Das Haus hinter den Magnolienblüten. Pam Hillman
ihn nicht nur mit einer, sondern mit gut einem Dutzend Decken ausgestattet, die ihn weich liegen ließen.
Und dennoch konnte er nicht schlafen.
Die Sorge um das Schicksal von Mr Marchette ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Gleichzeitig brachte ihn der Gedanke an Kiera und ihre Schwestern um den Verstand. Er konnte und wollte sich nicht vorstellen, was mit ihnen geschehen wäre, wenn er und die anderen nicht eingegriffen hätten.
Mr Marchette war klug. Vermutlich hatte er sich irgendwo verkrochen und wartete auf den Morgen, um Mr Wainwright eine Botschaft schicken zu können. Sicher ging es ihm gut.
Darüber hinaus hatten sowohl Mr Marchette als auch Mr Wainwright großen Einfluss hier in Natchez. Sie würden schon dafür sorgen, dass man sich um Kiera und ihre Schwestern kümmerte. Eigentlich hatte Quinn keinen Grund, sich über Dinge Sorgen zu machen, die nicht in seiner Hand lagen. Was er tun konnte, hatte er getan. Jetzt konnte er getrost losziehen und seine Pläne verwirklichen.
Pläne, die sich schon zum wiederholten Mal nach hinten verschoben hatten.
Eigentlich hatte er vorgehabt, mit dem nächstbesten Schiff aus Natchez auszureisen. Wie weit die Plantage seines Bruders tatsächlich von Natchez entfernt lag, hatte er bis heute jedoch nicht gewusst. Widerwillig gestand er sich ein, dass er keine andere Wahl hatte, als Patrick und Rory zu Connor zu bringen. So sehr er auch hoffte, er würde der Begegnung mit seinem älteren Bruder nicht entgehen können.
Mit zusammengebissenen Zähnen rollte Quinn sich auf die Seite. Ärgerlich griff er nach seinem Kissen, schüttelte es auf und stopfte es sich wieder unter den Kopf. Er würde nach Breeze Hill gehen. Er würde Connor gegenübertreten und sicherstellen, dass Patrick und Rory gut aufgehoben waren; dann erst würde er sich den Staub von den Füßen und alle Erinnerungen an Irland oder Natchez aus dem Gedächtnis streichen können. Endlich.
Langsam dämmerte Quinn weg, nur um Momente später von einem heftigen Hämmern an der Zimmertür aufzuschrecken. Benommen wühlte er sich aus den Laken, als bereits die Tür aufflog und gegen die Wand knallte. Wainwright kam hereingestürmt. Er hielt eine Kerze in der Hand, die wild flackerte und deren Schein seinem Gesicht ein gespenstisches Aussehen verlieh.
„Marchette ist tot.“
Rory setzte sich auf und blickte forsch zwischen den beiden Männern hin und her. Derweil versuchte Quinn durch ein Kopfschütteln die Benommenheit aus seinem Kopf zu bekommen. „Wie …?“
„Man fand seinen ramponierten Körper im Fluss. Soeben kam die Meldung.“
Alarmiert schnellte Quinns Blick zu Patrick. Der Junge schlief noch. Weder die Tür, die laut an die Wand geknallt war, noch die unheilvollen Neuigkeiten hatten seinen Bruder aufgeweckt. Mit einem Kopfnicken scheuchte Quinn Mr Wainwright aus dem Zimmer. Nachdem auch Rory auf den Flur getreten war, zog Quinn die Tür leise ins Schloss. Patrick musste nicht unbedingt aufwachen und die schlimmen Neuigkeiten zu hören bekommen.
„Denken Sie, dass Le Bonne ihn umgebracht hat?“ Quinn hielt die Stimme gesenkt.
„Ich kann nur vermuten, dass Le Bonne – oder zumindest seine Handlanger – für Marchettes Tod verantwortlich ist. Fragt sich nur, ob Le Bonne weiß, wo sich die Mädchen befinden. Wir dürfen kein Risiko eingehen, dass er sie wieder in die Hände bekommt.“
„Was schlagen Sie vor?“
„Ich werde Sie – und zwar Sie alle – heute Nacht nach Breeze Hill schicken. Sofort. Jack kennt den Weg und er wird Sie dort hinbringen. Das Vorhaben ist nicht ungefährlich, aber so haben Sie wenigstens einen Vorsprung.“
„Was ist mit Ihnen und Mr Bloomfield?“
„Sollte Le Bonne wirklich hier auftauchen, werde ich mich unwissend stellen. Bloomfield weiß ohnehin nicht mehr, als dass wir zum Blauen Reiher aufgebrochen sind. Er hat lange genug im Untergrund gearbeitet, um zu wissen, wann er den Mund halten muss.“ Mit Zeigefinger und Daumen kniff Wainwright sich in den Nasenrücken und schloss die Augen. „Sobald Miss Young und ihre Schwestern in Sicherheit sind, werde ich mehr über Le Bonne herausfinden. Sollte er tatsächlich Anspruch auf die drei Mädchen haben, könnte ich mit Connor sprechen. Vielleicht kann er die Papiere der Mädchen kaufen.“
„Sie haben keine Papiere. Kiera hat keine Einwilligung unterzeichnet. Nichts deutet darauf hin, dass sie sich ihm freiwillig zur Verfügung gestellt hat“, brummte Quinn. „Vielleicht wäre es das Beste, wenn wir einfach bleiben und kämpfen. Davonlaufen hat noch nie etwas Gutes hervorgebracht.“
„Einen Kampf könnten wir nur dann gewinnen, wenn wir Le Bonne töten würden. Und selbst dann bezweifle ich, dass wir den Rechtsstreit um die Vormundschaft gewinnen würden, sollte irgendjemand unser Recht anzweifeln. Was wir brauchen, ist Zeit. Und dafür müssen sich die Mädchen außerhalb der Stadt befinden. Je schneller, desto besser.“
Mr Marchette – tot?
Auch nach mehreren Stunden auf dem schaukelnden Rücken eines Pferdes konnte Kiera kaum glauben, was sie vorhin gehört hatte. Hätte sie zuvor noch Zweifel an dem unsittlichen Charakter des Franzosen gehabt, so stand ihr Urteil nun felsenfest; noch nie war sie einem so widerlichen und grausamen Menschen begegnet wie Pierre Le Bonne.
Um sie und ihre Schwestern zu retten, hatte ein unschuldiger Mann sein Leben geopfert. Niemals würde sie ihm das vergessen.
Zitternd – und zwar nicht nur von der nächtlichen Kälte – zog sie den geliehenen Überwurf enger um sich. Im Stillen dankte sie Mrs Butler für ihre Großzügigkeit.
Unaufhaltsam schlichen sich erneut Angst und Sorge in ihre Gedanken. Herr, bewahre Mrs Butler und Mr Wainwright vor allem Übel.
Kiera wollte sich nicht einmal vorstellen, was Le Bonne mit den beiden tun würde, sollte er herausfinden, dass sie an der Flucht der Mädchen beteiligt gewesen waren.
Stunde um Stunde ritten sie durch die Nacht. Es war Wainwrights Vorschlag gewesen, dass die kleine Truppe auf Pferden statt mit der Kutsche in Richtung Breeze Hill aufbrach. Aufgrund des weiten Weges und der Eile, die sie an den Tag legen mussten, schien dies die passendste Wahl zu sein. Trotz der Dunkelheit führte Jack sie sicher auf dem Weg, der sie immer weiter hinein in die Wildnis führte.
Die Dämmerung nahte, als der Stallbursche plötzlich den Hauptweg verließ. Ängstlich blickte er sich zu den anderen um.
„Es ist nicht mehr weit bis Mount Locust. Statt auf dem üblichen Pfad zu bleiben, werden wir uns einen Weg darum herum suchen. Mr Wainwright war der Meinung, dass es besser sei, wenn niemand mitbekommen würde, dass wir hier entlangkommen. Ab jetzt müssen wir alle besonders leise sein.“
„Wie lange ist es noch bis Breeze Hill?“, fragte Quinn.
„Ungefähr zwei Stunden.“
Amelia ächzte und Kiera hätte es ihr gerne gleichgetan.
Seit Monaten hat keine von ihnen mehr auf einem Pferd gesessen. Entschlossen griff sie nach den Zügeln und umfasste den Sattelknauf. Sie würde tun, was getan werden musste, um ihre Schwestern zu beschützen.
„Jack, eine kleine Pause würde doch sicher nicht schaden. Es täte uns allen gut, die Beine ein wenig auszustrecken. Was meinst du?“ Obwohl er den Stallburschen angesprochen hatte, wanderte Quinns Blick erst zu Kiera, dann zu ihren Schwestern und seinen Brüdern.
Kopfschüttelnd lehnte Jack ab: „Wir sollen auf schnellstem Weg nach Breeze Hill reiten. Anweisung von Mr Wainwright. Keiner weiß, wer die Nacht im Mount Locust verbringt. Vielleicht würde uns jemand verfolgen und dann umbringen …“
„Ist schon gut. Zwei Stunden mehr oder weniger machen auch keinen großen Unterschied mehr.“ Kiera warf einen ängstlichen Blick zurück auf den Weg, den sie gekommen waren. Jeder Schatten wirkte furchterregend und befeuerte ihre Fantasie. Wer oder was verbarg sich im Dunkel der Nacht? Was, wenn Le Bonne und Claude hinter ihnen waren? Schaudernd trieb sie ihre Stute an. „Zeig