. Die­se Leu­te den­ken und ge­ben al­les acht­los von sich. Stel­len Sie sich ein Schwein vor, das im Ge­hölz nach Trüf­feln sucht! Hin­ter ihm her geht ein Schlau­kopf, ein Mensch mit Geld, der ab­war­tet, bis er das Grun­zen ver­nimmt, das den Fund an­zeigt. Ist der Mensch mit Ide­en auf ir­gend­ei­ne gute Sa­che ge­sto­ßen, dann klopft ihm der Mensch mit Geld auf die Schul­ter und sagt: Was hast du denn da? Du rennst da mit­ten ins Feu­er hin­ein, mein Bes­ter, dazu bist du nicht wi­der­stands­fä­hig ge­nug; hier sind tau­send Fran­ken, laß mich da­mit die Sa­che in Sze­ne set­zen. Schön! Da­rauf ruft der Ban­kier die In­dus­trie­leu­te zu­sam­men. Ans Werk, Freun­de! Pro­spek­te! Es muß auf Le­ben und Tod den Leu­ten et­was vor­ge­macht wer­den! Man nimmt die Jagd­hör­ner und bläst aus Lei­bes­kräf­ten: Hun­dert­tau­send Fran­ken für fünf Sous! Oder, fünf Sous für hun­dert­tau­send Fran­ken, Gold­mi­nen, Koh­len­mi­nen. Beim Han­del ist schließ­lich al­les Schwin­del. Man kauft sich Män­ner der Wis­sen­schaft oder der Kunst, mar­schiert in Pa­ra­de auf, das Pub­li­kum ist zu­frie­den und die Ein­nah­men ha­ben wir. Das Schwein wird mit Kar­tof­feln wie­der in sei­nen Stall ge­sperrt und die an­dern wäl­zen sich auf den Kas­sen­schei­nen. So geht es zu, Ver­ehr­tes­ter. Be­tei­li­gen Sie sich an den Ge­schäf­ten. Was wol­len Sie sein? Schwein, Pu­ter, Hans­wurst oder Mil­lio­när? Über­le­gen Sie sichs, ich habe Ih­nen die Theo­rie der mo­der­nen An­lei­hen for­mu­liert. Be­su­chen Sie mich nur, Sie wer­den stets einen gu­ten, im­mer ver­gnüg­ten Kerl fin­den. Die fran­zö­si­sche Jo­via­li­tät, gleich­zei­tig wür­dig und lus­tig, ist den Ge­schäf­ten nicht hin­der­lich, im Ge­gen­teil! Män­ner, die mit ein­an­der knei­pen, ver­stän­di­gen sich leicht! Bit­te, noch ein Glas Cham­pa­gner? Oh, das ist ein gut ge­pfleg­ter! Die­sen Wein hat mir je­mand di­rekt aus Eper­nay ge­schickt, für den ich viel zu gu­ten Prei­sen ver­kauft habe. (Ich war frü­her im Wein­ge­schäft.) Er zeigt sich nun er­kennt­lich und denkt an mich, wo es mir gut geht. Das ge­schieht sel­ten.«

      Bi­rot­teau, über­rascht von dem Leicht­sinn und der Sorg­lo­sig­keit die­ses Men­schen, den alle Welt für er­staun­lich tief und fä­hig hielt, wag­te nicht wei­ter zu fra­gen. Aber in der ver­wir­ren­den Er­re­gung, in die ihn der Cham­pa­gner ver­setzt hat­te, er­in­ner­te er sich doch ei­nes Na­mens, den du Til­let ge­nannt hat­te, und frag­te, wer der Ban­kier Gob­seck wäre und wo er woh­ne.

      »Sind Sie schon so weit, lie­ber Herr?« sag­te Cla­paron. »Gob­seck ist eben­so­gut Ban­kier, wie der Hen­ker von Pa­ris Arzt ist. Sein ers­tes Wort ist: fünf­zig Pro­zent; er ge­hört zur Schu­le Har­pa­gons, er bie­tet Ih­nen Ka­na­ri­en­vö­gel, aus­ge­stopf­te Schlan­gen, Pel­ze im Som­mer und Nan­king im Win­ter an. Und was für Si­cher­hei­ten wol­len Sie ihm bie­ten? Wenn er Ihre un­ge­deck­ten Wech­sel neh­men soll, dann müs­sen Sie ihm Ihre Frau, Ihre Toch­ter, Ihren Re­gen­schirm und al­les ähn­li­che bis zu Ih­rer Hutschach­tel, Ihren Über­schu­hen, Schau­feln, Pin­zet­ten und dem Holz in Ihrem Kel­ler aus­lie­fern! … Gob­seck, Gob­seck! Un­glücks­mensch! Wer hat Sie denn an die­se Finanz­guil­lo­ti­ne ge­wie­sen?«

      »Herr du Til­let.«

      »Ah, die­ser Kerl, dar­an er­ken­ne ich ihn! Wir sind mal be­freun­det ge­we­sen. Aber wir ha­ben uns so über­wor­fen, daß wir uns nicht mehr grü­ßen, und Sie kön­nen mir glau­ben, daß mein Ab­scheu ge­gen ihn be­grün­det ist; er hat mich auf dem Grun­de sei­ner dre­cki­gen See­le le­sen las­sen, er hat mich auf dem schö­nen Ball, den Sie ge­ge­ben ha­ben, un­ver­schämt be­han­delt; ich kann ihn nicht aus­ste­hen mit sei­nem ge­schnie­gel­ten Äu­ße­ren; und al­les, weil er eine No­tars­frau hat! Mar­qui­sen könn­te ich ha­ben, ich, wenn ich woll­te; mei­ne Ach­tung kann er sich nie wie­der er­wer­ben! Oh, mei­ne Ach­tung ist eine Prin­zes­sin, die nie­mals wie­der zu ihm ins Bett stei­gen wird. Aber Sie sind ein Spaß­vo­gel, Dicker­chen, daß Sie uns einen sol­chen Ball ge­ben und zwei Mo­na­te spä­ter Pro­lon­ga­tio­nen ver­lan­gen! Sie kön­nen’s noch weit brin­gen. Wol­len wir nicht ge­mein­sa­mes Ge­schäft ma­chen? Sie ha­ben


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