Das Haus hinter den Magnolienblüten. Pam Hillman
Er schnippte mit den Fingern. „Pack die Koffer auf den Wagen, damit wir uns auf den Weg machen können.“
„Oui, Monsieur Le Bonne.“
„Nein!“, begehrte Rory auf, doch ehe er sich versah, hatte Claude ihn gepackt, ihm die Planke aus den Händen gerissen und ihm die Klinge seines Messers an die Kehle gedrückt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Rory ihn an.
Wieder ging Quinn in Angriffsstellung, abwechselnd zu dem gut gekleideten Franzosen und dem Bären blickend. Sein Herz pochte ihm bis zum Hals bei dem Gedanken an seinen Bruder, dessen Leben am seidenen Faden hing. Langsam richtete er sich auf und ließ das Messer fallen. Beschwichtigend streckte er seine Arme in die Luft. „Der Junge wollte nichts Böses. Lassen Sie … lassen Sie ihn einfach gehen.“
Der Franzose hob seine Hand und die umstehende Menge verstummte. Quinn sackte das Herz in die Hose. Er wusste, dass er dem Tod ins Auge blickte. Ein Wort, nur ein Fingerschnippen des Franzosen und Rory würde tot sein.
Jetzt schob sich Kiera vor Quinn, bevor er sie aufhalten konnte.
„Monsieur Le Bonne?“
Aufmerksam betrachtete der Franzose Kiera und sah dabei aus wie ein Händler, der seine soeben erhaltene Ware für gut befunden hatte. Quinn konnte sich kaum beherrschen. Nur die Klinge am Hals seines Bruders hielt ihn davon ab, sich auf den Franzosen zu stürzen.
„Bitte sagen Sie Ihrem Mann, dass er das Messer wegstecken soll.“ Sie nestelte an dem Verschluss ihrer Handtasche herum. „Hier ist ein Brief von meinem Schwager.“ Mit zittrigen Händen reichte sie ihm das Schreiben. „Ich bin diejenige, die … ich bin Ihre zukünftige Ehefrau.“
Kapitel 2
Seine Frau?
Schon lange hatte Pierre Le Bonne nichts mehr so sehr überrascht, wie die Aussage dieses Mädchens. Er fand die Vorstellung einer Heirat zum Schreien komisch; aber offenbar waren die drei irischen Schönheiten, die jetzt vor ihm standen, aus freien Stücken bereit, sich in seine Obhut zu begeben.
Welche Ironie!
Wusste Miss Young nicht, aus welchem Grund ihr Schwager sie und ihre Schwestern tatsächlich nach Natchez hatte bringen lassen?
Gedankenverloren spielte Le Bonne in seiner Tasche mit dem Brief, den der Kapitän ihm überbracht hatte. Wohl gemerkt jener Kapitän, der Kiera Young und ihre Schwestern zu ihm geschifft hatte. Le Bonne schnippte mit den Fingern.
Mit einer raschen Handbewegung entfernte Claude das Messer von der Kehle des Jungen, nicht ohne dessen Hals wenigstens ein wenig zu verletzen. Dann stieß der Riese Rory von sich. Nach Luft schnappend stolperte der Junge vorwärts und hielt sich die Kehle, an der ein deutlicher, aber nicht tiefer Schnitt zu sehen war. Rasch packte der Ire seinen kleinen Bruder und zog ihn hinter seinen Rücken.
Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf Pierres Gesicht. Claudes Wirkung war unschlagbar. Gewiss würde er in Zukunft mit diesen armen Schluckern aus Irland keine Probleme mehr haben.
Nun drehte Le Bonne den beiden den Rücken zu, nahm Kieras Hand in seine und verbeugte sich. „Mademoiselle. Sie sind das bezauberndste Wesen, das ich seit Langem gesehen habe. Ihr Schwager hat mächtig untertrieben, als er Sie mir beschrieb. Herzlich willkommen in Natchez.“
„Monsieur Le Bonne.“ Erneut streckte sie ihm den Brief entgegen. „Von meinem Schwager, dem Lord Manderly von Devonshire.“
Pierre erinnerte sich nicht gern an diesen Mann, vielmehr packte ihn beim Gedanken an ihn die Wut. Es war längst überfällig, dass er seine Spielschuld beglich. Mit hochgezogenen Augenbrauen nahm er das Schreiben entgegen und brach das Siegel. „Sie haben den Brief nicht gelesen, Mademoiselle?“
Kieras Wangen liefen leicht rosa an, und als sie ihre Augen peinlich berührt niederschlug, verschlug es ihm beim Anblick ihrer langen, honigfarbenen Wimpern beinahe den Atem. „Das stand mir nicht zu.“
„Wie lobenswert.“ Pierre überflog den Brief. Ein leeres Wort reihte sich an das andere. Er las, wie sehr Manderlys Frau ihre Schwestern vermissen würde, obwohl sie wisse, von welchem Vorteil die Verbindung zwischen ihrer Schwester und Le Bonne für Kiera sein würde. Und er las, dass der Lord hoffe, dass Kiera und ihre Schwestern sich gut in Amerika einleben und sich in Le Bonnes Obhut wohlfühlen würden. Lord Manderly endete seinen albernen Brief mit der Bitte an Le Bonne, die drei jungen Frauen freundlich zu behandeln.
Freundlich. Ganz bestimmt.
Offensichtlich hatte Lord Manderly in Anwesenheit der Mädchen von einer bevorstehenden Hochzeit gesprochen, der Brief hielt sich diesbezüglich jedoch zurück. Um ehrlich zu sein, war von einer Heirat in keinem Wort die Rede.
Genauso hatte Pierre sich das vorgestellt.
Seine Aufmerksamkeit fiel nun auf die beiden Mädchen, die hinter Kiera standen. Unverkennbar waren die drei Mädchen Schwestern: blonde Haare, elfenbeinfarbene Haut und azurblaue Augen. Er lächelte. „Und das sind Ihre Schwestern?“
„Ganz genau. Amelia und Megan.“
Le Bonne nickte den beiden kurz zu und steckte den eben gelesenen Brief in seine Tasche. Anschließend drehte er sich zur umstehenden Menge und den beiden Iren um. Triumphierend blickte er sie an: „Nachdem wir nun offiziell geklärt haben, dass diese drei jungen Damen meiner Obhut anvertraut wurden, werden wir wohl ungehindert unseren Weg gehen können?“
Niemand sagte ein Wort.
„Sehr schön.“ Pierre griff nach den Zügeln seines Pferdes und schwang sich auf dessen Rücken. Zu Claude gewandt sagte er: „Bring sie zum Haus. Wir treffen uns dort.“
Während die Nacht hereinbrach, beobachtete Quinn den Handlanger des Franzosen. Er half den Mädchen in eine Kutsche und kümmerte sich dann um das Gepäck. Quinns Blick traf auf den von Kiera, die etwas unsicher aus dem Fenster blickte. Als sie ihn wahrnahm, lächelte sie mutig. Dann setzte sich die Kutsche in Bewegung und Quinn musste dem Drang widerstehen, ihr hinterherzulaufen.
Das wäre total verrückt. Und sinnlos.
Schließlich war die junge Frau nur deshalb nach Amerika gekommen, um diesen Franzosen zu heiraten. Daran konnten weder er noch die Tatsache etwas ändern, dass es sich dabei um den abstoßendsten Mann handelte, dem Quinn je begegnet war.
Ein Mädchen – besser gesagt, drei – waren es nicht wert, dass er seinen Traum aufs Spiel setzte. Sobald er seine zwei kleinen Brüder zu Connor gebracht hatte, würde er frei sein. Dann würde er über die Meere segeln oder sich einen Weg durch die Kolonien suchen und als Schmied sein Geld verdienen. Alles würde besser sein, als unter der Erde zu arbeiten.
Quinn wusste nicht, ob es hier im Natchez Distrikt auch Kohleminen gab, aber er hatte sich geschworen, nie wieder einen Fuß in eine Mine zu setzen – solange er lebte. Mit zehn Jahren musste er zum ersten Mal den tiefen Schacht hinunter und schon nach einer Woche hatte er genug davon, lebendig begraben zu sein. Nur durch die Gnade Gottes hatte sein Aufseher ihn vor drei Jahren dazu ausgewählt, beim alten Seamus in der Schmiede zur Lehre zu gehen. Bald stellte sich heraus, dass er für diese Arbeit begabt zu sein schien. Nicht einen Tag lang hatte er diese glückliche Fügung in seinem Leben bereut – auch wenn sie ihm nicht nur Freude gebracht hatte. Lange Zeit litt er unter der Eifersucht seines Bruder Caleb.
„Auf geht’s, Jungs.“ Jetzt führte Quinn seine Brüder zurück zu Bloomfields Büro. Auf der Veranda vor dem Haus standen Mr Wainwright, Mr Marchette und der Rechtsanwalt. Offensichtlich hatten sie die gesamte Szene von hier aus beobachtet und schauten der Kutsche nach, die sich langsam im Dämmerlicht verlor.
„Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir gar nicht.“ Thomas Wainwright zog die Augenbrauen zusammen. „Was wissen Sie über diesen Pierre Le Bonne, Bloomfield?“
„Vor ein paar Monaten ist er hier aufgetaucht. Er kaufte den Blauen Reiher