Das Haus hinter den Magnolienblüten. Pam Hillman
wie fest sie ihre Hände zusammengepresst hatte. Erleichtert nickte sie. „Ja, Sir. Vielen Dank.“
Mit einem letzten Blick auf Quinn drehte Connor sich um und verschwand. Mit schnellen Schritten lief er zur anderen Seite der Veranda und verschwand in die Richtung, aus der er gekommen war. Quinn starrte ihm nach. Sein Blick war genauso finster wie zuvor und sein Kiefer hart wie Stein.
Tränen sprangen Kiera in die Augen. Neun Jahre lang hatte Connor O’Shea darauf gewartet, wieder mit seinen Brüdern vereint zu sein. Neun lange Jahre der Trennung. Und innerhalb von wenigen Minuten hatte sie es geschafft, ihr lang ersehntes Wiedersehen zu ruinieren.
„Hier ist es. Ich hoffe ihr fühlt euch wohl.“
Isabella führte Quinn, Rory und Patrick in ein Zimmer, das die Größe ihres gesamten Hauses in Irland hatte.
„Es gibt gar keine Betten“, bemerkte Patrick.
„Das liegt daran, dass wir uns im Wohnzimmer befinden.“ Isabella zeigte auf zwei Türen. „Es gibt nur zwei Schlafräume. Ich fürchte also, dass ihr sie euch teilen müsst.“
Rory verschwand in einem der Schlafzimmer, Isabella geleitete Quinn in das andere, dicht gefolgt von Patrick. Der Geruch nach frisch verarbeitetem Holz lag in der Luft. Quinn drehte sich um die eigene Achse. Alles, vom Bett bis zu den Vorhängen, schien neu zu sein. „Das wurde erst vor Kurzem gebaut“, stellte Quinn fest.
„Vor einem Jahr hat ein Feuer diesen Flügel des Hauses zerstört. Dabei wurde mein Vater schwer verletzt. Vor allem Connor haben wir den Wiederaufbau zu verdanken. Er setzte ein weiteres Stockwerk auf. Darum haben wir so viel Platz für Gäste.“ Isabella zog die Vorhänge auf, um das blasse Licht des Wintermorgens hineinzulassen. „Zunächst war das untere Stockwerk für meine Schwägerin und ihr Baby vorgesehen. Doch nachdem sie William Wainwright geheiratet hatte, zog sie auf die Plantage der Wainwrights, etwa eine Stunde nördlich von hier.“ Sie lächelte. „Es war eine schwere Zeit. Für jeden von uns. Letzten Endes hat sich aber doch noch alles zum Guten gewendet. Und jetzt seid ihr hier.“
Zu gerne hätte Quinn gefragt, was mit Isabellas Bruder passiert war, doch er wollte nicht neugierig wirken.
„Wir haben Mr Wainwright getroffen“, rief Patrick ihr aus einer Ecke des Raumes zu, die er soeben erkundete. „Aber der war richtig alt.“
„Ja, das war Williams Vater.“
„Er hat Megan und ihren Schwestern dabei geholfen, von dem Bordell wegzukommen.“ Patrick nahm Anlauf und warf sich aufs Bett.
„Megan hat mir erzählt, dass die Frauen da nur …“
„Patrick, runter vom Bett. Du machst doch alles schmutzig mit deinen verdreckten Klamotten.“ Energisch griff Quinn nach dem Handgelenk seines kleinen Bruders und zog ihn hinter sich her, hinaus in den Vorraum. Ohne ihn loszulassen, blickte er zu Isabella. „Diese Räume sind ein wenig zu schön für uns. Gibt es nicht etwas anderes? Etwas Kleineres? Wir würden uns freuen, wenn wir in einer der Hütten vor dem Haus …“
„Nein, Quinn. Du, Rory, Patrick …“ Isabella trat einen Schritt näher und legte sanft eine Hand auf Quinns Arm. Flehend blickte sie ihn aus ihren dunklen Augen an. „… ihr gehört zur Familie. Was Connor in den letzten Jahren getan hat, diente alles nur dem Zweck, euch zu sich zu holen. Das ist nun auch euer Zuhause. Zumindest, bis der kleine Jonny erwachsen geworden ist. Bis dahin wird Connor jedoch Braxton Hall wieder aufgebaut haben …“ Isabella hielt kurz inne und kicherte dann verlegen. „Das wird wohl noch viele Jahre dauern. Bis dahin dürft ihr dieses Haus euer Zuhause nennen.“
Ein Zuhause? Wie würde Isabella wohl reagieren, wenn er ihr von seinen Plänen erzählen würde? Quinn würde keine Zeit haben, um sich in diesem Haus zu Hause fühlen zu können. So schnell es ging, würde er von hier fortgehen. Patrick versuchte, sich mit kräftigem Ziehen und Zerren aus Quinns festem Griff zu befreien. Kaum dass Quinn ihn losgelassen hatte, stürmte der Achtjährige davon, hinaus auf die Veranda. Seiner Gewohnheit folgend ging Quinn ihm nach, um ein Auge auf den Jungen zu haben.
Nun, da die Zeit gekommen war, würde er gehen können? Wer würde sich um Patrick kümmern? Würde er sich genauso verlassen fühlen wie Quinn damals, als Connor und Caleb ihn einfach im Stich gelassen hatten?
Missmutig wandte er sich ab. Er würde Patrick und Rory nicht im Stich lassen. Zumindest nicht so, wie Connor und Caleb es getan hatten. Im Gegensatz zu den beiden hatte er sie immerhin aufgezogen und sie um die halbe Welt begleitet, um sie sicher in die Obhut des ältesten Bruders zu bringen. Der ohnehin die Verantwortung hätte tragen sollen – auch damals schon.
„Patrick?“ Isabella hielt dem Jungen einen Eimer hin. „Würdest du so freundlich sein und diesen Eimer mit Wasser füllen? Neben der Küche befindet sich ein Wasserspeicher. Du musst also nicht bis zum Brunnen laufen.“
Patrick griff nach dem Eimer. „Klar.“
Während er die Stufen der Veranda hinunterhüpfte, trat Isabella an Quinn heran. „Ich möchte, dass du dich hier zu Hause fühlst. Und Connor wünscht sich das auch.“
Anstatt ihr zu antworten, stützte Quinn sich auf das Geländer und sog die frische Februarluft tief in seine Lungen. Lange blickte er auf den Hof, der von dem u-förmig gebauten Haus umgeben war. „Ich habe noch nie ein Haus wie dieses gesehen.“
Jedes einzelne Zimmer führte auf den Hof hinaus, der so früh im Jahr noch von vertrockneten Blättern und verwelkten Blumen bedeckt war.
„Das Haus zeugt von der spanischen Herkunft meiner Mutter. In den langen Sommermonaten wirst du dankbar für die Veranda sein. Egal wo du bist, du kannst einfach die Türen öffnen und manch kühle Sommerbrise genießen.“
Der Eimer, mit dem Patrick zurückkehrte, war nicht einmal halb voll. Das meiste hatte der Junge auf der Treppe verschüttet. Rasch griff Quinn danach und stellte den Eimer neben der Tür auf den Boden. Ungeduldig zog Patrick an Quinns Ärmel und zeigte auf die Ställe, die man zwischen den Bäumen hindurch erblicken konnte. „Ich habe Jack bei den Ställen gesehen. Kann ich zu ihm und den Pferden gehen?“
„Geh nur, aber bleib fern von Schwierigkeiten jeder Art. Hast du verstanden?“
„Ich pass auf ihn auf.“ Rory quetschte sich an ihm vorbei und lüftete im Vorbeigehen den Hut in Richtung Isabella. „Ma’am.“
„Wenn du mich entschuldigst, werde ich nun nach unseren anderen Gästen sehen.“ Schon wandte sich Isabella zum Gehen. „Wenn du Hunger hast – einfach der Nase nach. Martha hat einen wunderbaren Eintopf über dem Feuer.“
„Sie muss nicht …“ Beim Anblick von Isabellas hochgezogener Augenbraue hielt Quinn inne. Dann nickte er. „Vielen Dank, Ma’am. Ich sage den Jungs Bescheid. Patrick und Rory werden euch noch die Haare vom Kopf fressen, so viel kann ich versprechen.“
„Mach dir darum keine Sorgen. Zu gegebener Zeit werden die beiden schon das Ihre dazutun, um das Essen auf den Tisch zu bringen.“
Skeptisch ließ Quinn seinen Blick über die brach liegenden Felder gleiten. Nichts regte sich. Bis auf Jack, einen jüngeren Stallburschen und Marthas Summen, das leise von der Küche zu ihm herüberwehte, war alles still.
„Helfen wobei?“
Seine Schwägerin lachte. „Glaub mir. Ehe du dich versiehst, wird es mehr als genug Arbeit auf der Plantage geben. Sobald das Wetter es zulässt, wird Mr Mews zu pflügen beginnen. Und siehst du das Gebäude dort hinten?“ Mit ausgestrecktem Arm zeigte sie in die Richtung, in die Connor zuvor verschwunden war. Aus der Ferne erkannte Quinn nicht mehr als ein Dach, von dem beständig Rauch in den Himmel stieg. „Das ist das Sägewerk. Den ganzen Winter über hat Connor Bauholz zugeschnitten, um es unten in Natchez verkaufen zu können. Es bleibt euch überlassen, wo ihr mitarbeiten wollt.“
Nachdem Isabella gegangen war, stand Quinn unschlüssig auf der Veranda. Die Sonne stand hoch am Himmel, doch Quinn wusste weder, wohin