Das Haus hinter den Magnolienblüten. Pam Hillman
einen höflichen Knicks. Le Bonne lachte hohl, sichtlich amüsiert von dem tadellosen Verhalten der beiden.
„Claude, könntest du also bitte Megan und Amelia ihr Zimmer zeigen? Am besten bringst du auch ihre Koffer gleich hinein.“
„Das wird nicht nötig sein.“ Kiera hob ihr Kinn. „Auf keinen Fall können wir in einem Bordell wohnen.“
Langsam erhob sich Le Bonne und kam um den Tisch herum. Direkt vor Kiera kam er zum Stehen. Seine Augen wirkten noch unheimlicher als sonst. Es schauderte Kiera, als er erwiderte: „Natürlich könnt ihr.“
Bevor sie sich versah, hatte er sie am Arm gepackt und zog sie zu sich heran. Hinter ihr hörte sie Amelia aufschreien und fühlte, wie Megan nach ihr greifen wollte. Mit aller Kraft versuchte Kiera, sich aus dem Griff Le Bonnes zu befreien, doch er packte sie nur noch fester. Er drehte sie um, presste sie an seinen Körper und drückte ihr mit dem Arm die Kehle ab. Die schreckverzerrten Gesichter ihrer Schwestern verschwammen vor Kieras Augen, während sie nach Luft rang.
Claude packte sich Megan und Amelia und schleifte sie nach Le Bonnes Anweisung aus der Tür: „Schaff sie auf ihr Zimmer und schließ sie dort ein.“
„Bitte. Nein!“ Entsetzen machte sich in Kiera breit.
„Kiera!“ Megan trat und zerrte und versuchte verzweifelt, sich aus dem stahlharten Griff des Riesen zu befreien.
Heiser fing Kiera an zu schluchzen, als sich die Tür hinter ihnen schloss. Rücksichtlos drückte Le Bonne sie in einen Sessel, doch Kiera war dankbar, nicht mehr in seinem Würgegriff zu sein.
„Lass uns etwas klarstellen.“ Le Bonne rupfte den Brief aus der Tasche, den sie ihm zuvor überreicht hatte, und hielt ihn über eine Kerze. Er ging in Flammen auf, als das Feuer ihn berührte. „Es war durchaus amüsant herauszufinden, dass du in dem Glauben nach Amerika gekommen bist, meine Frau zu werden. Leider muss ich dir mitteilen, dass die Wahrheit nicht ganz so … wie soll ich sagen … romantisch ist?“
Er zog einen weiteren Brief aus seiner Tasche. „Nun, dieser Brief sagt uns die Wahrheit darüber, wieso ihr hier seid.“ Misstrauisch beobachtete Kiera, wie Le Bonne ihr den Brief entgegenstreckte. Anstatt ihn sich zu greifen, zog sie ihre Knie an und rollte sich auf dem Sessel zusammen.
„Willst du etwa nicht wissen, wieso euer lieber Schwager dich und deine schönen Schwestern zu mir geschickt hat?“, fragte er grinsend.
Benommen schüttelte Kiera den Kopf.
„Nimm ihn“, bellte er sie an. Vor Schreck sprang sie auf, griff mit zitternden Fingern nach dem Brief und begann zu lesen. Ganz offensichtlich hatte ihr Schwager sie hierherbringen lassen, um eine alte Schuld zu begleichen. Nicht als potenzielle Ehefrau, sondern als … Prostituierte.
Panik machte sich in Kiera breit und raubte ihr das letzte bisschen Verstand. Sie musste weg von hier. Sie musste ihre Schwestern finden und dann, so schnell es ging, fort von hier.
„Bitte, lassen Sie uns einfach gehen“, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme.
„Euch gehen lassen?“ Le Bonne lachte. „Ma chère, wo kämen wir da hin? Ihr drei seid eine Goldgrube für mich.“
„Wir drei?“ Vor Entsetzen war Kieras Stimme kaum noch hörbar. „Meg … Megan ist noch ein Kind.“
„Stimmt. Aber das tut nichts zur Sache.“ Der ausdruckslose Blick des Mannes sagte ihr, dass er es todernst meinte. Er würde weder Rücksicht auf sie noch auf Megan oder Amelia nehmen.
Mit eisigen Klauen nahm die Dunkelheit von ihrem Inneren Besitz. Was hatten Charlotte und George nur getan?
„Bitte. Ich werde alles tun. Aber …“ Kieras Stimme brach, sie war kaum mehr als ein Flüstern: „… nicht meine Schwestern. Nicht Megan. Ich flehe Sie an.“
Zufrieden lächelte Le Bonne sie an: „Ich wusste, wir würden uns einig werden, Mademoiselle.“
Kapitel 3
Kneipen waren Quinn nicht fremd, doch beim Anblick dieser Absteige drehte sich selbst ihm der Magen um. Auch Rory starrte mit aufgerissenen Augen auf das Bild, das sich den vier Männern bot.
Verärgert wünschte sich Quinn, er hätte den Jungen mit Bloomfield gehen lassen. Wie in aller Welt hätte er ahnen können, dass Wainwright sie an solch einen Ort führen würde? Er konnte sich kaum vorstellen, dass Le Bonne Kiera und ihre Schwestern tatsächlich hierher hatte bringen lassen.
Leicht bekleidete Frauen bedienten die Gäste. Reichlich Alkohol wurde ausgeschenkt. Mehr als einen der Männer erkannte er als Matrosen der Lady Gallant wieder. Gleich nachdem sie ihren Lohn erhalten hatten, mussten sie aufgebrochen sein, um ihn wieder auszugeben – für harte Getränke und für Frauen.
„Rory, mein Junge, warte draußen.“ Quinns ernster Ton duldete keine Widerrede. Folgsam wandte Rory sich zur Tür.
Am anderen Ende des Raumes erspähte Quinn Le Bonne. Mit einem leichten Stoß in die Rippen machte er Wainwright auf sich aufmerksam und nickte in Richtung des Franzosen. „Ich werde herausfinden, wo die Mädchen sind.“
Noch bevor er bei Le Bonne angekommen war, zog der Kneipenbesitzer eine Pistole, zielte zur Decke und zog den Abzug. Laut hallte der Schuss durch den Raum. Mit einem Schlag wurde es still.
„Messieurs!“, rief Le Bonne. „Heute Abend wartet eine besondere Überraschung auf Sie.“
Wie schon so oft schnippte er mit den Fingern, woraufhin Claude auf der Galerie oberhalb des Schankraumes erschien. Kiera zerrte er hinter sich her.
Der Anblick trieb Quinn zur Weißglut. Das war nicht die mutige junge Frau, die er am Hafen zurückgelassen hatte. Dem Mädchen, das er dort oben sah, stand das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben.
Wo waren nur ihre Schwestern? Quinns Blick wanderte über die Galerie, die sich über der linken Seite des Schankraumes befand. Waren sie auch irgendwo dort oben?
Laute Pfiffe ertönten, als Le Bonnes Handlanger Kiera die Treppe hinunterzwang. Auf der letzten Stufe geriet sie ins Stolpern. Als sei sie eine gefühllose Stoffpuppe, riss Claude sie wieder nach oben. Quinns Magen rebellierte, als er sie leise wimmern hörte.
„Auf die Bühne. Bring sie auf die Bühne, damit wir sie sehen können!“
Von allen Seiten begannen die Männer mit ihren blechernen Trinkgefäßen auf den Tisch zu klopfen. Immer schneller wurden sie, bis es in Quinns Ohren zu klingeln begann. Zu dem rhythmischen Getrommel riefen sie unablässig: „Bühne! Bühne! Bühne!“
Kiera schrie auf, als der grobe Riese sie von hinten packte und auf ein Podest stellte, das sich gut einen halben Meter über dem Boden befand.
Eine Hand schlang sich um Quinns Handgelenk, als dieser wutentbrannt losstürmen wollte.
„Nicht jetzt, du Narr“, zischte Wainwright in dem Versuch, Quinn in seinem Feuereifer zu stoppen.
Behände sprang Le Bonne auf das Podest. Hämisch grinsend näherte er sich Kiera und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Daraufhin verschwand der ängstliche Blick aus ihrem Gesicht und sie presste nur noch entschlossen die Lippen aufeinander. Während die Männer wie Tiere jaulten und die junge Frau begafften, starrte sie über ihre Köpfe hinweg in eine unbestimmte Ferne. Tränen stahlen sich links und rechts aus ihren Augenwinkeln und liefen ihre Wangen hinunter. Trotzdem stand sie dort erhobenen Hauptes. Ohne sich zu bewegen, ohne zu schreien, ohne in irgendeiner Weise auf die johlende Menge zu reagieren.
Quinn wusste nicht, was er tun sollte. In ihm regte sich der starke Drang, irgendjemanden zu schlagen. Er wollte sie alle schlagen, ungeachtet dessen, was Mr Wainwright dachte. Bevor Le Bonne seinen grausamen Plan in die Tat umsetzen konnte, musste Quinn dafür sorgen, dass die Bestien vor ihm am Boden lagen und Kiera in Sicherheit war.
Brüsk schob sich ihm Mr Wainwright in den Weg. „Wenn Sie dafür sorgen wollen, dass sowohl