Das Haus hinter den Magnolienblüten. Pam Hillman

Das Haus hinter den Magnolienblüten - Pam Hillman


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er dieses Mädchen wirklich heiraten wird. Viel wahrscheinlicher wird er Kiera und ihre Schwestern für sich in seinem Bordell arbeiten lassen. Und die armen Mädchen haben keine Ahnung, worauf sie sich da eingelassen haben.“

      Rory sah Quinn durchdringend an. „Ich hab dir doch gesagt, dass …“

      „Es gibt nichts, das wir tun könnten.“ Bloomfield schüttelte den Kopf. „Ihr Schwager hat die Mädchen zu Le Bonne gesandt. Vermutlich als Dienstmädchen – oder als Mündel, indem er Le Bonne die Vormundschaft übertrug. Es scheint alles legal abgelaufen zu sein.“

      „Legal? Dass ich nicht lache!“ Marchettes Gesicht verzog sich vor Abscheu. „Wenn Sie recht haben, dann ist nichts legal von dem, was dieser Le Bonne mit den Mädchen vorhat.“

      „Es gibt keine Beweise, dass …“

      Quinn starrte den Anwalt an. „Ich muss das selbst überprüfen. Wo befindet sich diese Kneipe – dieses Bordell –, was auch immer es ist?“

      „Ich werde Sie dort hinbringen“, nickte Wainwright. „Vielleicht sind wir im Unrecht und Le Bonne ist nicht so schlimm, wie wir alle angenommen haben.“

      „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie begleite?“ Mr Marchette streifte sich seine Handschuhe über. „Seit unserer Reise bin ich wie vernarrt in die drei Mädchen. Sie erinnern mich an meine eigenen Töchter in England. Ich könnte es nicht ertragen, wenn ihnen etwas zustieße.“

      „Natürlich.“ Wainwright wandte sich an Mr. Bloomfield. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, die beiden Jungen zu meinem Anwesen zu bringen? Bitte sagen Sie Mrs Butler, dass ich in Kürze nachkommen werde.“

      „Gern.“ Mit Blick auf die immer dunkler werdenden Straßen murmelte er: „Es ist ohnehin Zeit, das Büro zu schließen, bevor die zwielichtigen Gestalten ihre Runden drehen.“

      Trotzig schob Rory sein Kinn nach vorne. „Ich komme mit dir, Quinn.“

      „Ich auch“, ertönte die entschlossene Stimme des Jüngsten. „Megan ist meine Freundin.“

      „Nein, Patrick. Du wirst mit Mr Bloomfield gehen.“

      „Aber …“

      „Wenn wir sichergehen wollen, dass Megan und ihre Schwestern wohlauf sind, haben wir jetzt keine Zeit für Diskussionen!“ Quinn legte seine große Hand auf die Schulter seines Bruders. Seine Stimme wurde sanfter, als er sagte: „Tu einfach, was ich sage. Bitte.“

      Enttäuscht ließ Patrick den Kopf hängen: „Na gut.“

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      „Kiera, ich habe Angst.“ Amelias Stimme brach.

      „Ich weiß.“ Kiera hielt ihre Schwestern fest im Arm, während sie die holprige Straße entlangfuhren. Immer wieder blickte sie aus dem Fenster. Was sie dort sah, drehte ihr den Magen um. Eine heruntergekommene Spelunke reihte sich neben die andere. In der Dämmerung wirkte die ihr gebotene Szene noch unheimlicher und sie betete, dass sie dieses zwielichtige Viertel bald verlassen würden.

      „Ich mag diesen Mann nicht.“ Ängstlich schlang Megan ihre Arme um Kiera. Ihre Hände waren eiskalt.

      „Alles wird gut werden. Monsieur Le Bonne war nur ein wenig …“

      Bei dem Gedanken an das vernarbte Gesicht ihres Zukünftigen musste sie schlucken. Auf der gegenüberliegenden Sitzbank lagen einige Decken. Ohne zu wissen, was sie sonst tun sollte, griff sie nach einer der Decken und wickelte ihre Schwester darin ein. Sanft rieb sie ihr über den Rücken. „Er hat nur versucht, uns zu beschützen.“

      „Aber wir hatten es doch gar nicht nötig, vor Patrick und Rory gerettet zu werden.“

      „Aber er … er konnte das doch nicht wissen, oder? Bald werde ich verheiratet sein und dann wird alles gut werden.“

      „Du wirst doch nicht etwa ihn heiraten?!“ Amelias Stimme war voller Entsetzen.

      Kiera seufzte. „Ich habe leider keine andere Wahl, Süße. George hat es so arrangiert.“

      Unter keinen Umständen hätte sie sich Monsieur Le Bonne – Pierre – freiwillig als ihren zukünftigen Ehemann ausgesucht. Nun hoffte sie darauf, dass die unglücklichen Vorkommnisse am Hafen ihre Sicht auf den Mann negativ beeinflusst hatten.

      Selbst Quinn und sein Bruder Rory hatten ihr in diesem Moment Angst eingejagt. Selbst sie waren bereit gewesen, Blut zu vergießen. Männer und ihre Missverständnisse. Kiera seufzte.

      Warum mussten sie nur immer zuerst handeln, bevor sie Fragen stellten?

      Allen Versuchen zum Trotz wollte sich der Friede über die bevorstehende Heirat in Kiera nicht einstellen. Ob die Hochzeit vielleicht warten konnte? Es wäre sicher für alle von Vorteil, wenn Le Bonne und sie sich erst näher kennenlernten …

      Ohne Vorwarnung blieb die Kutsche stehen. Kiera rutschte das Herz in die Hose. Anstatt das heruntergekommene Viertel hinter sich zu lassen, hielten sie mittendrin an. Alles Beten schien umsonst gewesen zu sein.

      Quietschend öffnete sich die Tür der Kutsche. Sie widerstand dem Drang, sich in die hinterste, dunkelste Ecke der Kutsche zu verkriechen, und erlaubte stattdessen dem bulligen Mann, der sein Messer an Rorys Kehle gedrückt hatte, ihr aus der Kutsche zu helfen. Obwohl das zweistöckige Haus vor ihnen etwas hinter den restlichen Häusern der Straße gelegen war, wirkte es ebenso dunkel und beängstigend wie all die anderen Gebäude, die Kiera auf dem Weg hierher gesehen hatte.

      Wortlos stiegen Megan und Amelia aus und stellten sich neben Kiera.

      Der Riese scheuchte sie mit einer wilden Handbewegung vorwärts: „Hier entlang.“

      Am liebsten hätte Kiera sich ihre beiden Schwestern geschnappt und wäre mit ihnen in die Nacht geflohen. Doch es gab keinen Ort, an den sie hätten gehen können. Hätte sie eine andere Wahl gehabt, als mit Le Bonne mitzugehen? Kiera dachte an das Leben des Jungen. Rory hatte nur versucht, sie zu beschützen, und dennoch …

      Der Riese öffnete eine Tür des Gebäudes und trat dann zu Seite, damit die drei Mädchen hindurchtreten konnten. Vorsichtig schritt Kiera über die Schwelle. Megan und Amelia folgten ihr auf dem Fuß. Dann warf Claude die Tür ins Schloss und versperrte den Ausgang mit seinem bulligen Körper.

      Zusammengedrängt standen die drei Mädchen im Raum und sahen sich um. Schon auf den ersten Blick wurde Kiera klar, dass sie sich nicht in einem Wohnraum befanden. Weit gefehlt. Nie zuvor war sie in einer Kneipe, einem Bordell oder etwas Vergleichbarem gewesen und doch wusste sie genau, dass sie dort gelandet sein mussten.

      Es war noch nicht sonderlich spät, darum trieben sich nicht viele Gäste dort herum. Vereinzelt saßen sie an den Tischen und starrten herüber. Ein Schauder lief Kiera über den Rücken. Als sie ihren Blick über die Gäste am anderen Ende des Raumes gleiten ließ, lief Kiera rot an. Ein nur dürftig bekleidetes Mädchen hatte es sich auf dem Schoß eines Herren gemütlich gemacht und schien sich zu amüsieren.

      In dem Versuch, Megan diesen Blick zu ersparen, schob sie sich vor ihre Schwester.

      „Die Treppe rauf“, polterte plötzlich die Stimme des Riesen hinter ihr. Eilig lief Kiera los und zerrte Megan mit sich. Alles würde sie tun, wenn sie dadurch nur ihre Schwestern von hier fort bekäme.

      Wieder standen sie vor einer Tür, die der Riese öffnete und beiseitetrat. Pierre Le Bonne saß hinter einem Schreibtisch, eine Zigarre in der rechten Hand. Ein Lächeln umspielte seine dünnen Lippen. Doch es erreichte seine dunklen Augen nicht.

      „Mademoiselles. Herzlich willkommen im Blauen Reiher.“

      Megan und Amelia drängten sich enger aneinander. Kiera musste etwas unternehmen. Und zwar sofort. „Monsieur Le Bonne. Könnte ich Sie einen Moment sprechen?“ Ihr Blick wanderte zu Megan. „Unter vier Augen, falls dies möglich wäre.“

      „Ganz wie Sie wünschen.“ Er wedelte mit seiner Zigarre. „Claude, könntest


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