Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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dich zu ret­ten. So wür­dest du ganz um­sonst den Kre­dit der Fir­ma Po­pi­not rui­nie­ren. Weißt du, wie­viel der wag­hal­sigs­te Wu­che­rer dir für die fünf­zig­tau­send Fran­ken bie­ten wür­de? Zwan­zig­tau­send, zwan­zig­tau­send, ver­stehst du? Es kön­nen im Le­ben ei­nes Kauf­manns Zei­ten kom­men, wo er vor den an­dern drei Tage ohne zu es­sen durch­hal­ten muß, als ob er einen ver­dor­be­nen Ma­gen hät­te, dann wird er am vier­ten Tage wie­der zu der Spei­se­kam­mer des Kre­dits zu­ge­las­sen. Du kannst aber die­se drei Tage nicht durch­hal­ten, da­von hängt al­les ab. Mut, mein ar­mer Nef­fe, du mußt Kon­kurs an­mel­den. Hier, Po­pi­not und ich, wir bei­de wer­den uns, so­bald dei­ne Kom­mis schla­fen ge­gan­gen sind, an die Ar­beit ma­chen, da­mit dir die­se Auf­re­gung er­spart bleibt.«

      »Aber On­kel«, sag­te der Par­füm­händ­ler und rang die Hän­de.

      »Cäsar, willst du eine schmäh­li­che Bilanz vor­le­gen, die kei­ne Ak­ti­va auf­weist? Dein An­teil bei Po­pi­not ret­tet dei­ne Ehre.«

      Von die­ser letz­ten ver­häng­nis­vol­len Auf­klä­rung über­zeugt, er­kann­te Cäsar end­lich sei­ne wah­re Lage in ih­rem vol­len Um­fan­ge, fiel wie­der in sei­nen Ses­sel zu­rück und von da auf die Knie, sei­ne Ge­dan­ken ver­wirr­ten sich, er wur­de wie ein Kind; sei­ne Frau, die dach­te, er st­er­be, knie­te nie­der, um ihn auf­zu­he­ben; aber sie be­te­te mit ihm, als sie sah, wie er die Hän­de fal­te­te, die Au­gen nach oben rich­te­te und mit reui­ger Hin­ge­bung in Ge­gen­wart des On­kels, der Toch­ter und Po­pi­nots das er­ha­be­ne Ge­bet der Ka­tho­li­ken sprach:

      »Va­ter un­ser, der du bist im Him­mel, ge­hei­li­get wer­de dein Name, zu uns kom­me dein Reich, dein Wil­le ge­sch­ehe wie im Him­mel also auch auf Er­den, un­ser täg­lich Brot gib uns heu­te und ver­gib uns un­se­re Schuld, wie auch wir ver­ge­ben un­sern Schul­di­gern. Amen.«

      Dem Stoi­ker Pil­ler­ault tra­ten die Trä­nen in die Au­gen, Cäsa­ri­ne, in Trä­nen auf­ge­löst, hat­te ih­ren Kopf auf Po­pi­nots Schul­ter ge­legt, der bleich und starr wie eine Bild­säu­le da­stand.

      »Ge­hen wir hin­un­ter«, sag­te der ehe­ma­li­ge Kauf­mann zu dem jun­gen Mann und nahm ihn beim Arme.

      Um halb zwölf Uhr über­lie­ßen sie Cäsar der Sor­ge von Frau und Toch­ter. In die­sem Au­gen­blick er­schi­en Cöles­tin, der wäh­rend der stür­mi­schen Tage, die sich im ge­hei­men ab­spiel­ten, das Ge­schäft lei­te­te, in der Woh­nung und trat in den Sa­lon. Als sie sei­nen Schritt ver­nahm, eil­te Cäsa­ri­ne ihm ent­ge­gen, da­mit er die Nie­der­ge­schla­gen­heit des Prin­zi­pals nicht se­hen soll­te.

      »Un­ter der Abend­post«, sag­te er, »be­fin­det sich ein Brief aus Tours mit un­rich­ti­ger Adres­se, der des­halb ver­spä­tet ein­ge­gan­gen ist. Ich nahm an, daß er von Herrn Bi­rot­te­aus Bru­der ist, und habe ihn da­her nicht ge­öff­net.«

      »Va­ter,« rief Cäsa­ri­ne, »ein Brief vom On­kel aus Tours.«

      »Ach, dann bin ich ge­ret­tet!« schrie Cäsar. »Mein Bru­der! Mein Bru­der!« sag­te er und küß­te den Brief.

      Franz’ Ant­wort an Cäsar Bi­rot­teau.

      »Tours, den 17. l. M.

      »Mein ge­lieb­ter Bru­der, Dein Brief hat mich in leb­haf­te Be­trüb­nis ver­setzt; ich habe da­her, als ich ihn ge­le­sen hat­te, eine Mes­se für Dich ge­le­sen und Gott bei dem Blu­te, das sein Sohn, un­ser himm­li­scher Er­lö­ser, für uns ver­gos­sen hat, an­ge­fleht, einen Blick der Barm­her­zig­keit auf Dei­ne Not zu wer­fen. Als ich das Ge­bet pro meo fra­tre Cae­sa­re sprach, hat­te ich die Au­gen voll Trä­nen in Ge­dan­ken an Dich, von dem ich un­glück­li­cher­wei­se ge­ra­de in den Ta­gen ge­trennt bin, wo Du der Un­ter­stüt­zung brü­der­li­cher Freund­schaft be­darfst. Aber ich den­ke, daß der ver­eh­rungs­wür­di­ge Herr Pil­ler­ault mich Dir si­cher­lich er­set­zen wird. Mein lie­ber Cäsar, ver­giß in Dei­nem Kum­mer nicht, daß das Le­ben dies­seits ein flüch­ti­ges Da­sein vol­ler Prü­fun­gen ist; daß wir ei­nes Ta­ges da­für be­lohnt sein wer­den, daß wir für den hei­li­gen Na­men Got­tes und für die hei­li­ge Kir­che ge­lit­ten ha­ben, weil wir nach ih­ren Vor­schrif­ten tu­gend­haft ge­lebt ha­ben; sonst hät­ten die Din­ge hie­nie­den über­haupt kei­nen Sinn. Ich wie­der­ho­le Dir die­se Grund­sät­ze, weil ich weiß, wie fromm und gut Du bist, denn es kann sol­chen, die wie Du in die Stür­me des Welt­trei­bens und auf das ge­fahr­vol­le Meer der mensch­li­chen In­ter­es­sen­kämp­fe hin­aus­ge­wor­fen sind, bei­kom­men, in­mit­ten ih­rer Nöte und vom Schmerz hin­ge­ris­sen, Ver­wün­schun­gen aus­zu­sto­ßen. Du darfst we­der den Men­schen flu­chen, die Dich be­lei­di­gen, noch Gott läs­tern, der nach sei­ner Weis­heit Dir Bit­ter­nis­se auf­er­legt hat. Sieh nicht auf das Ir­di­sche, son­dern er­he­be Dei­ne Au­gen zum Him­mel; von da­her kommt der Trost der Schwa­chen, dort ist der Reich­tum der Ar­men, dort die Ver­damm­nis der Rei­chen …«

      »Aber, Bi­rot­teau,« sag­te sei­ne Frau, »über­geh das doch und sieh nach, ob er uns et­was schickt.«

      »Wir wer­den den Brief noch oft le­sen«, er­wi­der­te der Kauf­mann, in­dem er sei­ne Trä­nen trock­ne­te, und fal­te­te das Schrei­ben aus­ein­an­der, aus dem eine An­wei­sung auf die Staats­kas­se her­aus­fiel. »Ich wuß­te, daß ich auf dich rech­nen konn­te, mein gu­ter Bru­der«, sag­te Bi­rot­teau und hob die An­wei­sung auf.

      »… Ich bin zu Frau von Li­stomè­re ge­gan­gen«, las er, von Schluch­zen un­ter­bro­chen, wei­ter, »und habe sie, ohne ihr den Grund für mein An­su­chen mit­zu­tei­len, ge­be­ten, mir al­les, wor­über sie für mich ver­fü­gen kön­ne, zu lei­hen, um da­mit den Be­trag mei­ner Er­spar­nis­se er­hö­hen zu kön­nen. Ihre Groß­mut hat mir ge­stat­tet, eine Sum­me von tau­send Fran­ken zu­sam­men­zu­brin­gen, die ich Dir in ei­ner An­wei­sung des Ge­ne­ral­steuer­ein­neh­mers von Tours auf die Staats­kas­se über­sen­de.«

      »Eine schö­ne Hil­fe!« sag­te Kon­stan­ze und sah Cäsa­ri­ne an.

      »In­dem ich mir ei­ni­ges Über­flüs­si­ge in mei­ner Le­bens­hal­tung ver­sa­ge, wer­de ich im­stan­de sein, Frau von Li­stomè­re in drei Jah­ren die vier­hun­dert Fran­ken, die sie mir ge­lie­hen hat, zu­rück­zu­zah­len, Du brauchst Dich also des­we­gen nicht zu be­un­ru­hi­gen, lie­ber Cäsar. Ich schi­cke Dir al­les, was ich auf der Welt be­sit­ze, und wün­sche, daß die­se Sum­me Dir zu ei­ner glück­li­chen Lö­sung in Dei­ner ge­schäft­li­chen Ver­le­gen­heit ver­hel­fen möge, die si­cher­lich nur vor­über­ge­hend ist. Da ich Dein Zart­ge­fühl ken­ne, will ich Dei­nen Ein­wür­fen zu­vor­kom­men. Du darfst we­der dar­an den­ken, mir Zin­sen zu zah­len, noch mir den Be­trag zu­rück­zu­ge­ben, wenn Du wie­der in gu­ten Ver­hält­nis­sen sein wirst, was ja nicht lan­ge auf sich war­ten las­sen wird, wenn Gott mein Ge­bet er­hört, das ich täg­lich an ihn rich­te. Nach mei­nem letz­ten Be­such vor zwei Jah­ren habe ich Dich für einen rei­chen Mann ge­hal­ten und glaub­te, über mei­ne Er­spar­nis­se zu­guns­ten der Ar­men ver­fü­gen zu kön­nen; jetzt je­doch ge­hört al­les, was ich habe, Dir. Wenn Du Dein Schiff an die­ser Klip­pe vor­bei­ge­steu­ert ha­ben wirst, dann be­wah­re den Be­trag für mei­ne Nich­te Cäsa­ri­ne auf, da­mit sie, wenn sie ver­hei­ra­tet sein wird, sich ir­gend­ei­ne Klei­nig­keit da­für an­schafft, die sie an ih­ren al­ten On­kel er­in­nert, des­sen Hän­de sich im­mer zum Him­mel er­he­ben wer­den, um


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