Das Haus hinter den Magnolienblüten. Pam Hillman

Das Haus hinter den Magnolienblüten - Pam Hillman


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Schulter an Schulter und versperrten ihm damit die Sicht auf die Szene, die sich im Raum abspielte.

      Das Herz hämmerte in seiner Brust. Trotzdem ließ Quinn sich zu einem kurzen, widerwilligen Nicken hinreißen.

      Wild gestikulierend flüsterte Marchette etwas in Wainwrights Ohr. Immer wieder zeigte er auf Kiera. Wainwright nickte kurz und dann sah Quinn einige Münzen aufblitzen, die der alte Mann Marchette zusteckte. Kurz darauf war Marchette im Raum verschwunden und schob sich in Richtung des Podests.

      Quinn konnte sich kaum konzentrieren, so sehr wallte das Blut in seinen Adern. Wieder blickte er zu Kiera. Immer noch stand sie unheimlich still, fast schon abwesend auf dem Podest und blickte in die Ferne. Wie ein Angeklagter auf dem Weg zur Hinrichtung, dem jegliche Hoffnung auf Rettung genommen wurde. Und dann dämmerte es Quinn: Kiera opferte sich selbst für ihre Schwestern. Sicher dachte sie, dass sie ihre Schwestern vor Le Bonne schützen könne, wenn sie sich freiwillig zur Verfügung stellte. Doch Quinn wusste es besser. Es würde nicht mehr lange dauern, bis auch Megan und Amelia … Der Gedanke war zu grausam, um ihn in Worte zu fassen.

      Vater im Himmel, beende diesen Wahnsinn.

      „Wie viel, Le Bonne?“, brüllte jemand aus der Menge.

      „Alles zu seiner Zeit, Monsieur.“ Le Bonne grinste. Im trüben Licht des Schankraums glitzerten seine im Schatten liegenden Augen unheimlich.

      „Wie ich mir gedacht habe“, flüstere Wainwright. „Er wird das Mädchen dem Höchstbietenden verkaufen. Marchette wird dieser Mann sein. Sobald wir wissen, wo die beiden hingeführt werden, schleichen wir uns nach draußen. Bete dafür, dass Le Bonnes Fenster nicht vergittert sind.“

      „Geben Sie mir das Geld“, presste Quinn aus zusammengebissenen Zähnen hervor. Seine Hand lag schon am Schaft seines Messers. Wenn er nur nahe genug an die Bühne, an Le Bonne herankommen könnte … „Ich werde es tun.“

      „Unmöglich. Le Bonne hat Sie am Hafen gesehen. Marchette war die logische Wahl.“

      Nun packte Le Bonne Kiera an den Haaren und riss ihren Kopf nach hinten. Quinns Hände ballten sich zu Fäusten. „Die kleine Mademoiselle kommt direkt vom Schiff. Frische Ware, sage ich da nur!“

      „Aus Frankreich?“

      „Unglücklicherweise nicht. Mein kleines Mädchen ist eine wunderschöne irische Rose, finden Sie nicht?“

      „Irisch haben Sie gesagt?“ Abscheu mischte sich in die Stimme. „Bah, was will ich denn mit einem irischen Weib?“

      Schulterzuckend wandte sich Le Bonne von seinem Gesprächspartner ab: „Ich bin mir sicher, dass nicht jeder Ihre Meinung teilt, Monsieur.“

      „Zeigen Sie uns ein bisschen was von der Ware, Le Bonne!“

      Die hungrige Meute johlte. Unbeteiligt beobachtete der Bordellbesitzer die Menge, was die Spannung im Raum genauso erhöhte wie das ausstehende Angebot für die erste Nacht mit Kiera.

      Mit einem Fingerschnipsen bedeutete Le Bonne Claude näher zu treten. Mit ihm standen auch die Gäste auf und drängten sich um das Podium, offensichtlich getrieben von ihrer Lust. Der Riese griff nach Kieras Mieder. Nach Luft schnappend sprang sie zur Seite. „Bitte. Nein.“ Angsterfüllt weiteten sich ihre Augen.

      In die erregte Stille mischte sich das Geräusch von Münzen, die auf das hölzerne Podest prasselten.

      „Das Privileg ihres Anblicks sollte nicht an Männer verschwendet werden, die nicht zahlen können oder wollen.“ Eine Stimme schnitt durch den Tumult im Raum.

      Marchette.

      Erst blickte Le Bonne auf die Münzen vor ihm am Boden, dann auf Marchette. Der eindrucksvolle Aufritt des Mannes schien ihm sichtlich zu gefallen. Quinn hielt die Luft an. Ein Lächeln – wenn man es denn so nennen konnte – umspielte Le Bonnes Lippen und er wandte sich an die Menge. „Gentlemen?“

      Niemand erhöhte das Angebot und so nickte er. „Sie gehört Ihnen, Monsieur. Für heute Nacht.“

      Claude scheuchte Kiera vom Podest und schob sie in Richtung der Treppen. Erneut stolperte sie kurz, doch kam sie diesmal allein wieder auf die Füße. Ohne nach rechts oder links zu schauen, folgte Marchette den beiden. Da ihr Spaß ein Ende gefunden hatte, wandten sich die restlichen Gäste wieder ihren Getränken zu. Nur Quinn stand immer noch angespannt wie ein Raubtier in der Ecke des Raumes und beobachtete Kiera, die über die Galerie am oberen Ende der Treppe geführt wurde.

      Als ihm jemand auf die Schulter tippte, drehte er sich um und blickte in Wainwrights Gesicht. Der zog eine Grimasse und packte Quinn am Kragen. „Entschuldigen Sie, aber ich muss das jetzt tun …“

      Dann holte er aus und schlug Quinn mit der Faust ins Gesicht.

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      Kiera saß zusammengekauert in einer Ecke des kleinen Raumes und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. Den Rücken zu ihr gedreht stand der breitschultrige Mann an der Tür.

      Vergeblich versuchte Kiera den Kloß loszuwerden, der sich in ihrem Hals festgesetzt hatte. Flehend betete sie im Stillen: Bitte, Jesus. Hilf mir. Bitte…

      Den Schritten nach zu urteilen kam er jetzt auf sie zu. Ein Schritt. Noch einer. Fest presste sie die Augen zusammen, obwohl sie wusste, dass sie der Situation so nicht entkommen konnte. Ihre stillen Gebete wandelten sich in kaum hörbare Bitten. Zwischen ihren tauben und eiskalten Lippen presste sie hervor: „Bitte, Sir. Haben Sie Erbarmen.“

      Der Mann blieb stehen. „Miss Young, Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Ich bin Alistair Marchette. Wir haben uns bereits auf der Lady Gallant kennengelernt und heute Nachmittag in Mr Bloomfields Büro getroffen. Erinnern Sie sich?“

      „Mr … Mr Marchette?“ Kieras Stimme glich mehr einem Schluchzer, als sie seinen Namen aussprach. Langsam richtete sie ihre Augen auf den vor ihr stehenden Mann und betrachtete ihn genau. Eine Welle der Erleichterung überkam sie. In ihrer Not hatte sie nicht auf die Person geachtet, die das Geld auf das Podest geworfen hatte. Selbst wenn, hätte sie ihn in ihrem Schock wahrscheinlich nicht wiedererkannt. „Wie? Warum?“

      „Machen Sie sich darum keine Sorgen. Wir haben nicht viel Zeit.“ Marchette blickte sich im Raum um und zeigte dann auf die Koffer, die an der Wand angelehnt standen. „Sind das Ihre?“

      „Ja.“

      Er griff nach einem Kissenbezug und warf es ihr mit den Worten zu: „Packen Sie, so viel es geht, von Ihren Sachen hinein. Beeilen Sie sich.“

      Von unten ertönten Schreie und das Geräusch von berstendem Glas und Holz. Eilig machte sie sich ans Werk. „Was geht dort unten vor sich?“

      „Wainwright und O’Shea veranstalten ein Ablenkungsmanöver.“ Die Hand auf der Türklinke wandte er sich Kiera zu und zog eine Augenbraue nach oben. „Fertig?“

      „Ja. Was ist mit meinen Schwestern?“

      „Wo sind sie?“

      „Ich …“ Die Geschehnisse der letzten Stunde wirbelten in ihrem Kopf umher. Kiera schloss kurz die Augen. „Den Gang hinunter. Im Eckzimmer.“

      „Gut gemacht. Halten Sie sich dicht an der Wand und bleiben Sie außerhalb der Sichtweite von unten.“

      Leise quietschend öffnete Marchette die Tür und lief gebückt über die Galerie zum hinteren Teil der Kneipe. Kiera folgte. Als sie das Eckzimmer erreichten, lehnte sie sich gegen die Wand und schloss die Augen. Alles drehte sich, ihr Herz pochte laut. Ein Seil hielt die Klinke an Ort und Stelle und Marchette machte sich sogleich daran, den Knoten zu lösen.

      Währenddessen nickte er mit dem Kopf in Richtung der rückseitigen Treppen und murmelte, immer noch mit Blick auf das verknotete Seil: „Wir werden diesen Weg nehmen. Verstanden?“

      „Ja“, krächzte Kiera leise.

      Im Schankraum schien


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