Das Haus hinter den Magnolienblüten. Pam Hillman

Das Haus hinter den Magnolienblüten - Pam Hillman


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Minenaufseher ihn als Lehrling in die Schmiede geschickt hatte. Obwohl die Arbeit dort heiß und nicht minder anstrengend war, befand er sich zumindest über dem Erdboden. Auch hier arbeitete Quinn verbissen vom Morgengrauen bis spät in die Nacht, doch wenigstens konnte er die Sonne auf- und wieder untergehen sehen. Quinn war sich sicher, dass Gott die Schönheit seiner Welt nicht gemacht hat, um tagein, tagaus vor ihr davonzulaufen.

      Unbehagen beschlich ihn. Er war es nicht gewohnt, untätig herumzustehen, und so lief er los, um nach seinem Bruder Ausschau zu halten. Sein Weg führte ihn an den Weinhängen vorbei. Unter Stroh begraben schlummerten die Weinstöcke und warteten auf den Sommer.

      Rory, Jack und der rothaarige Stallbursche führten gerade Mr Wainwrights Pferde auf die Weide. Wo war Patrick? Endlich entdeckte er ihn. Gemeinsam mit Kieras jüngster Schwester stand er neben einem rothaarigen Mädchen, das auf dem Boden kniete. Auf ihrem Schoß wand sich ein Welpe. Als Patrick sich neben sie setzte und das Mädchen ihm den Welpen überreichte, wusste Quinn, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte. Für den Rest des Tages würde Patrick mit dem Welpen beschäftigt sein.

      In der Nähe lag ein Gemüsegarten. Während die meiste Fläche brach lag, wuchs in manchen Reihen grünes Wintergemüse – Kohl, Wirsing und Steckrüben. Um es vor den kalten Temperaturen zu schützen, hatte man es ebenfalls mit Stroh bedeckt.

      Quinn schritt einen Weg entlang, der an den Holzhütten vorbeiführte, die er schon von der Veranda aus gesehen hatte. Die meisten von ihnen waren unbewohnbar. Scheinbar hatte sich lange schon niemand mehr darum gekümmert. Dann bog er auf den mit Bäumen gesäumten Weg ab und schlenderte in Richtung des Sägewerks.

      Als er wieder aus dem Schatten der Bäume trat, blickte er auf aufeinandergestapelte Holzstämme, die zum Aushärten in der Sonne lagen. Niemand schien sich hier aufzuhalten.

      Auf demselben Weg, den er gekommen war, kehrte Quinn zurück. Bei der Schmiede hielt er kurz inne. Die Hütte war schlicht. An beiden Seiten befanden sich Türen, die sich weit aufstoßen ließen. Im Sommer konnte man sie öffnen, um ein wenig Durchzug zu schaffen, im Winter geschlossen halten, um die Wärme im Inneren zu bewahren. Von dem, was Quinn bis jetzt vom Winter auf Breeze Hill mitbekommen hatte, konnte er sich kaum vorstellen, dass die Türen jemals geschlossen werden mussten. Dennoch waren sie zu.

      Leise knarzten die Türflügel, als er sie weit genug aufzog, um hineinschlüpfen zu können. Alles war still. Ein paar Motten, die er durch sein Eintreten aufgescheucht hatte, flogen wild durch die Gegend.

      Quinn schaute sich in der Schmiede um und hob ein paar der herumliegenden Zangen auf. Schweigend balancierte er sie in seiner Hand und überprüfte ihr Gewicht. Hämmer in sämtlichen Größen und Formen hingen aufgereiht an den Wänden. Auf einem Haufen in der Ecke stapelten sich kaputte Eisenteile und Werkzeuge – Schaufeln, ein Beil, Spitzhacken und Haken.

      Eine von Motten zerfressene Lederschürze hing an einem Haken neben der Schmiedeesse. Daneben baumelten zwei ähnlich abgenutzte Handschuhe. Vorsichtig ließ er die Hand über das Leder gleiten. Es war hart und brüchig. Die Schmiede schien seit langer Zeit nicht mehr benutzt worden zu sein. Quinn starrte verwundert auf die viele Arbeit, die sich vor ihm auftürmte.

      Vom Boden klaubte er ein Stück Eisen auf, das nicht viel größer war als beide seiner Handflächen zusammen. Irgendjemand hatte damit begonnen, ein Ende zu plätten, um eine Hacke herzustellen. Die Arbeit wurde jedoch nie beendet. Mit einem guten, heißen Feuer würde Quinn nur wenige Stunden brauchen, um all die Arbeit fertigzustellen.

      Allerdings würde er einen Assistenten brauchen. Vermutlich könnte er Rory oder Patrick beibringen, den Blasebalg zu bedienen.

      Vielleicht …

      Er ließ das aufgehobene Stück Eisen auf den Tisch fallen. Laut klang der Aufprall in der Stille wider. Was dachte er sich nur? Er würde nicht lange genug auf Breeze Hill bleiben, um die Schmiede wieder zum Laufen zu bringen. Lange bevor auch nur eine Hacke auf dem Feld gebraucht werden würde, würde er bereits über alle Berge sein. Und wenn es so weit wäre, würde Connor einfach einen Schmied einstellen, der diese Arbeit erledigte.

      Um endgültig seiner Freude über die Arbeit mit Eisen den Deckel aufzusetzen, drehte Quinn sich um und ging entschlossenen Schrittes aus der Schmiede. Auf dem schnellsten Weg lief er zurück zur Scheune, wo er Patrick zum letzten Mal gesehen hatte.

      Kapitel 6

      Kiera faltete die wenigen Kleidungsstücke zusammen, die sie aus Natchez hatte mitnehmen können. In der Eile hatte sie nicht darauf geachtet, was sie in das Kopfkissen stopfte. Dementsprechend dürftig erschien ihr das, was nun vor ihr lag.

      Für Megan hatte sie nur einen Kittel mitgenommen. Apropos Megan – sie hatte schon seit einer Ewigkeit nichts mehr von ihrer Schwester gehört. Eilig lief sie in das Vorzimmer der Suite, die die Mistress O’Shea für die drei Schwestern bestimmt hatte.

      „Wo ist Megan?“

      Amelia blickte nicht einmal auf, sondern zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich habe sie seit unserer Ankunft nicht mehr gesehen. Dieses Mädchen – die Rothaarige – hat von irgendwelchen Welpen geredet, die sie ihr zeigen wollte.“

      „Ich werde nach ihr sehen.“ Kiera griff nach ihrem Überwurf und warf dabei einen kritischen Blick auf ihre Schwester, die sich auf dem Sofa zusammengerollt hatte. „Währenddessen schlage ich vor, dass du dich auf die Suche nach Mistress O’Shea oder Martha machst und deine Hilfe anbietest.“

      Amelia gähnte. „Ich soll sie Isabella nennen, hat sie gesagt. Außerdem gibt es zurzeit nichts zu tun. Es ist Winter.“

      „Es gibt immer etwas zu tun. Mir ist nicht entgangen, dass du auch nach dem Mittagessen nicht deine Hilfe angeboten hast.“

      Wieder zuckte Amelia mit den Schultern. „Das ist Marthas Aufgabe.“

      Kiera schritt auf Amelia zu und kniete sich neben ihre Schwester.

      „Amelia, nur weil uns die O’Sheas in ihrem Haus als Gäste dulden, heißt das nicht, dass wir ihnen gleichgestellt sind. Unsere eigene Schwester hat zugelassen, dass ihr Ehemann uns an ein Bordell verkauft, um seine Spielschulden zu begleichen. Wir können nicht einfach so tun, als wäre das nicht geschehen. Die Dinge sind ab jetzt nicht mehr so, wie du es aus Irland gewohnt bist.“

      Gedankenverloren spielte Amelia an einem losen Faden des Sofas. „Glaubst du, sie hat es gewusst? Warum George uns wirklich hierhergeschickt hat, meine ich.“

      Der Schmerz in ihrer Stimme war kaum zu überhören. Sanft strich ihr Kiera eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht und klemmte sie ihr hinter das Ohr. Amelias Haare waren schon immer ein wenig heller gewesen als ihre eigenen. „Wer weiß schon, was in Charlottes Kopf vor sich geht. Was geschehen ist, ist nun einmal geschehen, und jetzt müssen wir das Beste daraus machen. Egal was geschieht, wir wollen auf keinen Fall wieder zurück zu Le Bonne. Hast du das verstanden?“

      Alle Farbe wich der Sechzehnjährigen aus dem Gesicht. „Ja.“

      „Gut. Vielleicht könntest du Martha fragen, ob sie Hilfe in der Küche braucht. Falls nicht, frag nach einem Eimer Wasser und beginn damit, unsere Zimmer abzustauben. Wir wollen der guten Frau nicht noch mehr Arbeit machen, als sie ohnehin schon hat.“

      „Meinetwegen.“

      „Sobald ich Megan gefunden habe, komme ich zurück.“

      Nachdem Kiera auf die Veranda herausgetreten war, suchte sie den Hof mit den Augen ab. Keine Spur von Megan. Seufzend schlang sie den Überwurf enger um sich und lief auf die Scheune zu.

      Für diese Zeit des Jahres war das Wetter erstaunlich mild und die Sonne schien verblüffend hell. Doch Kiera wusste, dass es sich über Nacht ebenso gut ins Gegenteil wenden konnte. Das Wetter in Irland war ebenso unvorhersehbar.

      Als Kiera am Weinberg vorbeikam, steckte sie den Kopf in drei der heruntergekommenen Hütten, die am Wegesrand standen. Verwundert fragte sie sich, wieso sie leer standen. Megan war nirgendwo zu finden. Als sie bei den Ställen angekommen


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