Gespräch unter zwei Augen. Werner Schneyder

Gespräch unter zwei Augen - Werner Schneyder


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wurdest doch noch während des Studiums gut bezahlter Werbetexter.

      Das war der Tiefpunkt. Am Institut haben sie mir gesagt, eine bedeutende Auto- und Fahrzeugfirma würde einen Texter brauchen. Ich hatte kein Geld. Weihnachten stand vor der Tür. Ich habe mir gedacht: Mach die drei Probemonate, da kannst du Weihnachtsgeschenke kaufen, und dann haust du wieder ab.

      Du hattest großen Erfolg. Es wurden zweieinhalb Jahre.

      Erfolg? Es gab ja nichts zu tun! Hie und da ein Prospekttext, hie und da ein Inserat, ein Slogan. Wenn ich, über die ganze Zeit aufgeteilt, täglich eine halbe Stunde gearbeitet habe, war es viel. Aber ich war den ganzen Tag da. Beschämend. Ich habe während der Dienstzeit mit einem Kollegen Karten gespielt. Poker. Ich habe Unsummen verloren. Er war Falschspieler. Als ich ihn drauf angesprochen habe, hat er es zugegeben. Ich habe ihn dann ersucht, mir was beizubringen. Er hat sich geweigert. Er hat gesagt, er traut mir nicht zu, die Sachen monatelang vor dem Spiegel zu üben.

      Du hast dir deinen Lebenstraum erfüllt. Du gingst zum Theater. Als Dramaturg und Autor. Nach Salzburg.

      Nicht als Dramaturg. Die Planstelle war schon an eine Frau vergeben. Ich war »Chefdisponent«. Ich habe nur die Dramaturgenarbeit gemacht. Und Autor? Sie hatten ein Theaterstück von mir angenommen und auch uraufgeführt. Der Riesenerfolg hat mich veranlasst, zu glauben, aus mir wird ein großer Stückeschreiber.

      Du wurdest als Chefdramaturg nach Linz geholt.

      Das schlimmste Jahr meines Lebens. Schon die Vorgeschichte. Die Salzburger gingen nach Braunschweig. Und engagierten als Chefdramaturgen einen bekannten deutschen Reisekritiker, der die Theater erpresste, seine Kindermärchen aufzuführen. Die waren also froh, mich loszuwerden. Nach Linz wurde ich geholt von einem aus einem Dreierdirektorium, dem Opernmann. Dem war aufgefallen, dass das Salzburger Theater dauernd in den Zeitungen stand. Pressearbeit, das konnte ich. Der Operndirektor war aber Todfeind des Schauspieldirektors und drückte mich dem aufs Auge. Der aber wollte die ganze Intendanz, und ich war sozusagen der Mann seines Rivalen. Der Zustand war unerträglich. Ich verzichtete auf das zweite Vertragsjahr. Und stand auf der Straße.

      Unsinn. Du hast für Zeitungen geschrieben, für den Funk, du hast Funkregien gemacht, Lieder übersetzt, Musicalsongs. Du hast einen Industriefilm gedreht und …

      … viel gemacht, was mir in bösen Träumen noch unterkommt.

      Es ist dir nie schlecht gegangen.

      Wirtschaftlich? Nein. Aber da war viel dabei, wo man hätte nachher unter die Dusche müssen.

      Du warst nicht wehleidig.

      Aus Trotz.

      Es kam die Zeit, da bist du immer zwei Wochen im Monat nach München und hast in einer Film- und TV-Firma unter der Leitung des ehemaligen österreichischen Fernsehdirektors Gerhard Freund Drehbücher geschrieben, Serien …

      …auch unter Pseudonym, wenn ich mich geschämt habe …

      … auch große Geschichten. Das war doch eine tolle Zeit …

      … in der sich mein Freund und Gönner von Aufsichtsratssitzung zu Aufsichtsratssitzung fürchtete, bis es vorbei war. Es war die Hölle. Noch dazu habe ich in München in Untermiete gewohnt. Es war alles sehr traurig.

      Doch dann kam das Kabarett. Alles, was du gelernt hattest, konntest du unterbringen. An der Seite des Großmeisters Dieter Hildebrandt wurdest du über Nacht zum Star, hast dich in den ersten 22 Kabarettjahren dumm und dämlich verdient.

      Mit Misserfolgen. Ich kann doch jetzt, mit 80, nicht herumgehen und dauernd sagen, das habe ich, das haben wir damals schon gesagt, und immer wieder, ich habe damit und damit und damit recht gehabt. Ich habe wirklich gehofft. Und jetzt stehen wir kurz vor einem globalen Crash. Das macht das, was du »Erfolg« nennst, auf das du so stolz bist, so namenlos bitter.

      Jetzt wirst du unerträglich.

      Weil ich eine Depression habe.

      Na, wenn’s sonst nichts ist.

      Gespräch über die Herkunft

      Geboren als Schneyder mit Ypsilon. Hat dich das Ypsilon eher gestört oder hast du es als originelle Bereicherung empfunden?

      Weder noch. Gestört hat mich nur, dass die richtige Schreibweise meines Namens nicht immer leicht durchsetzbar war.

      Du hast Briefe, wo »Schneider« draufstand, immer weggeschmissen.

      Vor allem Autogrammanfragen. Ich war nicht bereit hinzunehmen, dass Menschen ein Autogramm von jemandem haben wollen, dessen Namen sie nicht wirklich kennen.

      Besonders heiß bist du gelaufen, wenn die Schreibweise der Adresse und die des Brieftextes differierten.

      Da habe ich kurz den Intelligenzgrad der Schreibkraft bestimmen wollen.

      Eine Zeit lang mochtest du deinen Vornamen nicht.

      Das gilt angeblich für die meisten jungen Menschen. Aber da auch Herbert im Gespräch war, bin ich nicht unzufrieden. Das Ypsilon war übrigens sechs Generationen zurück nachweisbar. Der Vater hat Ahnenforschung betrieben.

      Ich glaube kein Wort.

      Der Vater hat erzählt, er wäre bis zu einem »Anton Schneyder, k. u. k. Straßenpfleger von Österreich« gekommen. Straßenpfleger, glaube ich, im Sinne von Straßenkehrer.

      Übertreib nicht.

      Das Ypsilon hat irgendein Pfarrer einmal hineingeschrieben, weil er schon zu viele I-Schneiders in der Gemeinde hatte. Oder ein geltungssüchtiger Ahne hat darum ersucht.

      Es kann auch von einem eingedeutschten tschechischen Wort übriggeblieben sein.

      Das ist naheliegend, wenn man das Geburtsjahr 1937 bedenkt.

      Der Vater hat nie davon gesprochen, seinem Führer absichtsvoll einen männlichen Nachkommen gezeugt zu haben.

      Die Absicht hätte sich die Mutter auch nicht bieten lassen.

      Du bezeichnest dich als Klagenfurter.

      Bin ich ja. Ich bin in dieser Stadt aufgewachsen und zur Schule gegangen. Bis zur Matura.

      Du bist in Graz geboren.

      Aber, in einem Anfall von Frühintelligenz, als Zweijähriger gesiedelt.

      Da hört man einen Unterton gegen Graz heraus.

      Dafür gibt’s keinen Grund. Außer, dass ich mich immer geärgert habe, eine Stadt als Geburtsstadt angeben zu müssen, mit der mich nichts verbindet.

      Du weißt doch längst, dass sie wunderschön ist.

      Das wiegt drei Kontaktversuche nicht auf.

      Die Lesung im »Forum Stadtpark«. Damals das Zentrum der österreichischen Literatur.

      Bei der waren sieben Leute. Man hat mich erfahren lassen, dass ich keine Sau interessiere.

      Du hattest eine sehr gute Kritik.

      Von dem Mann, der mich zur Lesung eingeladen, der sie veranlasst hatte. Einmal, ein einziges Mal, war ich länger in Graz.

      Da hast du an der Oper eine Operette inszeniert. Die Presse war kein Grund zum Verzagen.

      Eher im Gegenteil. Gewettet hätte ich, dass man mich wieder holt. Man hat aber nicht.

      Das stimmt nicht. Du hast für die darauffolgende Saison das nächste Angebot gehabt.

      Das war mir zu knapp danach.

      Da wunderst du dich.

      Ich wundere mich nicht. Ich trauere nur der Mittagszeit am Marktplatz nahe der Oper nach, wo man nach der Probe wunderbare Nudeln essen und sich mit südsteirischen Spitzenweinen in den Nachmittagsschlaf saufen konnte.

      Also doch eine starke Beziehung zur Geburtsstadt.

      Ja, aber die wurde ruiniert durch ein Engagement als Frosch in der »Fledermaus«.


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