Das Haus hinter den Magnolienblüten. Pam Hillman
trat, prallte sie mit Quinn zusammen. Vor Schreck fasste sie sich an die Brust und stolperte zur Seite. Nur dank Quinns stützendem Arm konnte sie sich aufrecht halten. Die Fältchen neben seinen Augen wurden sichtbar, als er lächelte.
„Quinn, Sie … Sie haben mich erschreckt.“
„Entschuldigen Sie bitte. Ich wollte Sie nicht erschrecken.“
„Ich bin auf der Suche nach Megan. Haben Sie sie gesehen?“
„Ich habe dieselbe Mission wie Sie – nur bin ich auf der Suche nach Patrick“, sagte er achselzuckend. Schmunzelnd fügte er hinzu: „Wenigstens gibt es hier keine Takelage, auf die sie klettern könnten.“
Bei dem Gedanken an ihre erste Begegnung an Deck der Lady Gallant zuckte Kiera leicht zusammen. „Sie werden mich das wohl nie vergessen lassen, wie?“
„Vermutlich nicht.“ Quinn lachte.
„Amelia meinte, dieses rothaarige Mädchen – ich glaube, ihr Name ist Lizzy – wollte den anderen Kindern irgendwelche Welpen zeigen. Nur leider konnte sie mir nicht sagen, wo.“ Energisch stemmte Kiera die Hände in die Hüften. „Ich möchte nur vermeiden, dass Megan sich in irgendwelche Schwierigkeiten bringt.“
„Mir geht es mit Patrick ähnlich. Sobald ich ihn nicht mehr hören kann, muss ich mit dem Schlimmsten rechnen. Kommen Sie mit. Wir schauen bei der Räucherkammer nach.“
Tatsächlich entdeckten sie dort mehrere süße Welpen, die zusammengekauert in einer Grube schliefen, die jemand unter das Fundament der Hütte gebuddelt hatte. Doch von den Kindern fanden sie keine Spur. Besorgt zog Kiera ihre Augenbrauen zusammen. „Wo können sie nur hingegangen sein?“
„Hören Sie das?“
Kiera vernahm ein Kichern und folgte Quinn zum Kornspeicher. Auf den Stufen zum Eingang saßen die drei Kinder gemeinsam mit einer indianischen Frau. Gut ein Dutzend weiterer Kinder hockten bei ihnen, die zwar nicht so dunkle Haut, aber ebenso rabenschwarzes Haar hatten wie die Indianerin.
Als Megan Kiera und Quinn bemerkte, rannte sie auf die beiden zu. „Kiera! Komm, ich will dir meine neuen Freunde vorstellen.“
Ohne den freudigen Eifer ihrer Schwester zu stoppen, folgte Kiera dem Mädchen zu der Gruppe. „Guten Tag, Ma’am.“
Rasch stand die Indianerin auf. Mit gebeugtem Kopf stellte sie sich vor: „Mein Name ist Mary Horne, Mistress.“
„Kiera Young“, erwiderte Kiera und zeigte dann auf Quinn. „Und Quinn O’Shea.“
„Master O’Shea, Mistress Young.“
„Quinn reicht vollkommen aus, Ma’am.“
„Wie Sie wünschen, Master Quinn.“
Quinn verdrehte die Augen, doch er korrigierte die Frau nicht noch einmal.
Zwischen Lizzy und Patrick setzte Megan sich wieder auf den Boden und blickte erwartungsvoll auf Mary Horne. „Erzählst du uns noch eine Geschichte? Bitte?“
Mit einem Kopfnicken ließ sich die schwarzhaarige Frau wieder auf die Stufen sinken. Schweigend griff sie nach einem weiteren Maiskolben und begann damit, ihn zu schälen. Stirnrunzelnd beugte sich Megan zu Lizzy hinüber und flüsterte ihr ins Ohr: „Warum redet sie nicht?“
„Sie beginnt immer erst dann mit ihrer Geschichte, wenn jeder einen Maiskolben schält“, flüsterte Lizzy zurück und reichte Megan einen goldgelben Maiskolben. Sobald Megan mit dem Schälen angefangen hatte, fing Mary zu sprechen an:
„Die kleine Toksa, eine Meeresschildkröte …“
Der sanfte Klang von Marys melodischer Stimme hielt die Kinder im Bann. Quinn lehnte sich zu Kiera hinüber und murmelte: „Von dieser Mrs Horne können wir uns echt noch eine Scheibe abschneiden, wenn es darum geht, Patrick und Megan zu beschäftigen. Meinen Sie nicht, Miss Young?“
Um nicht laut loszukichern, hielt Kiera sich eine Hand vor den Mund. „Ich glaube, Sie haben recht, Mr O’Shea.“
Den Rest des Tages bekam Quinn Connor nicht mehr zu Gesicht. Darum machte er sich am nächsten Morgen noch vor Sonnenaufgang auf den Weg zum Sägewerk. Auch wenn er nicht lange bleiben würde, würde er sich bis zu seinem Aufbruch den Unterhalt verdienen.
Ein schmaler Lichtstreifen erschien gerade am östlichen Horizont, als Connor beim Sägewerk auftauchte. Quinn schoss von den Stufen auf, auf denen er gewartet hatte, und wischte sich grob mit den Händen das Sägemehl von Beinen und Gesäß.
„Quinn“, nickte ihm Connor zum Gruß zu. „Du bist früh wach.“
„Ich bin es nicht gewohnt, lange im Bett liegen zu bleiben.“ Achselzuckend blickte Quinn an Connor vorbei und starrte in die nebelverhüllte Ferne. „Pa hat mir das früh genug ausgetrieben.“
„Das kann ich mir vorstellen.“ Nachdem Connor die Tür des Sägewerks geöffnet hatte, griff er nach einem Schäleisen und wog es in der Hand. Dann bot er es Quinn an. „Willst du ein wenig mithelfen?“
„Dafür bin ich hier.“ Er griff nach dem Eisen. „Wo sind die anderen Männer? Ich dachte, sie würden spätestens beim Morgengrauen hier sein?“
„Sie werden bald hier sein. Der Weg in den Wald lohnt sich erst bei vollem Tageslicht wirklich.“
„Und trotzdem bist du hier.“
„Ich bin hier.“ Ohne seinen Bruder anzuschauen, griff Connor nach einem weiteren Schäleisen und machte sich auf den Weg in Richtung der Stämme am Rande der Lichtung. „Ich mag diese Zeit der Stille am frühen Morgen. Wenn ich ganz für mich allein bin. Manchmal arbeite ich dann an einem Möbelstück; manchmal befreie ich einen Stamm von der Rinde. Manchmal …“ Connor nahm einen tiefen Atemzug. „Manchmal setze ich mich auch einfach nur hin und bete. Dann danke ich Gott für all den Segen, den er über uns ausschüttet.“
Unschlüssig betrachtete Quinn das Werkzeug in seiner Hand. „Und was genau macht man mit so einem Ding?“
„Komm mit. Ich zeige es dir.“
Von einem Ende zum anderen ritzte Connor einen der Baumstämme auf. Dann griff er nach dem Eisen. „Sobald du den Stamm angeschnitten hast, nimmst du dir einfach dieses Schäleisen und lässt es zwischen Rinde und Baumstamm gleiten. Wenn du es ein wenig hin- und herbewegst, kannst du die Rinde lösen. So kannst du den gesamten Stamm schälen, bis das Holz glatt ist wie ein Aal.“
Quinn folgte Connors Anweisungen und versuchte, die Rinde so selten wie möglich abzubrechen, weil er sonst wieder von vorne anfangen musste. Doch mit der langen, geraden Klinge gelang es ihm einfach nicht, mehr als kleine Bruchstücke der Rinde abzuschälen. Bei Connor hatte es so einfach ausgesehen, wie er gleichmäßig lange Rindenstücke abgenommen hatte. Nichtsdestotrotz machte er weiter. Bestimmt würde er den Dreh bald herausbekommen.
„Die Arbeit wäre so viel einfacher mit einer geschwungenen Klinge.“ Connor begann bereits mit einem weiteren Stamm und schnitt ihn der Länge nach ein. Dann legte er seine Hand auf die Wölbung des Stammes und meinte verträumt: „Selbst die geringste Krümmung würde einen riesigen Unterschied machen.“
„Die Arbeit würde auf alle Fälle schneller gehen.“
„Ja, das stimmt. In den Carolinas habe ich solche Schäleisen gesehen. Es wäre so viel einfacher, damit zu arbeiten.“ An einem Ende des Stammes stellte Connor sich auf, Quinn begann mit dem Schälen am anderen Ende. Einen Fuß stellte er auf den Stamm, um ihn stabil zu halten.
Er sah sich das Werkzeug in seiner Hand genau an. „Ich könnte dir so eins machen.“
„Du weißt mit Eisen umzugehen?“ Ungläubig warf Connor seinem Bruder einen Blick zu. „Wo hast du denn so etwas gelernt?“
„Erinnerst du dich an den alten Seamus? Seine Arbeit wurde in den letzten Jahren immer gefragter