Das Haus hinter den Magnolienblüten. Pam Hillman
„Vom Marchette Versandhandel?“
„Sie haben von uns gehört?“
„Aber natürlich, werter Herr.“ Bloomfield lächelte und räusperte sich dann. „Vielleicht möchten Sie mir heute beim Abendessen Gesellschaft leisten? Viele meiner Klienten sind auf der Suche nach einem vertrauenswürdigen Handelspartner in London.“
„Darum bin ich hier.“ Marchette breitete seine Arme aus, nicht ohne Bloomfields Lächeln zu erwidern. „Stets zu Ihren Diensten, Sir.“
„Großartig.“ Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen drehte sich Bloomfield nun in Richtung Wainwright. „Thomas, es würde mich sehr freuen, auch Sie heute Abend begrüßen zu dürfen.“
„Es wäre mir eine Ehre.“
Bloomfield wandte sich wieder zu Quinn. „Entschuldigen Sie, Mr O’Shea. Die Aussicht auf eine Zusammenarbeit mit dem Marchette Versandhandel ließ mich kurzfristig all meine guten Manieren vergessen. Thomas, das ist Connor O’Sheas Bruder, Quinn O’Shea.“
„Mr O’Shea, es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen. Wirklich eine Freude.“ Wainwright schüttelte ihm die Hand. „Mein Sohn ist ein Freund Ihres Bruders. Um genau zu sein, sind meine Schwiegertochter und die Frau Ihres Bruders verschwägert.“
Quinns Verwirrung muss ihm im Gesicht gestanden haben, denn Wainwright lachte laut auf und klopfte ihm auf den Rücken. „Es ist verwirrend. Sie werden den Zusammenhang schon noch verstehen. Eins nach dem anderen. Ich habe Connor versprochen, dass ich nach Ihrem Schiff Ausschau halten und Ihren Transport vorbereiten würde, damit Sie sicher auf Breeze Hill ankommen.“
„Entschuldigen Sie – Transport?“
„Sie haben richtig verstanden. Die Plantage liegt eine Tagesreise von Natchez entfernt. Das schaffen Sie nicht zu Fuß.“
„Ich verstehe.“
„Mr O’Shea, wenn Sie mir noch diese Papiere unterzeichnen würden, dann könnten Sie sich sofort auf den Weg machen.“ Mr Bloomfield reichte ihm einen Stapel Unterlagen und trat einen Schritt zurück. „Entschuldigen Sie mich bitte, meine Herren, während ich mich Miss Young widme.“
Quinn setzte seine Unterschrift dorthin, wo sie von ihm verlangt wurde, und blätterte zur nächsten Seite. Als er all die von ihm verlangten Unterschriften gezeichnet hatte, legte er die Papiere zur Seite.
„Ich vermute, Ihre Reise verlief ohne besondere Vorkommnisse?“, fragte Wainwright.
„Es war …“
„Zum Blauen Reiher? Sind Sie sich da ganz sicher, Miss?“
Bloomfields bestürzter Tonfall ließ Quinn aufhorchen und er drehte sich um.
„Ja, mein Herr.“ Kiera Young blickte kurz in seine Richtung, richtete ihre Aufmerksamkeit dann wieder ganz Mr Bloomfield zu. „Haben Sie ein Problem damit?“
„Nun ja, Miss, der Blaue Reiher ist nicht gerade der beste Ort für eine Dame, wenn ich das so sagen darf. Und Sie haben zwei jüngere Schwestern, sagen Sie? Ich glaube kaum, dass …“
„Mr Bloomfield, mein Schwager hat mich nach Natchez gesandt und mir zu verstehen gegeben, dass ich hier heiraten werde. Die Adresse, die mir genannt wurde, lautete Blauer Reiher.“ Mit demselben Blick, mit dem sie Quinn schon auf der Lady Gallant gestraft hatte, bedachte sie nun auch Mr Bloomfield. „Wäre es möglich, eine Kutsche für uns zu organisieren?“
„Aber natürlich, nur …“ Bloomfield blickte Hilfe suchend umher.
„Gibt es ein Problem, Miss Young?“ Mr Marchette mischte sich in die Unterhaltung ein und kam ihr zu Hilfe – wieder einmal.
„Vielen Dank, mein Herr, aber nein.“ Kieras Gesicht färbte sich rot. „Es handelt sich vermutlich nur um ein Missverständnis.“
Der Anwalt kramte ein Taschentuch hervor und fuhr sich nervös über das Gesicht. „Miss Young, Sie scheinen Mr Marchette und Mr O’Shea bereits zu kennen. Darf ich Sie mit einem unserer führenden Bürger vertraut machen, Thomas Wainwright?“
„Sehr erfreut.“ Wainwright verbeugte sich knapp. „Willkommen in Natchez.“
„Vielen Dank, Sir.“
„Miss Young, wenn Sie mir erlauben, muss ich Mr Bloomfield recht geben, wenn er um Ihr Wohlergehen besorgt ist. Der Blaue Reiher ist wahrlich kein Ort, an dem sich eine junge Dame mit ihrem Zukünftigen treffen sollte.“ Wainwrights Lächeln erinnerte an das eines besorgten Vaters. „Vielleicht haben Sie etwas missverstanden und …“
In diesem Moment flog die Tür auf und Patrick stolperte herein. „Quinn. Schnell. Die Männer nehmen Megan und Amelia mit.“
„Sie nehmen sie mit? Wohin?“ Kiera hob ihre Röcke und eilte zur Tür.
Quinn folgte kurz dahinter. Auf der Veranda hielt er kurz inne, um sich einen Überblick über den Hafen zu verschaffen und um nach Kieras Schwestern Ausschau zu halten. Trotz der herannahenden Dunkelheit, die schon jetzt lange Schatten warf, war der Hafen immer noch mit Menschen gefüllt. Dort. Am Ende der Landungsbrücken. Sein eigener Bruder Rory hielt eine Planke in den Händen und fuchtelte damit herum, hinter ihm versteckten sich die beiden Mädchen. Ein Berg von einem Mann kam Rory immer näher. In seiner rechten Hand hielt er ein gefährlich langes Messer, die andere hatte er zur Faust geballt. Es war nicht zu übersehen, dass der sechzehnjährige Rory nicht die geringste Chance gegen diesen Riesen haben würde.
„Megan! Amelia!“ Mit wehenden Röcken eilte Kiera über den Kai.
Ohne zu zögern, rannte Quinn hinter ihr her, packte sie am Arm und zog sie hinter sich. „Aus dem Weg, Miss.“ Mit gezücktem Messer schob er sich in die Lücke zwischen Rory und dem Riesen. Er streckte seine linke Hand aus, um den Bären zu stoppen. „Warten Sie. Was soll das hier alles, Mann?“
„Gehen Sie mir aus dem Weg, Monsieur. Das geht Sie nichts an.“
Quinn duckte sich, bereit zum Angriff. Es schien, als hätten er und Rory nun keine andere Wahl mehr, und das, obwohl er nicht einmal wusste, was die Unruhen verursacht hatte. Raue Burschen bildeten als stille Beobachter einen Kreis um sie. Schmutzige Frauen in zerrissenen Kleidern und Kinder mit dreckverschmierten Gesichtern drängelten sich vor, um besser sehen zu können. Nicht einer von ihnen bot Hilfe an.
„Quinn, er …“
„Sei still, Junge“, brummte Quinn Rory zu, um ihn zum Schweigen zu bringen. Der bullige Mann, der auf ihn zuschritt, schien nicht in der Stimmung zu sein, irgendeine Erklärung für sein Verhalten zu geben. Den Narben nach zu urteilen, die sein gesamtes Gesicht durchzogen, würde er Quinn zehnmal besiegen können.
Vater im Himmel, beschütze mich. Lass mich nicht all den Weg zurückgelegt haben, nur damit am ersten Tag in der Neuen Welt meine Eingeweide überall verteilt werden.
„Das ist genug, Claude.“ Eine laute Stimme mit schwerem französischem Akzent schnitt durch die Stille und löste die Spannung. Die Menge machte Platz für einen gut gekleideten Mann, der auf Quinn und den Riesen mit dem Messer zuschritt und sich zwischen die beiden stellte. Seine ausdruckslosen dunklen Augen ruhten auf Quinn. Sein wettergegerbtes Gesicht wäre ihm nicht weiter aufgefallen. Tatsächlich musste es einmal sehr ansehnlich gewesen sein, doch eine leuchtende, hässliche Narbe zog sich von seiner Schläfe hinab zu seinem Kinn. Seine dünnen Lippen verzogen sich zu einem boshaften Grinsen. „Mein Kollege hat recht. Diese Angelegenheit geht Sie wirklich nichts an.“
Quinn machte keinen Anstalten, sich zu bewegen, und hielt seinen Blick eisern auf den Franzosen und den Bären gerichtet.
„Er hat gesagt, dass Amelia ihm gehört und dass er sie mit in eine Kneipe nimmt und dass sie dort …“ Rorys Stimme brach beim Gedanken an die grausamen Dinge, die er gehört hatte. „… dass sie dort …“
„Es stimmt. Diese Filles gehören mir.“ Der Franzose trat vor.